Finanzielle Schwierigkeiten? So kann ein Coach Unternehmen helfen
Die rund 32.000 KMU im Großherzogtum spielen für die luxemburgische Wirtschaft eine besonders wichtige Rolle. Sie stehen für Unternehmergeist, tragen zur Entwicklung dynamischer Sektoren bei und schaffen Arbeitsplätze. Allerdings stoßen sie auf ihrem Weg auf das ein oder andere Hindernis und können mitunter vor finanziellen Schwierigkeiten stehen. In solchen Fällen kann sich ein Coach als hilfreich erweisen. Axelle Feider, Corporate Advisor bei der BIL, erklärt, inwiefern die Zusammenarbeit mit einem Finanzcoach sinnvoll sein kann und wie Sie ihn richtig auswählen.
Auf welche Schwierigkeiten können KMU bei der Verwaltung ihrer Finanzen stoßen?
Ebenso wie große Betriebe haben auch kleine und mittelständische Unternehmen einen hohen Liquiditätsbedarf für wiederkehrende Ausgaben wie Gehälter, Mieten usw. Sie müssen auch in die Ausführung von öffentlichen und privaten Aufträgen investieren, wofür manchmal hohe Summen an Betriebskapital erforderlich sind.
Das aktuelle Wirtschaftsumfeld zeichnet sich durch Kostensteigerungen und sinkende Einnahmen aus. Schlagworte wie Lohndruck, Energiepreisexplosion, Arbeitskräftemangel usw. sind in aller Munde. Dies allein stellt bereits eine enorme Herausforderung für KMU dar. Als wäre das jedoch nicht genug, sind KMU im derzeitigen Wirtschaftsumfeld mit längeren Zahlungsfristen, stagnierenden Lagerbeständen und, als logische Konsequenz daraus, mit einem steigenden Kapitalbedarf konfrontiert. Eine solche Situation kann echte Liquiditätsprobleme zur Folge haben.
Ein Unternehmen muss in der Lage sein, seine Ausgaben und Einnahmen auf lange Sicht zu planen. Liquiditätsengpässe stellen für Geschäftsführer von KMU die größte finanzielle Schwierigkeit dar. Um diese Situation zu bewältigen, sehen sie sich möglicherweise genötigt, eine zusätzliche Finanzierung in Anspruch zu nehmen.
Wie reagieren Geschäftsführer auf diese Schwierigkeiten?
Zumeist gelingt es den Geschäftsführern, das Unternehmen auf Kurs zu halten. In der Regel haben sie im Laufe ihrer Unternehmenstätigkeit bereits diverse Probleme bewältigt. Doch diese Widerstandskraft kann auch kontraproduktiv sein. Tatsächlich beobachten wir, dass sie ihren Bankberater oftmals zu spät konsultieren, nämlich erst dann, wenn sie dringend eine Finanzierung für ihr Betriebskapital benötigen.
Oftmals konsultieren Geschäftsführer ihren Bankberater zu spät, nämlich erst dann, wenn sie dringend eine Finanzierung benötigen.
Einige Unternehmen versuchen, eine Finanzierung durch die Bank um jeden Preis zu vermeiden, schließlich wurden Bankschulden noch vor zehn oder fünfzehn Jahren mit einer schwachen Bilanz gleichgesetzt. Das stimmt zwar nicht unbedingt, doch fällt es manchen Unternehmen schwer, diese voreingenommene Denkweise abzulegen. Die Geschäftsleitung steht sich bei der Beantragung von Krediten selbst im Weg. Sie gehen von einer vermeintlichen Ablehnung seitens der Bank aus, obwohl sie ganz im Gegenteil keinesfalls zögern sollten, ihren Berater bei den ersten Warnzeichen – oder bereits davor – aufzusuchen.
Bei der BIL raten wir den Kunden dazu, sich bereits zu dem Zeitpunkt an ihre Bank zu wenden, an dem sie wissen, dass in Kürze ein erhöhter Liquiditätsbedarf besteht. So hat ihr Ansprechpartner ausreichend Zeit für die Beratung, bevor das Problem zu große Ausmaße annehmen kann. Je früher man sich an seine Bank wendet, desto mehr Möglichkeiten hat diese, eine angemessene Lösung zu finden.
Welche Risiken sind mit einer schlechten Verwaltung verbunden?
Eine schlechte Verwaltung kann zur Insolvenz des Unternehmens führen. Selbst Unternehmen mit einem funktionierenden Geschäftsmodell und genügend Aufträgen können scheitern, wenn sie Cashflows verzögert erwirtschaften. Es gilt, die Verwaltung und den Bedarf an Betriebskapital stets im Blick zu haben und die folgenden drei Komponenten kontinuierlich zu überwachen: den Lagerbestand, den Posten „Kunden“ und den Posten „Lieferanten“. Verändert sich eine dieser Komponenten, besteht das Risiko einer angespannten Liquiditätslage. So kann es vorkommen, dass ein Unternehmen, das theoretisch – also rein buchhalterisch betrachtet – tragfähig ist, in der Praxis unter bestimmten Umständen illiquide oder insolvent werden kann.
Bevor eine solche Situation eintritt, kann die Bank eingreifen. Die BIL bietet zahlreiche kurzfristige Bankkredite an, damit eine gleichmäßige Liquidität des Unternehmens sichergestellt wird. Wer diese Lösungen rechtzeitig in Anspruch nimmt, kann die Finanzen seines Unternehmens wieder in die richtigen Bahnen lenken.
