Unternehmen: Was Sie über Basel IV wissen sollten
Haben Sie schon einmal von Basel IV gehört? Dabei handelt es sich um ein Reformpaket zur Überarbeitung von regulatorischen Richtlinien, das vom Basler Ausschuss für Bankenaufsicht verabschiedet wurde. Falls Sie jetzt zum ersten Mal davon hören, ist es höchste Zeit, sich damit vertraut zu machen. Basel IV wird nämlich weitreichende Auswirkungen auf die Bewertung von Kreditrisiken und somit auf die Kriterien für die künftige Gewährung von Kapital zur Unternehmensfinanzierung haben. myLIFE hat die wichtigsten Punkte für Sie zusammengefasst, damit Sie wissen, welche Veränderungen auf Sie zukommen und wie Sie sich darauf vorbereiten können.
Basel IV im Überblick
Basel IV soll die Entwicklung vorantreiben, die zuvor mit Basel III angestoßen wurde. Hauptziel des Reformpakets ist es, die Widerstandsfähigkeit der Banken gegen Finanzkrisen zu verbessern. Zu diesem Zweck werden künftig strengere Eigenkapitalanforderungen und noch besser ausgereifte Methoden zur Bewertung von Bankrisiken – insbesondere Kreditrisiken – zur Anwendung kommen. Viele Experten sehen Basel IV weniger als eine umfassende Überarbeitung, die eine eigene Bezeichnung verdient, sondern vielmehr als die Vollendung von Basel III („Basel III Endgame“). In jedem Fall betreffen all diese ordnungspolitischen Reformen zwar hauptsächlich den Bankensektor, können aber auch Folgen für Unternehmen wie das Ihre haben.
An dieser Stelle werden wir nicht auf die schon bestehenden Richtlinien oder auf sämtliche Details und die volle Komplexität dieser Reformen eingehen. Wir möchten jedoch einen Überblick über die Folgen für den Bankensektor bieten, derer sich die Unternehmen bewusst sein sollten.
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- Strengere Eigenkapitalanforderungen, um die Fähigkeit der Banken zum Ausgleich von Verlusten zu verbessern. Die Idee dahinter ist einfach: Eine Bank, die größere Risiken eingeht, benötigt mehr Eigenkapital, um diese Risiken zu decken. Insbesondere die Einführung strengerer Normen für die Berechnung der Eigenkapitalanforderungen durch Basel IV zwingt die Banken, im Verhältnis zu den risikoreichen Vermögenswerten in ihren Portfolios ein höheres Kapitalniveau aufrechtzuerhalten. Aus Sicht der Unternehmen bedeutet dies, dass die Fähigkeit der Banken zur Gewährung von Kapital für die Unternehmensfinanzierung stärker eingeschränkt sein wird, oder dass die Banken solche Finanzierungsmittel an zusätzliche Bedingungen knüpfen könnten.
- Eine Überarbeitung der Methoden zur Berechnung der risikogewichteten Aktiva (RWA) sowie Beschränkungen für den Einsatz sogenannter fortgeschrittener interner Messansätze zur Risikoberechnung, um einen einheitlicheren und stärker standardisierten Ansatz unter den Banken zu gewährleisten. Risikogewichtungen spielen für Banken eine wichtige Rolle, denn anhand dieser Parameter wird bestimmt, wie viel Kapital sie zur Deckung ihrer Kredite vorhalten müssen. Für Banken mag es logisch erscheinen, weniger Kapital für Kredite vorzuhalten, die nur mit einem geringen Risiko verbunden sind. Mit der Neuregelung durch Basel IV sollen sie jedoch dazu angeregt werden, ihre internen Modelle zugunsten eines stärker standardisierten Ansatzes für die Risikobewertung aufzugeben. Zu diesem Zweck führt Basel IV eine Eigenmitteluntergrenze („Output Floor“) für Banken ein, die weiterhin ihre internen Modelle verwenden wollen. Diese Untergrenze gilt unabhängig von dem Risiko, das mit dem jeweiligen Kredit verbunden ist. Bei der Kreditvergabe an Einzelpersonen und Unternehmen, die bislang als risikoarm eingestuft wurden, könnten sich folglich höhere Kreditkosten ergeben. Der Kapitalbetrag, den eine Bank gegebenenfalls für bestimmte Arten von Kunden vorhalten muss, für die sie einen fortgeschrittenen Messansatz verwendet, steigt vor diesem Hintergrund von einer Quote, die 50 % der geltenden Kapitalanforderungen bei Anwendung eines Standardmodells entspricht, bis 2030 auf eine Quote von 72,5 %.
Neben einer erhöhten Solvenz müssen die Banken auch eine solide Ausstattung mit hochwertigen liquiden Vermögenswerten aufrechterhalten, um potenzielle Barmittelabflüsse zu decken.
