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Dezember 3, 2024

Warum der Hebeleffekt auch Vorteile hat

  Gesammelt von myLIFE team myINVEST März 14, 2024 701

Der Hebeleffekt (auch als Fremdfinanzierung oder Leveraging bezeichnet) wird vielfach als große Gefahr gesehen und war nachgewiesenermaßen Ursache zahlreicher Finanzkrisen. Nichtsdestotrotz setzen viele Anlageportfolios Leveraging durchaus erfolgreich ein, da ein stärkeres Engagement in einer Anlageklasse eine höhere Rendite ermöglichen kann. Dennoch sind die Warnungen wohlbegründet, und Hebel sollten stets mit Bedacht eingesetzt werden.

Wenn sich Anleger oder Unternehmen Geld leihen, um in Vermögenswerte zu investieren oder vergleichbare Geschäfte abzuschließen, nutzen sie einen finanziellen Hebel. Übersteigt die mit diesen Vermögenswerten erzielte Rendite die Kosten für den Kredit, können Anleger ihren Ertrag ohne den Rückgriff auf weitere Eigenmittel verbessern. Das Gegenteil ist jedoch auch der Fall: Wenn sich eine Anlage schlecht entwickelt, kann der Hebeleffekt Verluste erheblich vergrößern.

In der Praxis nutzen Anleger ständig Hebel – Immobilienkredite sind wohl das bekannteste Beispiel hierfür –, und während es viele sinnvolle Einsatzmöglichkeiten gibt, kann Leveraging auch Instabilität und Volatilität begünstigen. So wie während der globalen Finanzkrise 2007–2008, die auf einen zu stark kreditfinanzierten US-Wohnimmobilienmarkt und darauf basierende Derivatprodukte zurückzuführen war. Der Kollaps einer relativ kleinen Komponente des Finanzsystems hatte deswegen unverhältnismäßig große Auswirkungen.

Die Investmentbank Lehman Brothers verwaltete ein riesiges Portfolio aus hypothekenbesicherten Anlageprodukten, dessen Wert das Eigenkapital des Instituts um das Vierfache überstieg. Dieser bedeutende Hebel, der sich vor allem auf den Markt für hypothekenbesicherte Wertpapiere konzentrierte, trug wesentlich zur Schwäche des Unternehmens und zu seinem Bankrott in der Krise bei. Andere namhafte Institute entgingen diesem Schicksal nur, weil sie von anderen Konzernen mit einer solideren finanziellen Basis übernommen wurden oder staatliche Unterstützung erhielten.

Es gibt verschiedene Arten von Leveraging. Bankdarlehen sind eine recht unkomplizierte Form.

Alternative Formen des Leveraging

Es gibt verschiedene Arten von Leveraging. Bankdarlehen sind eine recht unkomplizierte Form: Im Falle von festverzinslichen Darlehen kennen die Anleger den Zinssatz, den exakten Rückzahlungsbetrag und den Zeitraum, über den die Rückzahlung erfolgen muss. So lässt sich leicht nachvollziehen, unter welchen Konditionen eine mit einem Bankkredit getätigte Investition finanziell interessant ist (auch als Hurdle Rate bezeichnet). Um etwa ein Darlehen mit einem Zinssatz von 3% über einen Zeitraum von fünf Jahren zurückzuzahlen und gleichzeitig einen Gewinn zu erwirtschaften, muss die jährliche Kapitalrendite der angestrebten Anlage über diesem Zinssatz liegen.

Variabel verzinsliche Kredite wie eine eingeräumte Kontoüberziehung sind mit größeren Risiken behaftet, da Anleger Zinsschwankungen ausgesetzt sein können. Dieses Risiko wurde deutlich, als die Maßnahmen der Zentralbanken zur Senkung der Inflation 2022 und 2023 zu einem schnellen Zinsanstieg führten. Kreditnehmer, die davon ausgegangen waren, dass die Zinsen auf dem bisherigen niedrigen Niveau von 2% oder 3% verharren würden, waren plötzlich mit unerwartet hohen Zinszahlungen konfrontiert, die teilweise die Rendite ihrer Anlagen überstiegen. Unternehmen wie auch Privatpersonen müssen die Kosten verschiedener Kreditoptionen in jedem Fall vergleichen und prüfen, ob diese ihrem Finanzbedarf und ihren Vermögensverhältnissen entsprechen.

Gut informierte Anleger können ein Portfolio auch über Derivate hebeln. Anstatt einen Kredit aufzunehmen und eine höhere Summe in einen bestimmten Vermögenswert zu investieren, können Anleger mit Derivaten ein Engagement in Vermögenswerten aufbauen, ohne den entsprechenden Basiswert tatsächlich zu besitzen. Der Kapitaleinsatz ist dabei üblicherweise geringer als bei Direktanlagen.

