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Juni 27, 2025

Leitzinsen und ihre Auswirkungen auf die Wirtschaft

  Gesammelt von myLIFE team myINVEST Juni 17, 2024 1288

Obwohl sie kürzlich erhebliche Schwankungen erfahren haben, bleiben die von der Europäischen Zentralbank (EZB) festgelegten Leitzinsen, deren Funktionsweise und Auswirkungen für einige Kunden und Investoren rätselhaft. Lionel De Broux, Chief Investment Officer bei der BIL, erläutert die Funktionsweise der Leitzinsen und ihre Konsequenzen für Ihre Darlehen und Ersparnisse.

Herr De Broux, wie definiert man einen Leitzins?

Der Leitzins ist ein von einer Zentralbank festgelegter Zinssatz. Dieser Satz gilt für Darlehen, die die Zentralbank an Geschäftsbanken vergibt. Der Leitzins hat Einfluss auf den Zinssatz, zu dem diese Bankinstitute dann Geld an Kunden und Investoren verleihen, seien es Privathaushalte oder Unternehmen. Doch er wirkt sich nicht nur auf Darlehen, sondern auch auf Einlagen aus.

Welches sind die wichtigsten Arten von Leitzinsen?

In der Eurozone gibt es nicht nur einen, sondern drei Leitzinssätze. Da wäre zunächst der Einlagesatz. Geschäftsbanken können überschüssige Liquidität bei der EZB hinterlegen und bekommen dafür eine Vergütung, deren Höhe durch diesen Zinssatz festgelegt ist. Seit 2024 ist es das Hauptinstrument der Geldpolitik der EZB.

Dann gibt es den Hauptrefinanzierungssatz, zu dem sich Banken gegen von ihnen als Sicherheit hinterlegte Wertpapiere für eine Woche Geld bei ihrer Zentralbank ausleihen können.

Schließlich gibt es noch den Spitzenrefinanzierungssatz, den die Zentralbank anwendet, wenn eine Geschäftsbank kurzfristigen (overnight) Liquiditätsbedarf hat. Hierbei handelt es sich um ein Sicherheitssystem für die Geschäftsbanken, weil es ihnen jederzeit Liquidität zu einem Zinssatz garantiert, der etwas höher ist als der Hauptrefinanzierungssatz.

In der Eurozone gibt es nicht nur einen, sondern drei verschiedene Leitzinssätze: den Einlagesatz, den Hauptrefinanzierungssatz und den Spitzenrefinanzierungssatz.

Welche Rolle spielen die Leitzinsen für die Wirtschaft?

Wenn wir Geld mit Wasser vergleichen wären die Leitzinsen der Wasserhahn, mit dem die Menge des Wassers gesteuert wird, die in die Realwirtschaft fließt. Denn die Leitzinsen sind ein Instrument der Geldpolitik, deren Ziel es ist, die Wirtschaft zu regulieren, indem Haushalte und Investoren dazu angeregt oder davon abgehalten werden, bei Banken Geld auszuleihen beziehungsweise anzulegen. Die Leitzinsen ermöglichen also, die Geldschöpfung zu steuern, aber auch in bedeutendem Maße den Konsum der Wirtschaftsakteure und damit die Inflation zu beeinflussen.

Wie und von wem werden die Leitzinsen festgesetzt? Worauf beruhen die Entscheidungen?

Die Leitzinsen hängen von den wirtschaftlichen Zielen ab, die von den Zentralbanken gesetzt wurden. In der Regel sind das zwei Ziele, nämlich die Wirtschaftstätigkeit aufrechtzuerhalten und die Inflation einzudämmen. In Europa hat die Europäische Zentralbank (EZB) hingegen nur ein einziges Ziel. Sie muss für langfristige Preisstabilität sorgen oder mit anderen Worten den Wert des Euro sichern.

In der Eurozone ist die EZB für die Umsetzung der Geldpolitik zuständig, und sie setzt alle sechs Wochen im Anschluss an Sitzungen, an denen die Zentralbankvertreter der verschiedenen Mitgliedsländer beteiligt sind, die Leitzinsen fest. Auf diesen Sitzungen wird abhängig von den Prognosen für die Entwicklung von Wirtschaft und Inflation entschieden, ob die Zinssätze geändert werden oder nicht.

