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September 16, 2024

Nachhaltigkeit im Anlagebereich – was sind verantwortliche Fonds?

  Gesammelt von myLIFE team myINVEST August 22, 2024 473

„Paris-konform” zu sein klingt eher nach einer Frage der modischen Eleganz als nach einem Thema aus dem Anlagebereich. Tatsächlich lässt sich feststellen, dass viel Verwirrung um die Nachhaltigkeitskennzeichnung von Anlegerportfolios herrscht. Anleger, die ihr Geld sinnvoll investieren möchten, stehen dabei oft vor einer überwältigenden Vielfalt an Optionen. In diesem komplexen Umfeld kann es schwierig für sie sein, ihre Investitionen mit ihren Werten in Einklang zu bringen.

Es gibt unweigerlich verschiedene Ansichten darüber, welche Parameter im Bereich der Nachhaltigkeit gelten sollten. Ein gutes Beispiel dafür ist die Atomindustrie. Manche messen ihr große Bedeutung für den Übergang zu einer dekarbonisierten Wirtschaft bei, darunter insbesondere die französische Regierung. Andere sehen sie hingegen als Umweltbedrohung, die nicht in ein „verantwortliches“ Portfolio gehört. Nachhaltigkeitslabel sowie ESG-Label für die Faktoren Umwelt, Soziales und Unternehmensführung müssen diesen unterschiedlichen Ansichten Rechnung tragen und versuchen, sinnvolle Kategorien auf dieser Grundlage zu bilden.

Mit diesem Ziel vor Augen erarbeiteten europäische Regulierungsbehörden und Gesetzgeber die Verordnung der Europäischen Union über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (SFDR). Drei Kernpunkte dieser Verordnung – Artikel 6, 8 und 9 – wurden als de-facto-Klassifizierungen oder -Labels übernommen, obwohl dies nicht in der Absicht der Verfasser lag. Diese ungeplante Entwicklung hat unter den EU-Regulierungsbehörden und politischen Entscheidungsträgern eine Debatte angestoßen. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob die Offenlegungsverordnung umgeschrieben und um ein explizites Kennzeichnungssystem ergänzt werden sollte, das anstelle der informellen Verwendung von Artikel 8 und Artikel 9 zur Kennzeichnung nachhaltiger Fonds eingesetzt werden kann. Nach Stand Juli 2024 findet Artikel 6 der Verordnung jedoch weiterhin Anwendung auf fast alle Fonds mit Sitz in Europa, während für einige dieser Fonds zudem auch die Anforderungen von Artikel 8 oder 9 gelten.

Welche Arten von Fonds fallen unter die Artikel 6, 8 und 9 der Offenlegungsverordnung?

Sogenannte Artikel-9-Fonds müssen der Offenlegungsverordnung zufolge ein nachhaltiges Ziel verfolgen. Laut Alessandra Simonelli, Head of Sustainable Development bei der Banque Internationale à Luxembourg, können diese Fonds als die „grünste“ Kategorie angesehen werden. „Diese Fonds sind darauf ausgelegt, bestimmte Ziele zu erreichen, zum Beispiel im Bereich der Dekarbonisierung oder der sozialen Inklusion.“ Gemäß der Verordnung muss ein Artikel 9-Fonds „eine nachhaltige Investition als Hauptkriterium haben. Er muss strenge Kriterien erfüllen, um nachzuweisen, dass seine Investitionen zur Erreichung von Umweltzielen oder sozialen Zielen beitragen.“

Die Fondsmanager müssen transparent darlegen, welche Ziele sie verfolgen und wie ihre Produkte diese Ziele erreichen. Die Einordnung unter Artikel 8 entspricht dem absoluten Minimum für Fonds, die sich nach eigenen Angaben im Bereich der Nachhaltigkeit engagieren. Die Einordnung unter Artikel 9 der Offenlegungsverordnung gilt demgegenüber inzwischen als der Goldstandard für nachhaltige Investitionen, da die betreffenden Fonds nicht nur angeben, dass sie ESG-Faktoren integrieren, sondern auch ein nachhaltiges Ziel verfolgen, dessen Einhaltung sie messen und über das sie Bericht erstatten. In diesem recht jungen Bereich gibt es allerdings noch gewisse Schwierigkeiten in Bezug auf die Verfügbarkeit von Informationen und die Messung unterschiedlicher Auswirkungen.

Produkte, die ökologische oder soziale Merkmale oder eine Kombination solcher Merkmale bewerben und als Artikel-8-Fonds gemäß der Offenlegungsverordnung gekennzeichnet sind, müssen gemäß der Verordnung erklären, wie ökologische und soziale Auswirkungen sowie Aspekte der Unternehmensführung in ihre Entscheidungsprozesse einfließen, so Simonelli. Es gibt viele verschiedene Arten von Fonds: Manche kombinieren in ihrer Strategie etwa ökologische und soziale Faktoren oder konzentrieren sich auf bestimmte Themen oder in einigen Fällen auf bestimmte Sektoren (indem sie beispielsweise nur in Tätigkeitsbereiche investieren, die als weniger umweltschädlich gelten usw.).

