Pre-Mortem-Methode: vom Misserfolg ausgehen, um ihn zu verhindern
Viele Projekte in Unternehmen scheitern. Ein häufiger Grund dafür ist, dass sich Mitarbeiter nicht trauen, in der Planungsphase Bedenken zu äußern. Wenn man schon vor dem Start des Projekts überlegt, welche Umstände zum Scheitern des Vorhabens führen könnten, lassen sich Schwächen beheben. Deshalb ist die Pre-Mortem-Methode eine sehr gute Teamübung, um die Erfolgschancen Ihres Projekts zu erhöhen.
Das Wichtigste in Kürze:
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Sie wollen ein Unternehmen gründen oder ein größeres Projekt in Ihrem Unternehmen starten? Dann wissen Sie, wie wichtig es ist, einen soliden Business-Plan bzw. eine tragfähige Strategie zu entwickeln. Das Ziel: Methodische Auflistung aller wichtigen Elemente, die zum Erfolg Ihres Unternehmens beitragen.
Sie haben eine Strategie zur Erreichung Ihres Ziels und einen genauen Zeitplan für die Umsetzung. Vor allem sind Sie sich bewusst, wie wichtig es ist, sich den zukünftigen Erfolg genau vorzustellen. Optimismus und Selbstvertrauen können zum Erfolg beitragen, sofern man das richtige Maß findet!
Optimismus und Selbstvertrauen können zum Erfolg beitragen, sofern man das richtige Maß findet!
Business-Plan und kognitive Verzerrungen
Wenn Sie die Artikel von myLIFE regelmäßig lesen, wissen Sie, dass das menschliche Gehirn ein fantastischer Geschichtenerzähler ist. Wir malen uns die Realität gerne angenehmer oder weniger beängstigend aus, als sie tatsächlich ist. So erschaffen wir uns oft eine Realität, die nur in unserem Kopf existiert. Dies kann die Erstellung eines Business-Plans oder einer Strategie erschweren.
Übertriebener Optimismus kann schnell dazu führen, dass man Opfer des Bestätigungsfehlers wird. Diese kognitive Verzerrung hat zur Folge, dass Projektverantwortliche nur Informationen berücksichtigen, die ihre Überzeugungen bestätigen, und alles ignorieren, was ihren Überzeugungen widerspricht. Übermäßiger Optimismus oder Selbstüberschätzung können auch dazu führen, dass Kosten unterschätzt, Einnahmen überschätzt oder die für die Umsetzung des Projekts erforderliche Zeit falsch eingeschätzt wird.
Die meisten Unternehmensgründer und Projektmanager wissen, wie wichtig es ist, eine Benchmark zu definieren, um den eigenen Plan anhand konkreter Fakten zu überprüfen und zu beurteilen, wie solide er ist. Das ist sinnvoll, solange man bedenkt, dass auch eine Benchmark verzerrt sein kann. Haben Sie schon einmal vom „Omission Bias“ gehört? Dabei werden bewusst oder unbewusst alle Maßstäbe ausgeschlossen, die nicht unseren Vorstellungen entsprechen. Das bedeutet, dass wir nur Fallstudien von Unternehmen berücksichtigen, die unser Projekt bestätigen, und die Gründe für das Scheitern ähnlicher Projekte weder einbeziehen noch analysieren.
Diese kognitive Verzerrung kann uns auch zu der Annahme verleiten, dass eine unbesetzte Nische zwangsläufig eine großartige Geschäftsmöglichkeit darstellt. Dass das Fehlen von Wettbewerbern möglicherweise ein Anzeichen für das Nichtvorhandensein eines Marktes ist, kommt uns dann nicht in den Sinn.
Man muss sich zwingen, das Schlimmste anzunehmen, um Wege zu finden, es zu verhindern.
Pre-Mortem-Methode: Anwendung des „mentalen Kontrastierens“
Wie lassen sich die verschiedenen kognitiven Verzerrungen vermeiden, die bei der Erstellung eines Business-Plans oder einer Strategie auftreten können? Man muss sich zwingen, das Schlimmste anzunehmen, um Wege zu finden, es zu verhindern. Dies bezeichnet man als „mentales Kontrastieren“. Das heißt, man stellt sich die schlimmsten Hindernisse vor, die auftreten könnten, um Wege zu finden, sie zu beseitigen oder zu umgehen. Indem man eine gegensätzliche Sichtweise einnimmt, kann man den Auswirkungen von übermäßigem Optimismus oder Selbstüberschätzung entgegenwirken.
Um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen, sollten Sie hierbei nicht nur die Ursachen des Scheiterns, sondern auch das Scheitern selbst betrachten. Stellen Sie sich dies wie ein Rollenspiel vor. Ausgangspunkt ist dabei eine fiktive Situation, in der Ihr Projekt gescheitert ist. Ihre Aufgabe besteht nun darin, die Gründe für das Scheitern herauszufinden. Diese mentale Übung kann unter Anwendung der Pre-Mortem-Methode durchgeführt werden.
Die Pre-Mortem-Methode wurde von dem Psychologen Gary Klein entwickelt und wird heute von großen börsennotierten Unternehmen und insbesondere in militärischen Programmen verwendet. Im Gegensatz zum Post-Mortem-Verfahren handelt es sich um eine Antizipations- und nicht um eine Diagnosemethode. Im medizinischen Kontext ermöglicht eine post mortem durchgeführte Autopsie es Medizinern und Angehörigen, die Todesursache eines Patienten zu erfahren. Dies kommt allen zugute – auch wenn die gewonnenen Erkenntnisse nicht mehr zum Vorteil des Patienten genutzt werden können. Bei der Gründung eines Unternehmens oder der Durchführung eines Projekts besteht die Idee der Pre-Mortem-Analyse darin, beim Start des Projekts Verbesserungen einzuleiten, um die Lebensfähigkeit des Projekts sicherzustellen, statt nach einem Fehlschlag eine „Autopsie“ durchzuführen.
