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September 16, 2024

Das Schiedsverfahren: Lösung bei Streitigkeiten zwischen Unternehmern

  Gesammelt von myLIFE team myCOMPANY August 6, 2024 114

Sie haben Probleme mit einem Ihrer Geschäftspartner, beispielsweise einem Unternehmen oder Lieferanten, und suchen nach einer Konfliktlösung. Haben Sie schon einmal an ein Schiedsverfahren gedacht, um die Streitigkeit beizulegen? Ein Schiedsverfahren ist eine Alternative, mit der Sie ein herkömmliches Gerichtsverfahren umgehen können. Wir erklären Ihnen, wie es funktioniert.

Elisa ist in Luxemburg als Händlerin tätig. Sie hat seit mehreren Monaten rechtliche Probleme mit ihrem deutschen Lieferanten, der mit der Zahlung mehrerer Rechnungen in Verzug ist. Die Luxemburgerin würde gerne eine schnelle und diskrete Lösung finden, ohne ein nervenaufreibendes Gerichtsverfahren einleiten zu müssen, das sich womöglich in die Länge ziehen würde. In ihrer Situation könnte ein Schiedsverfahren sinnvoll sein. Worum handelt es sich dabei genau und wie geht man am besten vor?

Was ist ein Schiedsverfahren?

Das Schiedsverfahren dient der Streitbeilegung und ist eine Alternative zu herkömmlichen Gerichtsverfahren. Die Konfliktparteien wählen in gegenseitigem Einverständnis entweder einen oder drei unabhängige und unparteiische Schiedsrichter aus. Diese bilden das Schiedsgericht, das mit der Schlichtung des Streitfalls beauftragt ist. Am Ende des Verfahrens fällen die Schiedsrichter mit dem sogenannten „Schiedsspruch“ eine endgültige Entscheidung.

Es gibt zwei Arten von Schiedsverfahren:

    • Das institutionelle Schiedsverfahren: Eine spezielle Schiedsinstitution, beispielsweise das Luxembourg Arbitration Center der Handelskammer, regelt das Verfahren und sorgt dafür, dass die vorgegebene Schiedsgerichtsordnung befolgt wird.
    • Das Ad-hoc-Schiedsverfahren: Die beteiligten Parteien regeln das Verfahren eigenständig, das heißt ohne die Unterstützung einer Schiedsinstitution.

Das Schiedsverfahren kann als paralleles, privates und ergänzendes Verfahren zu staatlichen Justizverfahren angesehen werden. Damit lassen sich Konfliktsituationen lösen, ohne den Weg über die klassischen Gerichte gehen zu müssen.

Das Luxembourg Arbitration Center (LAC)

Das 1987 von der luxemburgischen Handelskammer gegründete Luxembourg Arbitration Center (LAC) ist für die Organisation und Überwachung institutioneller Schiedsverfahren zuständig. Es verfügt über seine eigene Schiedsgerichtsordnung, die 2020 überarbeitet wurde.

Das LAC bietet unter bestimmten Bedingungen ein vereinfachtes Verfahren an, mit dem beispielsweise Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von höchstens 1 Million Euro beigelegt werden können. Es ermöglicht auch den Zugang zu einem Eilverfahren, mit dem innerhalb von 14 Tagen eine Entscheidung gefällt werden kann. Ein solches Verfahren kommt besonders dann in Frage, wenn die Situation einstweilige oder Sicherungsmaßnahmen erfordert und die Bildung eines Schiedsgerichts zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde.

Achtung: Ein Schiedsverfahren ist nur möglich, wenn alle Parteien damit einverstanden sind. Dieses Einverständnis kann wie folgt gegeben werden:

    • vor dem Eintritt des Streitfalls, indem eine sogenannte „Schiedsklausel“ in den Geschäftsvertrag oder in eine Vereinbarung aufgenommen wird (zur Vorbeugung etwaiger künftiger Konflikte);
    • nach dem Eintritt des Streitfalls durch Unterzeichnung einer sogenannten Schiedsvereinbarung.

Diese Art der Streitschlichtung eignet sich besonders, wenn der Konflikt länderübergreifend ist, es um hohe Beträge geht oder spezielle technische Kenntnisse erforderlich sind.

In welchen Fällen kommt ein Schiedsverfahren in Frage?