Da die Preise von Derivaten jedoch täglich schwanken, sind sie in der Regel die am schlechtesten kalkulierbare und unsicherste Variante des Leveraging. Bei einigen Derivaten sind Anleger ferner dem Risiko ausgesetzt, dass etwaige Verluste vergrößert werden. Warren Buffet, über viele Jahre Investmentpartner von Charlie Munger, bezeichnete Derivate daher auch als „finanzielle Massenvernichtungswaffen“.

Warum nutzen Anleger Leveraging trotz der Risiken?

Dank Leveraging kann mit dem gleichen Anlagebetrag ein größeres Engagement im Basiswert erzielt werden, wodurch sich die Investitionskraft verbessern lässt. Wenn die Kreditkosten und das Wirtschaftswachstum niedrig sind, lässt sich Leveraging zudem strategisch einsetzen, um die Renditen in einem ansonsten schwachen Markt zu verbessern.

Allerdings ist Leveraging ein zweischneidiges Schwert. Denn wenngleich ein Hebel einerseits die Rendite steigern kann und Anlegern die Chance bietet, mit weniger Kapital größere Gewinne zu erzielen, so erhöht er andererseits auch die Wahrscheinlichkeit erheblicher Verluste. Dies liegt darin begründet, dass Hebel die Auswirkungen von Marktbewegungen verstärken: Entwickelt sich der Markt positiv, steigen die Gewinne überproportional, entwickelt sich der Markt hingegen schlecht, steigen auch die Verluste überproportional. Ein sorgfältiges Risikomanagement ist daher beim Einsatz von Leveraging unerlässlich.

In den meisten Fällen dienen Hebel jedoch dazu, die Rendite einer Anlage im Laufe der Zeit leicht zu verbessern, wobei Anleger sich insbesondere bei niedrigen Kreditkosten den gewöhnlichen Aufwärtstrend der Märkte zunutze machen. Unternehmen verwenden Leveraging auch zur Finanzierung von Übernahmen oder um in Technologien und Maschinen zu investieren. Das Leveraging eines Unternehmens schätzen Anleger dabei in der Regel anhand des Verschuldungsgrads, der Fremdkapital und Eigenkapital zueinander ins Verhältnis setzt. Eine übermäßige Verschuldung stellt ein Risiko dar, denn sollte eine Investition nicht das gewünschte Ergebnis bringen, erleiden die Anleger möglicherweise einen erheblichen Kapitalverlust.

Gemeinsame Anlagen

Die meisten regulierten Organismen für gemeinsame Anlagen verfügen im Hinblick auf den Einsatz von Hebeln über strenge Regeln. So können zum Beispiel OGAW-Fonds zwar zu Anlagezwecken Kredite aufnehmen, diese müssen jedoch von erstklassigen Kreditinstituten stammen und dürfen nur vorübergehender Natur sein und maximal 10% des Nettoinventarwerts des betreffenden Fonds ausmachen1. Bei europäischen langfristigen Investmentfonds (ELTIF) darf der Hebel bis zu 50% betragen, wenn diese Privatanlegern angeboten werden, und bis zu 100%, wenn diese ausschließlich professionellen Anlegern offenstehen.

Die Leveraging-Grenzen alternativer Investmentfonds werden von der Aufsichtsbehörde des Sitzlandes des Fonds festgelegt, und die Fonds müssen dieser Behörde umfassend Bericht erstatten. Des Weiteren bestehen Beschränkungen in Bezug auf das Exposure gegenüber einzelnen Kreditgebern. Fonds müssen offenlegen, über welche Leveraging-Richtlinien sie verfügen, wie Hebel genutzt werden und welchen Einfluss diese auf das Risikoprofil haben. Für geschlossene Fonds gelten hingegen häufig weniger strenge Anforderungen.

Mit Bedacht eingesetzt kann Leveraging durchaus sinnvoll sein, um die Rendite eines Portfolios umsichtig zu steigern und Überzeugungen in Bezug auf bestimmte Anlagen zum Ausdruck zu bringen. Für Unternehmen ist es zudem ein übliches Verfahren, mit dem sie Wachstum schneller finanzieren können als über die Investition von Gewinnen. Dennoch sind Hebel mit erheblichen Risiken verbunden. Das Schlusswort hat wieder Warren Buffet: „Immer wenn ein wirklich kluger Mensch mit viel Geld pleitegeht, ist er dem Hebeleffekt zum Opfer gefallen. Denn solange man nicht auf Kredite zurückgreift, ist ein Bankrott extrem unwahrscheinlich.“

Leveraging bietet mehr fürs Geld, da es ein stärkeres Engagement in einem Basiswert bei identischen Ausgangskosten ermöglicht. Sind Kredite günstig und das Wirtschaftswachstum schwach, kann Leveraging daher ein gutes Instrument sein, um die Renditen in einem ansonsten wenig dynamischen Markt zu steigern.

1 Bei Anlagen in Immobilien kann die Leveraging-Grenze unter bestimmten Umständen auf 15% angehoben werden.