Bei der Pre-Mortem-Analyse geht es darum, beim Start des Projekts Verbesserungen einzuleiten, um die Lebensfähigkeit des Projekts sicherzustellen, statt nach einem Fehlschlag eine „Autopsie“ durchzuführen.
Im Gegensatz zu einer klassischen Sitzung, in der die Teammitglieder gefragt werden, was im Projekt schieflaufen könnte, wird bei der Pre-Mortem-Analyse davon ausgegangen, dass der „Patient“ gestorben ist. Die Aufgabe des Teams besteht darin, sich vorzustellen, was schiefgelaufen ist und zum Scheitern des Projekts geführt haben könnte.
Der Wert des Infragestellens
Sich bereits vor dem Projektstart vorzustellen, dass das Projekt gescheitert ist, und dann über die Ursachen des Scheiterns nachzudenken, ist mit Vorteilen verbunden, die andere Methoden der Risikoanalyse nicht bieten. Die Pre-Mortem-Methode verändert die Gruppendynamik und fördert das Hinterfragen. Bei dieser Übung wird der Kritiker als jemand wahrgenommen, der zum Verständnis beiträgt, und nicht als Bremser.
Bei dieser Übung wird der Kritiker als jemand wahrgenommen, der zum Verständnis beiträgt, und nicht als Bremser
Wenn der Projektleiter dazu auffordert, Kritik zu äußern, hat niemand mehr Angst, den Vorgesetzten zu brüskieren. Im Gegenteil, bei der Pre-Mortem-Analyse ist es eine gute Sache, wenn auf Risiken hingewiesen wird, die das Ende des Projekts bedeuten könnten. Das Ziel besteht darin, mögliche Probleme zu identifizieren, an die andere nicht gedacht haben.
Die Methode führt zu greifbaren Ergebnissen. Eine Pre-Mortem-Analyse hilft Teams, potenzielle Probleme frühzeitig zu erkennen. Die Fähigkeit, Schlüsselfaktoren für zukünftige Ergebnisse zu identifizieren, erhöht sich dadurch um etwa 30 %. Untersuchungen haben auch gezeigt, dass sich Pre-Mortem-Analysen besser als andere Methoden der Kritik und Risikoanalyse eignen, um übermäßigem Optimismus entgegenzuwirken. Schließlich trägt die Pre-Mortem-Methode zu einer Kultur der Offenheit bei, in der unbequeme Wahrheiten ausgesprochen werden können, ohne negative Konsequenzen fürchten zu müssen, und in der Mitarbeiter, die auf Probleme hinweisen, wertgeschätzt werden.
7 Schritte in nur 30 Minuten
Einer der vielen Vorteile der Pre-Mortem-Methode ist, dass sie wenig Zeit erfordert. Bei korrekter Umsetzung werden nicht mehr als 20 bis 30 Minuten benötigt. Die Methode besteht aus sieben Schritten:
1. Sich vorbereiten. Sorgen Sie dafür, dass alle Teammitglieder genau über das Projekt Bescheid wissen, dessen Scheitern sie sich vorstellen sollen.
2. Sich den Misserfolg vorstellen. Fordern Sie die Teilnehmer auf, mit dem Rollenspiel zu beginnen. Erklären Sie, dass das Projekt gescheitert ist, und bitten Sie die Teilnehmer, plausible Gründe dafür zu finden.
3. Die Hauptgründe für das Scheitern identifizieren. Jedes Teammitglied nimmt sich zwei Minuten Zeit, um die Gründe aufzuschreiben, die seiner Meinung nach zum Scheitern geführt haben. Anschließend nennen die Teilnehmer der Reihe nach die Gründe, die sie notiert haben. Die verschiedenen Gründe werden aufgelistet, um sie später zu diskutieren und zu präzisieren.
4. Die Liste nach Auswirkungen, Beeinflussbarkeit und Wahrscheinlichkeit filtern. Fordern Sie die Teilnehmer auf, die Problemliste durchzugehen und sich weitere zwei Minuten Zeit zu nehmen, um den Schweregrad jedes möglichen Problems sowie Abhilfemaßnahmen zu bestimmen. Jedes Mitglied bewertet anschließend die Probleme nach Wahrscheinlichkeit, Auswirkungen und Vermeidbarkeit.
5. Lösungen für die Probleme finden. Überlegen Sie, wie Sie die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns verringern können.
6. Den ursprünglichen Plan überprüfen. Verbessern Sie den ursprünglichen Business-Plan bzw. die ursprüngliche Strategie, indem Sie die identifizierten Probleme und vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen berücksichtigen.
7. Regelmäßige Überprüfungen vornehmen. Überprüfen Sie den neuen Plan regelmäßig, um sicherzustellen, dass die Liste der möglichen Probleme auf dem neuesten Stand ist.
Für eine erfolgreiche Umsetzung ist es wichtig, sich zu vergewissern, dass alle Teammitglieder den Mut haben, wichtige Themen anzusprechen und nicht absichtlich unangenehme Themen auslassen. Zur Förderung einer kreativen Gruppendynamik sollten Sie darauf achten, die Übung in dem vorgeschlagenen zügigen Tempo durchzuführen. Schließlich sollten Sie darauf achten, dass niemand die Diskussion an sich reißt, angefangen bei Ihnen selbst. Bei der Pre-Mortem-Methode geht es darum, die Gruppenintelligenz zu nutzen, um Probleme zu identifizieren und Lösungen zu finden. Viel Erfolg!