Ein Schiedsverfahren eignet sich besonders für Streitigkeiten zwischen Geschäftsleuten (Unternehmen, Lieferanten, Dienstleistern usw.), die eine rasche Lösung und ein gewisses Maß an Vertraulichkeit benötigen. Nicht zulässig sind Schiedsverfahren hingegen bei Streitigkeiten zwischen Geschäftsleuten und Verbrauchern, Arbeitgebern und Arbeitnehmern oder im Rahmen von Wohnraummietverhältnissen. Bei einem Konflikt mit einem Kunden oder einem ihrer Angestellten könnte Elisa sich also nicht darauf berufen.

Die Streitfälle betreffen in der Regel handelsrechtliche, zivilrechtliche oder finanzielle Vorgänge. So können sie sich zum Beispiel auf die Bezahlung einer Rechnung, das Lieferdatum einer Ware, die Konformität eines Produkts, die Qualität einer Dienstleistung oder die Rückzahlung eines Darlehens beziehen. Außerdem können etwa Kauf- und Dienstleistungsverträge, Aktionärsvereinbarungen oder auch die Satzung einer Gesellschaft mit einer Schiedsklausel versehen werden, um etwaigen Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen.

Diese Art der Streitschlichtung eignet sich außerdem besonders, wenn der Konflikt länderübergreifend ist, es um hohe Beträge geht oder spezielle technische Kenntnisse erforderlich sind.

Nicht zu verwechseln: Schiedsverfahren und Mediation

Schiedsverfahren und Mediation sind zwei grundverschiedene Dinge. Bei einem Schiedsverfahren wird der Streitfall einem Schiedsgericht vorgelegt, das aus einem oder mehreren Schiedsrichtern besteht, die über den Vorgang entscheiden und einen endgültigen Schiedsspruch erlassen. Die Mediation hingegen besteht darin, zwischen den Konfliktparteien einen Kontakt herzustellen, damit diese sich austauschen und gemeinsam eine Lösung finden können. Der Mediator unterstützt sie bei dem Vorgehen, kann aber im Gegensatz zum Schiedsrichter keine Lösung vorschreiben. Letzterer trifft eine Entscheidung, die einem Gerichtsbeschluss gleichkommt.

Was sind die Vor- und Nachteile des Schiedsverfahrens?

Im Vergleich zu einem herkömmlichen Gerichtsverfahren, das aufgrund der vielen möglichen Rechtsbehelfe oftmals langwierig und kostspielig ist, bietet ein Schiedsverfahren mehrere Vorteile.

    • Das Verfahren ist flexibel: Die Parteien können den Ort des Schiedsverfahrens und das auf ihren Fall anwendbare Recht einvernehmlich festlegen, sich auf die Verfahrensregeln einigen und außerdem die Sprache auswählen, in der die Gespräche geführt werden. Elisa und ihr Lieferant können beispielsweise entscheiden, ob die Verfahrensunterlagen etwa auf Deutsch statt auf Französisch geführt werden.
    • Das Schiedsgericht besteht aus Fachleuten: Das Gericht kann entweder aus einem oder drei Schiedsrichtern bestehen. In letzterem Falle ernennt jede Partei einen Schiedsrichter, und die beiden so ernannten Unparteiischen wählen einen dritten Schiedsrichter aus. Diese drei Schiedsrichter bilden das Schiedsgericht. Bei den Schiedsrichtern kann es sich um Juristen oder Anwälte, aber auch um Personen handeln, die aufgrund ihrer technischen Fähigkeiten oder ihres Fachwissens in dem verhandelten Bereich ausgewählt wurden. Das Schiedsgericht kann von den Parteien oder von der Schiedsinstitution ernannt werden.
    • Die Kosten sind transparent: Bei institutionellen Schiedsverfahren sind die Verfahrenskosten in der Regel bereits zu Beginn des Verfahrens bekannt. Sie umfassen die Honorare und Kosten der Schiedsrichter, der Anwälte, die Kosten für mögliche Sachverständige und Zeugen sowie gegebenenfalls die Verwaltungskosten des LAC.
    • Das Verfahren ist vertraulich: Die Anhörungen erfolgen unter Ausschluss der Öffentlichkeit und auch die Schiedssprüche werden nicht öffentlich gemacht, sodass das Geschäftsgeheimnis und die Vertraulichkeit des Verfahrens gewahrt werden.
    • Das Verfahren ist schnell: Das Schiedsgericht verfügt in der Regel über eine maximale Frist für die Entscheidungsfindung. Als Richtwert: Bei einem Schiedsverfahren vor dem LAC dauert das vereinfachte Verfahren etwa sechs Monate, während der Schiedsspruch im Eilverfahren innerhalb von vierzehn Tagen ergehen kann.
    • Die Entscheidung ist endgültig: Es gibt es kein Berufungsverfahren und die Rechtsmittel zur Anfechtung eines Schiedsspruchs sind begrenzt. Darüber hinaus ist der Schiedsspruch dank des New Yorker Übereinkommens vom 10. Juni 1958 international vollstreckbar. Durch dieses Übereinkommen werden im Ausland erlassene Schiedssprüche in über 170 Ländern weltweit anerkannt und vollstreckt.