Eine schlechte Verwaltung birgt außerdem das Risiko, dass möglicherweise nicht alle sich bietenden Chancen ergriffen werden können. Nur mit einer guten Verwaltung kann es gelingen, überschüssige Mittel in andere Projekte zu investieren, um das Wachstum des Unternehmens zu verbessern. Wer die Liquidität eines KMU richtig verwalten will, muss seine aktuelle Situation genau kennen, aber auch Mittel bereitstellen, um der Zukunft gelassen entgegenzusehen.
Ein Coach ist ein Experte auf seinem Gebiet, der die Situation nüchtern von außen betrachtet – zum Vorteil für den Unternehmer oder CEO.
Wieso also einen Coach engagieren?
Ein Coach ist ein Experte auf seinem Gebiet, der die Situation nüchtern von außen betrachtet – zum Vorteil für den Unternehmer oder CEO. Diese fachkundige und erfahrene Person ist nicht nur in der Lage, die oben genannten Risiken besser zu erkennen, sondern hilft Unternehmen auch dabei, neue Chancen zu ergreifen und innovativ zu sein.
Mithilfe eines Coachs ist es darüber hinaus möglich, Finanz- und Konjunkturindikatoren zu erarbeiten und zu identifizieren, die es kontinuierlich zu überwachen gilt. Gleichzeitig kann er bei der Festlegung von Leistungsindikatoren (die berühmten KPIs) helfen, an denen das Unternehmen arbeiten muss, um seine Leistung zu steigern. Dank seines Hintergrunds im Bereich Bank- und Finanzwesen ist ein Coach in der Lage, den Unternehmer effizient zu beraten, wenn er neue Ideen entwickeln möchte. Er unterstützt ihn auch bei der Vorbereitung seines Kreditantrags.
Auch hier ist das Timing wichtig und man sollte nicht warten, bis die ersten Schwierigkeiten aufgetreten sind, bevor man einen Coach aufsucht. Dieser leistet wertvolle Unterstützung und identifiziert leistungssteigernde Faktoren, selbst für gut funktionierende Unternehmen. Er kann auch potenzielle zukünftige Schwierigkeiten erkennen und einen Aktionsplan vorschlagen, bevor die Situation wirklich problematisch wird.
Wer kommt als Coach in Frage?
Das kann der Berater bei der Bank sein, der die finanzielle Situation des Unternehmens kennt und es in der Vergangenheit bei heiklen Finanzierungen unterstützt hat. Es gibt auch Unternehmen mit spezialisierten Coachs, die über solide Branchenerfahrung verfügen. Diese selbstständigen Coachs sind zumeist noch berufstätige oder bereits pensionierte Banker, die ihre Kenntnisse weitergeben möchten oder die unter Umständen dieselbe Situation durchlebt haben wie die Führungskräfte und Unternehmer, die sie nun beraten.
Es findet stets eine maßgeschneiderte Betreuung statt. Die Begleitung der Geschäftsführung kann beispielsweise darin bestehen, dass der Coach die Bilanzen analysiert, um Risiken und Chancen aufzudecken. Er kann auch bei spezifischen Projekten Unterstützung leisten, Banktermine wahrnehmen und insbesondere Finanzierungsanträge begründen.
Die Geschäftsleitung muss nicht zwangsläufig mit dem Coach einer Meinung sein.
Wie findet man den richtigen Coach?
Der Coach sollte eine Vertrauensperson sein, mit der der Kunde sich auf einfache und angenehme Weise austauschen kann. Kommunikation, Informationsaustausch und Transparenz sind schließlich entscheidende Faktoren für eine effiziente Betreuung. Je mehr Informationen der Coach hat, desto besser kann er dem Unternehmen helfen. Das macht ihn allerdings nicht zu einem Guru, der immer Recht hat. Die Geschäftsleitung muss zwar akzeptieren, vom Coach infrage gestellt zu werden, doch sie muss nicht zwangsläufig mit ihm einer Meinung sein.
Wie lange ist ein Coach im Einsatz?
Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Ein Finanzcoach der Bank betreut seine Kunden für gewöhnlich langfristig. In einem externen Unternehmen variieren die Aufträge bedarfs- und projektabhängig und können von ein bis drei Monaten bis zu mehreren Jahren dauern.
Was kann ein Coach nicht leisten?
Das hängt letztlich davon ab, wie transparent das von ihm betreute Projekt ist. Da der Coach nicht zum Unternehmen gehört, gibt es Aspekte, die er nicht kennt, die jedoch die Verwaltung und die Geschäftstätigkeit des Unternehmens direkt beeinflussen. Ohne Kenntnis dieser Aspekte wird er nicht effizient eingreifen können.
Ein weiterer einschränkender Faktor ist die Risikobereitschaft. So wird ein Coach beispielsweise vorsichtiger agieren als ein Unternehmer, wenn es darum geht, neue Projekte in Betracht zu ziehen. Diese Vorsicht ist seiner Rolle zuzuschreiben – was jedoch nicht zwangsläufig bedeutet, dass er Recht hat. Wer ein Unternehmen leitet, muss stets auch Risiken eingehen.