Artikel-8-Fonds, die in ihrer Strategie eine Kombination aus ökologischen und sozialen Faktoren berücksichtigen, sind nicht immer die beste Wahl für Anleger, die ganz bestimmte Investitionen ausschließen wollen oder denen ein konkretes Thema wie der Umweltschutz besonders am Herzen liegt. Oft sind sie eine eher allgemeine Option für Anleger, die mit ihrem investierten Geld einen Beitrag zum Wohl der Natur oder der Gesellschaft leisten möchten oder die ökologische bzw. soziale Faktoren in ihre Anlageentscheidungen einbeziehen. Artikel 8-Themenfonds sind auf bestimmte Themen, Sektoren oder Tätigkeiten ausgerichtet und können Anlegern so die Möglichkeit bieten, ihre Investitionen mit konkreten persönlichen Werten und Interessen in Einklang zu bringen.

Fonds, die die Kriterien von Artikel 8 der Offenlegungsverordnung erfüllen, schließen problematische oder umstrittene Sektoren wie Öl und Erdgas oder Tabak und Zigaretten nicht zwangsläufig aus. Einige Fonds mit Nachhaltigkeitsmerkmalen verfolgen einen Best-in-Class-Ansatz, der auf die stärksten Unternehmen in jedem Sektor abzielt. Dies könnte ein Problem für Anleger darstellen, die nicht erwarten, dass Fonds mit Ambitionen im Bereich der Nachhaltigkeit in Produzenten fossiler Brennstoffe oder in Tabakunternehmen investieren.

Nicht schwarz oder weiß, sondern in Grüntönen

Artikel 6 der Offenlegungsverordnung gilt für fast alle Fonds, auch wenn ihre Anlagestrategien keinen besonderen Anspruch auf Nachhaltigkeit erheben. Fonds, die ausschließlich unter Artikel 6 fallen, bewerben zwar keine ökologischen oder sozialen Merkmale, müssen aber dennoch prüfen und offenlegen, inwiefern sie Nachhaltigkeitsrisiken berücksichtigen. So wird sichergestellt, dass alle unter die Offenlegungsverordnung fallenden Anlageprodukte für potenzielle nachhaltigkeitsbezogene Auswirkungen auf ihre Wertentwicklung rechenschaftspflichtig sind und dass somit eine für den gesamten Finanzmarkt gültige Grundlage für die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten existiert.

Kunden fragen oft: „Ist es grün oder nicht?“, wenn wir über Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit Investitionen sprechen. Aber diese Frage lässt sich so pauschal nicht beantworten, denn wir haben es mit verschiedenen Grüntönen zu tun.

„Kunden fragen oft: ‚Ist es grün oder nicht?‘, wenn wir über Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit Investitionen sprechen. Aber diese Frage lässt sich so pauschal nicht beantworten“, erklärt Alessandra Simonelli. „Wir haben es mit verschiedenen Grüntönen zu tun – es geht dabei um die Anlagestrategien, die zur Anwendung kommen, und die Frage, wie konsequent sie vom Fondsmanager umgesetzt werden.“

Einige Produkte der BIL sind mit ESG-Labels von LuxFLAG ausgezeichnet worden. Sie lassen sich sieben Kategorien zuordnen: Umwelt, Klimafinanzierung, Mikrofinanzierung, grüne Anleihen, ESG, ESG-Versicherungsprodukte und uneingeschränkte ESG-Verwaltungsmandate. LuxFLAG ist eine unabhängige gemeinnützige Agentur mit Sitz in Luxemburg, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, ein vertrauenswürdiges Label für Finanzprodukte als Orientierungshilfe für Verbraucher bereitzustellen. Dieses Label ist international weithin anerkannt, auch wenn es natürlich alternative Kennzeichnungssysteme aus anderen Ländern gibt.

Ein Beispiel: Der BIL-Ansatz

Die BIL wendet zwei Hauptstrategien an. Die erste Strategie umfasst ein Negativ-Screening, das zum Ausschluss bestimmter umstrittener Sektoren aus den Portfolios führen kann. Das kann z.B. umweltbelastende Branchen oder Waffenherstellung und -handel betreffen. Ausschlüsse können auch auf dem Verhalten von Unternehmen beruhen, wenn sie z.B. eine schlechte Bilanz beim Schutz der Menschenrechte oder bei der Einhaltung des Arbeitsrechts aufweisen.