Gut zu wissen: Sollte die unterlegene Partei sich weigern, dem Schiedsspruch Folge zu leisten, ist es möglich, sich an einen staatlichen Richter zu wenden, damit dieser einen „Exequaturbeschluss“ erlässt. Damit wird die unterlegene Partei zur Erfüllung des Schiedsspruchs verpflichtet.

Das Schiedsgericht kann beschließen, der unterlegenen Partei alle Kosten des Schiedsverfahrens aufzuerlegen, einschließlich jener, die der Gegenpartei entstanden sind.

Ungeachtet der vielen Möglichkeiten gelten für Schiedsverfahren auch Einschränkungen.

    • Schiedsverfahren sind nicht auf alle Konflikte anwendbar: Dies gilt insbesondere für verbraucherrechtliche, strafrechtliche und arbeitsrechtliche Belange. Auch Mietangelegenheiten im Zusammenhang mit Wohnraum sind von den Verfahren ausgeschlossen.
    • Berufungen und Rechtsmittel sind begrenzt: Es ist nur eine Nichtigkeitsklage möglich, und dies auch nur in gesetzlich festgelegten Situationen (z.B. wenn es Unregelmäßigkeiten bei der Zusammenstellung des Schiedsgerichts gab, es für unzuständig erklärt wurde usw.).
    • Die Rechtsprechung durch ein Gericht ist selten.
    • Bestimmte Entscheidungen können nicht vom Schiedsgericht getroffen werden: Das Schiedsgericht kann nicht über eine Anrufung oder Verpfändung entscheiden.
    • Die Kosten sind im Voraus zu begleichen: Die Verwaltungskosten und Honorare der Schiedsrichter sind zu Beginn des Verfahrens zu entrichten.

Gut zu wissen: Das Schiedsgericht kann beschließen, der unterlegenen Partei alle Kosten des Schiedsverfahrens aufzuerlegen, einschließlich jener, die der Gegenpartei entstanden sind.

Reform des Schiedsverfahrens in Luxemburg

Das Recht des Großherzogtums wurde reformiert und mit dem Gesetz vom 19. April 2023 wurde ein neues Gesetz verabschiedet, mit dem das Schiedssystem in Luxemburg modernisiert werden soll. Der Schwerpunkt liegt nunmehr auf der Flexibilität, Vertraulichkeit und dem raschen Abschluss von Schiedsverfahren. Das Gesetz sieht insbesondere das Hinzuziehen eines Richters unter bestimmten Bedingungen vor. Es legt somit neue Rechtsgrundlagen fest, damit das Schiedsverfahren in der Geschäftswelt anerkannt wird und internationalen Standards entspricht.

Für Elisa scheint ein Schiedsverfahren eine interessante Möglichkeit zur Lösung ihres Streitfalls zu sein. Sie nimmt sich vor, das LAC zu kontaktieren und sich darüber zu informieren, wie sie vorgehen muss, um eine Schlichtung zwischen ihr und ihrem Lieferanten zu erwirken. Des Weiteren überlegt sie, zukünftige Verträge mit einer Schiedsklausel zu versehen, um auf etwaige spätere Konflikte vorbereitet zu sein.

Weitere Informationen sind im Praktischen Leitfaden zu Schiedsverfahren (auf Englisch und Französisch) und bei der Handelskammer verfügbar.