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- Eine Verbesserung der Transparenz. Die Entwicklung des regulatorischen Umfelds wird dazu führen, dass die Banken noch ausführlichere Informationen über ihre Risikoexposition und ihre Finanzlage liefern müssen, um das Vertrauen der Anleger und Kunden zu stärken. Basel IV beinhaltet strengere Regeln in Bezug auf Offenlegungen, die zudem auch regelmäßiger stattfinden sollen. Im Hinblick auf die Methoden der Risikoberechnung schreibt Basel IV vor, dass die Banken ihre internen Modelle erläutern, die sie zur Einschätzung der Ausfallwahrscheinlichkeit („Probability of Default“, PD), der Verlustquote bei Ausfall („Loss Given Default“, LGD) und der ausstehenden Forderungen bei Ausfall („Exposure at Default“, EAD) verwenden. So können Regulierungsbehörden und Anleger besser nachvollziehen, wie Banken ihre Risiken bewerten.
All diese Vorschriften müssen schrittweise über mehrere Jahre hinweg umgesetzt werden, damit sich die Banken an die neuen Anforderungen anpassen können, ohne die Finanzmärkte zu beeinträchtigen. Eine wichtige Frist für die Umsetzung der Vorgaben läuft bis zum 1. Januar 2030. Spätestens ab diesem Stichtag müssen die Banken die Anforderungen von Basel IV – mit Ausnahme bestimmter einzelner Anforderungen, für die eine Frist bis zum Jahr 2032 gilt – vollumfänglich erfüllen. Das betrifft insbesondere auch die Anpassungen in Bezug auf die Eigenkapitalanforderungen.
Da der Basler Ausschuss nicht befugt ist, rechtsverbindliche Vorschriften zu erlassen, obliegt die Umsetzung der von ihm beschlossenen Standards den nationalen Behörden.
Gut zu wissen: Auch wenn mit Basel IV ein gemeinsamer Rahmen geschaffen wurde, können sich die Umsetzungsfristen von Land zu Land unterscheiden, denn die Vorgaben müssen zunächst in nationales Recht umgesetzt werden, und dabei kommen auch die Entscheidungen der Regulierungsbehörden und die Besonderheiten der lokalen Märkte zum Tragen. Da der Basler Ausschuss nicht befugt ist, rechtsverbindliche Vorschriften zu erlassen, obliegt die Umsetzung der von ihm beschlossenen Standards nämlich den nationalen Behörden. Daher gibt es bei der Umsetzung sowohl inhaltliche als auch terminliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Ländern. Für die Mitgliedstaaten der EU wird Basel IV durch die Verordnung CRR III und die Richtlinie CRD VI umgesetzt und tritt im Januar 2025 in Kraft.
Wie wirkt sich das auf die Unternehmen aus?
Diese kurze Zusammenfassung zu Basel IV zeigt auf, dass die betreffenden Vorschriften die Verfügbarkeit von Krediten erheblich beeinträchtigen und zu deutlich höheren Kosten für die Kreditaufnahme führen könnten. Die Bedingungen für die Kreditvergabe könnten strenger werden und/oder es könnten zukünftig höhere Anforderungen in Bezug auf Sicherheiten gestellt werden. Dies könnte sich in verschiedener Hinsicht auf Ihre Situation auswirken.
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- Auswirkungen auf die Zahlungsfähigkeit, wenn die Banken ihre Kriterien für die Kreditvergabe verschärfen. Wenn Sie Finanzmittel für eine geplante Expansion oder zur Überbrückung vorübergehender Engpässe benötigen, könnten Sie auf Hindernisse stoßen, falls die Banken das Risiko als zu hoch einschätzen. Dies könnte auch Ihre Beziehung zu anderen Gläubigern oder Anlegern beeinflussen. Sind die Kreditkosten zu hoch, könnten dadurch die Gewinnmargen sinken und die Möglichkeiten für Entwicklung und Innovation beeinträchtigt werden. Darunter kann wiederum Ihre langfristige Zahlungsfähigkeit leiden.
- Auswirkungen auf den Immobiliensektor. Basel IV beeinflusst die Art und Weise, wie Banken die Finanzkennzahlen im Immobiliensektor bewerten. Um den neuen Anforderungen gerecht zu werden, die die Banken an sie stellen, müssen die Akteure in diesem Sektor ihre Finanzinformationen besser dokumentieren und darstellen. Sind sie nicht gut genug vorbereitet oder imstande, die Bedingungen der Banken zu erfüllen, kann das die Wahrnehmung ihrer Zahlungsfähigkeit aufseiten möglicher Kreditgeber beeinträchtigen. Die Lösung besteht darin, dass sich die Bauträger mit den neuen Anforderungen vertraut machen und proaktiv auf die Bedingungen einstellen, die eine Senkung der von den Banken gestellten Kapitalanforderungen möglich machen – was gar nicht so schwierig ist. Ein weiterer Teil der Lösung könnte darin bestehen, dass die Banken ihr Produktangebot anpassen, um die Anforderungen von Basel IV angemessen zu berücksichtigen.
