Was ist die CSRD, und was sind ihre Folgen?
Die Europäische Union ist Vorreiter bei der Regulierung der Transparenz in Bezug auf CO2-Emissionen, Abholzung und biologische Vielfalt, Arbeitsnormen und andere Bereiche, die mit dem Thema Nachhaltigkeit verbunden sind. So existieren im Europarecht bereits Vorschriften, die Unternehmen dazu verpflichten, die ökologischen und sozialen Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit offenzulegen. Darüber hinaus beginnt die EU nun, Strafen gegen Unternehmen zu verhängen, die falsche Angaben zur Nachhaltigkeit ihrer Aktivitäten machen. Die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) ist der jüngste Rechtsakt, der die Transparenz für Vermögensverwalter, Anleger, Geschäftspartner und andere Stakeholder erhöhen soll.
Die ersten in der Richtlinie festgelegten Berichtspflichten werden schon bald in Kraft treten und die größten Unternehmen sollten bereits entsprechende Maßnahmen ergreifen. Sie müssen relevante Daten für das Geschäftsjahr erheben, das am 1. Januar 2024 begonnen hat, um ihren ersten Pflichtbericht im Jahr 2025 vorlegen zu können. Die nächstkleinere Gruppe von europäischen Unternehmen muss Anfang Januar 2025 mit der Datenerhebung beginnen, um 12 Monate später den jeweils ersten Bericht abzugeben. Kleinere europäische Unternehmen müssen wiederum 2027 mit der Berichterstattung beginnen und somit ihren ersten Bericht für das Jahr 2026 erstellen.
Für Anleger ergibt sich daraus eine Reihe neuer Daten, die es zu interpretieren gilt und die einen besseren Einblick in die möglichen Auswirkungen von Nachhaltigkeitsfaktoren auf die längerfristigen Aussichten eines Unternehmens geben dürften.
Einblicke in die langfristige Nachhaltigkeit von Geschäftstätigkeiten
Die CSRD ist nichts von Grund auf Neues, aber sie stellt einen großen Fortschritt gegenüber der EU-Richtlinie zur nichtfinanziellen Berichterstattung dar, dem bisherigen Rechtsrahmen der EU für die Nachhaltigkeitsberichterstattung großer börsennotierter Unternehmen. Durch die neue Richtlinie wird sich die Zahl der Unternehmen, die zur Offenlegung von nachhaltigkeitsbezogenen Informationen verpflichtet sind, im Laufe der Zeit beträchtlich erhöhen. Auch der Umfang dieser Offenlegungen wird sich deutlich erweitern. Zum Ende des Jahrzehnts werden mehr als 50.000 europäische Unternehmen und 10.000 Konzerne, die in der EU tätig sind und ihren Geschäftssitz im Ausland haben, zur Berichterstattung verpflichtet sein.
Die CSRD verpflichtet Unternehmen zur Berichterstattung über ihre Auswirkungen mit Blick auf die Umwelt, die Menschenrechte und andere soziale Standards sowie über die nachhaltigkeitsbezogenen Risiken, denen sie ausgesetzt sind. Die Offenlegungspflichten sollen sicherstellen, dass die Unternehmen nicht nur über ihre finanziellen Ergebnisse berichten, sondern auch über die langfristige Nachhaltigkeit ihrer Geschäftstätigkeiten. Das schließt auch die Nachhaltigkeitsauswirkungen von Unternehmen ein, die Teil ihrer Lieferkette sind.
Die Offenlegungspflichten sollen sicherstellen, dass die Unternehmen nicht nur über ihre finanziellen Ergebnisse berichten, sondern auch über die langfristige Nachhaltigkeit ihrer Geschäftstätigkeiten. Das schließt auch die Nachhaltigkeitsauswirkungen von Unternehmen ein, die Teil ihrer Lieferkette sind.
Für Anleger und Stakeholder soll dadurch besser nachvollziehbar werden, ob das Wachstum eines Unternehmens im Einklang mit der Umwelt, den Menschenrechten und der Gesellschaft als Ganzes steht – oder ob es vielmehr zu ihren Lasten geht. Vermögensverwalter sollen ihrerseits in die Lage versetzt werden, Berichte über die Nachhaltigkeitsmerkmale ihrer eigenen Anlageprodukte zu erstellen, wie es gemäß der EU-Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor vorgesehen ist. Der rechtliche Rahmen verpflichtet die Unternehmen zwar nicht, ihr Verhalten zu ändern, doch es wird davon ausgegangen, dass die Pflicht zur Offenlegung einen Anreiz für den Umstieg auf ein nachhaltigeres Geschäftsmodell schafft.
Europäische Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung
Die in der CSRD festgelegten Anforderungen sind umfangreich und komplex. Die Europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (European Sustainability Reporting Standards, ESRS) bilden auf der EU-Ebene einen einheitlichen Rahmen zur Betrachtung der ESG-Risiken, -Auswirkungen und -Chancen von Unternehmen anhand von so unterschiedlichen Kennzahlen wie Klimaemissionen und geschlechtsspezifischen Lohnunterschieden.
Die themenübergreifenden Standards* setzen sich aus zwei Hauptbestandteilen zusammen: ESRS 1 stellt die Konzepte und Grundsätze dar, die von Unternehmen bei der Berichterstattung im Rahmen der CSRD befolgt werden müssen, einschließlich allgemeiner Konventionen für die Ausarbeitung, Verfahren zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht und der Definition der sogenannten doppelten Wesentlichkeit. ESRS 2 legt die Anforderungen an die Berichterstattung in wichtigen Schwerpunktbereichen fest: Management der Auswirkungen, Risiken und Chancen, Governance, Strategie sowie Parameter und Ziele. Die betreffenden Informationen müssen von einem unabhängigen Dritten geprüft werden.