Seit 2008 sind die Leitzinsen für lange Zeit auf einem besonders niedrigen oder sogar negativen Niveau geblieben, um die Wirtschaft zu unterstützen, die unter mehreren Krisen zu leiden hatte (Bankenkrise, Eurokrise usw.). Die Zinssätze stiegen schließlich ab der zweiten Hälfte des Jahres 2022 erheblich an und erreichten Ende 2023 ein Maximum von 4%, bevor sie wieder zu sinken begannen. In der Vergangenheit gab es bereits Zyklen, in denen die Zinsen stiegen, als die Wirtschaft sich überhitzte und die Inflation anzog. Diese Zyklen traten in den vergangenen 30 Jahren wiederholt auf.

Seit der Einführung des Euro sind so schnell aufeinanderfolgende Zinsanhebungen wie in den Jahren 2022 und 2023 eine Premiere.

Doch seit der Einführung des Euro waren so schnell aufeinanderfolgende Zinsanhebungen wie in den Jahren 2022 und 2023 eine Premiere. Sie waren ein Spiegel der Inflation, die wir aufgrund der Lieferkettenprobleme und des Höhenflugs der Rohstoff- und Energiepreise infolge der Coronakrise und des Kriegs in der Ukraine erlebt haben.

Wie können sich Leitzinsänderungen auswirken?

Um die Ziele der Zentralbanken zu erreichen, muss man auf die Wirtschaft einwirken. Wenn die Zentralbank die Leitzinsen anhebt, sind die Geschäftsbanken eher dazu geneigt, Barmittel bei ihr in Verwahrung zu geben und weniger Geld zu verleihen. Grundsätzlich führt ein Anstieg der Zinsen zu einer Reduzierung von Krediten, verstärktem Sparen und somit zu einem Rückgang von Konsum und Investitionen. Dieser Rückgang von Investitionen führt normalerweise zu einer Konjunkturabschwächung und bietet somit dem Preisanstieg Einhalt.

Umgekehrt veranlassen niedrige Leitzinsen die Banken dazu, ihre liquiden Mittel nicht in Verwahrung zu geben und mehr an ihre Kunden zu verleihen. Sinkende Geldkosten verleihen damit Krediten und Konsum Auftrieb. Dieser Anstieg der Nachfrage kurbelt die Konjunktur an und treibt die Preise in die Höhe.

2022 und 2023 war ein starker Anstieg der Inflation aufgrund von Befürchtungen einer Rohstoffknappheit zu verzeichnen. Dies hat die Zentralbanken dazu veranlasst, ihre Leitzinsen anzuheben, um die Wirtschaft zu bremsen und den Preisanstieg zu stoppen oder sogar einen Preisrückgang auszulösen.

Welchen Horizont fasst die EZB derzeit ins Auge?

In Bezug auf ihre Geldpolitik scheint die EZB ihr Ziel erreicht zu haben, die Inflation unter 2% zu drücken (1,9% im Mai 2025). Sie hat daher eine lockerere Politik verfolgt, indem sie die Zinssätze mehrfach gesenkt hat. Bei der Sitzung im Juni 2025 hat die EZB die Zinsen erneut gesenkt und auf 2% festgelegt.

Was werden die nächsten Schritte sein? Präsidentin Lagarde hat darauf hingewiesen, dass die Zinssätze angesichts des Inflationsniveaus nahe einem neutralen Punkt liegen. Auch wenn weitere Senkungen nicht ausgeschlossen werden können, nähern wir uns wahrscheinlich dem Ende des Zyklus der Zinssenkungen in Europa. Es wird wichtig sein, die Preisentwicklung in der Eurozone genau zu beobachten, da diese aufgrund internationaler Spannungen nicht vor einem Anstieg gefeit sind.

Es wird wichtig sein, die Preisentwicklung in der Eurozone genau zu beobachten, da diese aufgrund internationaler Spannungen nicht vor einem Anstieg gefeit sind.