- Auswirkungen auf die Finanzierungsbedingungen. Die Umsetzung der Untergrenze im Rahmen von Basel IV stellt die Banken im Hinblick auf ihre Beleihungsquote („loan to value ratio“, LTV), insbesondere für Immobilienfinanzierungen, vor eine erhebliche Herausforderung. Die Einführung von Mindestrisikogewichtungen auf der Grundlage von LTV-Schwellenwerten verlangt von ihnen, ein hohes Maß an Komplexität zu bewältigen, während sie ihre Kreditvergabepraxis an die neuen aufsichtsrechtlichen Anforderungen anpassen. Die Herausforderung liegt im Finden der richtigen Balance zwischen der Bereitstellung von wettbewerbsfähigen Finanzierungsoptionen für Kreditnehmer und der Erfüllung strengerer Kapitalanforderungen, die die erhöhten Risiken in Verbindung mit höheren Beleihungsquoten widerspiegeln. In Anbetracht der höheren Risikogewichtungen für Kredite mit hohen Beleihungsquoten müssen die Banken die möglichen Auswirkungen auf ihre Kreditportfolios und ihre Rentabilität beachten. Diese Veränderung des regulatorischen Rahmens zwingt die Banken, auf vorsichtigere Strategien für das Risikomanagement umzusteigen, um ihre Widerstandsfähigkeit zu sichern, während sie zugleich ihre Marktposition in einem wettbewerbsintensiven Umfeld verteidigen müssen.
- Die Auswirkungen von Basel IV auf Finanzinstrumente sind durch verschärfte Vorschriften für Kapitalanforderungen und Liquiditätsstandards bedingt. Um die strengeren Anforderungen an die Risikogewichtung zu erfüllen, müssen die Banken ihre Anlageportfolios anpassen. Dies kann ihre Anlagestrategie und somit auch den Zugang ihrer Kunden zu Finanzierungslösungen beeinflussen.
Nicht alle Sektoren werden in gleicher Weise betroffen sein. Einige Branchen können je nach ihrem Risikoprofil und ihrer Abhängigkeit von Banken mit Blick auf die Unternehmensfinanzierung stärker betroffen sein als andere.
Natürlich werden nicht alle Sektoren in gleicher Weise betroffen sein. Einige Branchen können je nach ihrem Risikoprofil und ihrer Abhängigkeit von Banken mit Blick auf die Unternehmensfinanzierung stärker betroffen sein als andere. In jedem Fall ist aber eine gezielte Vorbereitung und eine Besprechung Ihrer Situation mit kompetenten Experten angesichts dieser möglichen Auswirkungen dringend anzuraten. Dies ist der richtige Zeitpunkt, um die Partnerschaft mit Ihrer Bank zu festigen.
Was können Sie tun, um sich vorzubereiten?
Die Unternehmen haben im Hinblick auf Basel IV zwar nicht unbedingt alle Fäden in der Hand, doch es ist ihnen sehr wohl möglich, sich auf die Umsetzung vorzubereiten. Hier sind einige Schritte, die Sie in Betracht ziehen sollten:
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- Beurteilen Sie Ihre finanzielle Situation. Beginnen Sie mit einer internen Diagnose des Unternehmens und einer ausführlichen Überprüfung der aktuellen finanziellen Situation. Analysieren Sie Ihre Aktiva, Passiva, Cashflows und Bonitätskennzahlen. Dadurch erhalten Sie eine bessere Vorstellung von Ihrer Position und es wird leichter, Maßnahmen zu ergreifen, wenn bestimmte Anpassungen für die künftige Beschaffung von Finanzierungsmitteln erforderlich werden sollten.
- Stärken Sie Ihr Eigenkapital, wenn Sie die Möglichkeit dazu haben, um Ihr Risikoprofil zu senken. Dies können Sie etwa tun, indem Sie Ihre Gewinne reinvestieren oder zusätzliches Kapital von Investoren einwerben. Eine solidere Kapitalausstattung kann Ihre Attraktivität aus Sicht der Banken erhöhen.
- Betreiben Sie proaktives Liquiditätsmanagement. Verfolgen Sie einen konsequenteren Ansatz für Ihr Cash Management, um eine bessere Deckung für Ihren zukünftigen Kapitalbedarf sicherzustellen. Bilden Sie ausreichende Rücklagen und erwägen Sie, Kreditlinien auszuhandeln, bevor die Anforderungen strenger werden.
- Vereinbaren Sie einen Beratungstermin mit Ihrer Bank, um zu erfahren, wie Sie mit diesen Veränderungen umgehen können. Ihr Kundenbetreuer kann Ihnen Ratschläge geben, die auf Ihre spezielle Situation zugeschnitten sind, und Ihnen bei der Entwicklung einer Strategie helfen. Das liegt sowohl in Ihrem als auch in seinem Interesse, sofern er daran interessiert ist, die Partnerschaft mit Ihrem Unternehmen langfristig zu erhalten.
Die strengeren Eigenkapitalanforderungen und ausgereifteren Methoden zur Bewertung von Bankrisiken im Rahmen von Basel IV werden einen großen Einfluss auf die Tätigkeiten Ihrer Bank und die Bedingungen für den künftigen Zugang Ihres Unternehmens zu Kapital für die Unternehmensfinanzierung haben. Dies ist ein guter Grund, Ihre finanzielle Situation eingehend zu überprüfen und mit Ihrem Kundenbetreuer zu erörtern, wie Sie sich am besten gemeinsam auf die Zukunft vorbereiten können.