Die zweite Strategie beinhaltet die Integration von ESG-Bewertungen. Jedes Unternehmen erhält dabei eine Punktzahl auf der Grundlage seiner Nachhaltigkeitsbilanz. Unternehmen mit einer hohen Punktzahl kommen für die Portfolios in Betracht, während Unternehmen mit einer niedrigen Punktzahl ausgeschlossen werden. Um eine hohe ESG-Punktzahl zu erhalten, muss ein Unternehmen gute Leistungen in ESG-Bereichen vorweisen und ein hohes Maß an Transparenz bei der öffentlichen Berichterstattung über wesentliche ESG-Daten wahren. Ein aktiver Beitrag zu einem einzelnen ESG-Faktor ist also nicht ausreichend, um eine gute Bewertung zu erhalten, denn das Unternehmen darf zugleich auch keine schlechte Bilanz in Bezug auf andere ESG-Faktoren haben. So würde etwa ein Unternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien keine hohe Punktzahl erreichen, wenn es seine Mitarbeiter schlecht behandelt oder wenn die Entscheidungen seiner Führungskräfte keiner wirkungsvollen Kontrolle unterliegen.

Ein aktiver Dialog mit den Unternehmen, der darauf abzielt, den Wandel in bestimmten Bereichen wie z.B. bei der Dekarbonisierungsstrategie voranzutreiben, kann laut Alessandra Simonelli ein wirksames Instrument für große Anlageverwalter sein. Dafür ist jedoch ein erheblicher Einfluss in Form von Stimmrechten notwendig. Das LuxFLAG-Label ist seinerseits mit einer Reihe von klaren Regeln verbunden, die den Portfoliounternehmen mitgeteilt werden. „Sie wissen, was akzeptabel ist und was nicht“, so Simonelli. „Wenn sie wollen, dass wir in sie investieren, müssen sie diese Regeln einhalten.“

Die meisten Anleger stellen relativ wenige konkrete Bedingungen, aber viele wollen sicherstellen, dass ihr Geld in Bereichen eingesetzt wird, die einen Beitrag zum Klima- oder Umweltschutz leisten.

Was wollen die Kunden?

Die meisten Anleger stellen relativ wenige konkrete Bedingungen, aber viele wollen sicherstellen, dass ihr Geld in Bereichen eingesetzt wird, die einen Beitrag zum Klima- oder Umweltschutz leisten. Wenige Kunden werden ausdrücklich ein Produkt verlangen, das auf die Ziele des Übereinkommens von Paris ausgerichtet ist, dessen Verabschiedung 2015 auf der UN-Klimakonferenz COP21 beschlossen wurde. Gleichwohl wird aber ein Fonds, der den Kampf gegen den Klimawandel unterstützt, anstatt ihn zu behindern, auf breite Zustimmung treffen.

Alle Anlageempfehlungen müssen mit Blick auf die Risiken und die Wertentwicklung sorgfältig abgewogen werden. Wenn Anleger den Wunsch haben, bestimmte Unternehmen oder Sektoren auszuschließen, muss dies ausdrücklich festgehalten und in ihre Anlagestrategie aufgenommen werden. Der Ausschluss bestimmter Sektoren kann sich auch auf die Anlageparameter auswirken, z.B. auf die Dividendenausschüttung der Portfoliounternehmen.

Zudem kann die Ausrichtung eines Portfolios auf Nachhaltigkeit mitunter dazu führen, dass bestimmte Performancegewinne verpasst werden. Ein Beispiel hierfür sind etwa die steigenden Rohstoffpreise nach dem Ausbruch des Konflikts in der Ukraine. Die meisten nachhaltigen Fonds besitzen keine Aktien von Unternehmen, die im Bereich der fossilen Brennstoffe tätig sind, und verzeichneten daher vorübergehend eine relative Underperformance. Diese Schwankungen ließen in der Folge wieder nach, doch Entwicklungen dieser Art können Anleger beunruhigen, die nicht auf sie gefasst sind.

„Nachhaltigkeitsbezogene Investitionen sind eher auf langfristige Wertschöpfung als auf kurzfristige Gewinne ausgerichtet“, erklärt Alessandra Simonelli. „Unternehmen, bei denen ESG-Faktoren einen hohen Stellenwert haben, sind oft besser in der Lage, sich an veränderte Marktbedingungen und gesellschaftliche Erwartungen anzupassen. Das kann langfristiges Wachstum und eine nachhaltige Rentabilität ermöglichen.“

Die Systeme zur Kennzeichnung von Nachhaltigkeitsfonds sind in der Regel unvollständig und kompliziert. Sie sind nicht dazu geeignet, die Nachhaltigkeitsparameter eines bestimmten Fonds in kurzer Zeit umfassend zu verstehen. Dennoch haben die betreffenden Label durchaus ihren Wert und sind hilfreich für Anleger, die mit ihrem Geld etwas Positives bewirken möchten. Sie haben dank der Label die Gewissheit, dass die Strategie eines Fonds strenge Nachhaltigkeitsstandards und -kriterien einhält und von einer externen Stelle überprüft wurde.