Die doppelte Wesentlichkeit stellt innerhalb der CSRD ein wichtiges Konzept dar und alle Unternehmen müssen im Rahmen ihrer Berichtspflichten in Zukunft eine Bewertung der doppelten Wesentlichkeit durchführen. Dabei werden sowohl die nach außen gerichteten ökologischen und sozialen Auswirkungen als auch der Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeitsthemen und finanziellen Ergebnissen einbezogen.
Bei der Untersuchung der finanziellen Gesichtspunkte geht es um den möglichen Einfluss von Nachhaltigkeitsfaktoren auf die finanziellen Ergebnisse eines Unternehmens, z.B. die Auswirkungen steigender Preise für fossile Brennstoffe auf die Kostenbasis einer Fluggesellschaft oder die möglichen Auswirkungen langfristiger Wasserknappheit auf ein Chemieunternehmen.
Anforderungen an Unternehmen mit Sitz außerhalb Europas
Bei der Betrachtung der Auswirkungen geht es um die messbaren Folgen der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens, insbesondere um die kurz, mittel- und langfristigen Umweltfolgen und gesellschaftlichen Folgen. Sie umfasst unter anderem die Untersuchung der Lieferkette und ihrer Auswirkungen auf die Umwelt. Die betreffenden Vorgaben sollen sicherstellen, dass Unternehmen ihre CO2-Emissionen nicht an Dritte in ihrer Lieferkette „auslagern“ oder indirekt schlechte Arbeitspraktiken fördern.
Von der Bewertung der doppelten Wesentlichkeit hängt ab, ob das Unternehmen zusätzliche Daten offenlegen muss, die gemäß den EU-Standards als wesentlich eingestuft werden – etwa in Bezug auf rechtliche, finanzielle und betriebliche Aspekte, die interne Revision oder externe Zulieferer. Unternehmen sind auch angehalten, den Input anderer Stakeholder zu berücksichtigen, zu denen unter anderem Kunden, Mitarbeitende, Aktionäre und Organisationen der Zivilgesellschaft zählen. All dies erfordert einen koordinierten Ansatz, ausgehend von der höchsten Ebene einer jeden Organisation.
Unternehmen aus Nicht-EU-Ländern, die in erheblichem Umfang in Europa tätig sind, fallen ebenfalls in den Geltungsbereich der neuen Vorschriften. Sie haben jedoch etwas mehr Zeit, um sich auf die Einhaltung vorzubereiten – ihr erster Bericht muss das Geschäftsjahr 2028 abdecken und im Jahr 2029 vorgelegt werden. Die Vorgaben gelten hierbei nur für größere Unternehmen, die in der EU einen Nettojahresumsatz von über 150 Millionen Euro erwirtschaften oder deren Aktien oder Anleihen an einem geregelten Markt in der EU notiert sind.
In den Geltungsbereich fallen auch Konzerne mit Geschäftssitz außerhalb der EU aber Tochtergesellschaften in der EU, sofern diese mindestens zwei der drei folgenden Kriterien für die Einstufung als Großunternehmen erfüllen: mehr als 250 in der EU tätige Mitarbeitende (entsprechend dem über das Geschäftsjahr hinweg berechneten Durchschnitt), eine Bilanzsumme von mehr als 25 Millionen Euro und ein in Europa erwirtschafteter Umsatz von über 50 Millionen Euro.
Transparenz der Zulieferer
Laut der Europäischen Kommission werden die CSRD-Vorgaben sicherstellen, dass Anleger und andere Stakeholder Zugang zu den Informationen haben, die sie benötigen, um die Auswirkungen von Unternehmen auf Mensch und Umwelt zu beurteilen und um finanzielle Risiken und Chancen zu bewerten, die sich aus dem Klimawandel und anderen Nachhaltigkeitsthemen ergeben. Die Kosten der Berichterstattung für die Unternehmen werden der Kommission zufolge durch die Harmonisierung der zu liefernden Informationen mittel- bis langfristig sinken.
Die Offenlegung nachhaltigkeitsbezogener Daten durch immer mehr Unternehmen dürfte dazu beitragen, dass Anleger ein umfassenderes Verständnis der entsprechenden Nachhaltigkeitsauswirkungen und -risiken erlangen. In der Zukunft könnte sich dies in den Aktienkursen widerspiegeln, wenn Anleger sich von Unternehmen mit erheblichen Zukunftsrisiken abwenden und stattdessen Unternehmen den Vorzug geben, die diese Risiken rechtzeitig unter Kontrolle bringen.
Die Vorschriften gelten derzeit zwar nur für große Unternehmen, doch diese werden wahrscheinlich wiederum ein höheres Maß an Transparenz von ihren Zulieferern verlangen. Möglicherweise werden immer mehr Unternehmen nur noch mit Zulieferern zusammenarbeiten, die ebenfalls nachhaltig aufgestellt sind. Transparenz könnte daher zu einem entscheidenden Faktor für den Geschäftserfolg werden. Da die Unternehmen faktisch dazu verpflichtet sind, die CO2-Emissionen und die Nachhaltigkeitsbilanz anderer Unternehmen zu berücksichtigen, ist es gut möglich, dass sie ihre Geschäftspraktiken entsprechend anpassen. Anlegen sollten das immer vor Augen haben, wenn sie ihre Entscheidungen treffen.
Ziel der CSRD ist es, ein nachhaltigeres und widerstandsfähigeres Wirtschaftssystem zu fördern. Zu diesem Zweck setzt sie Anreize für sozial und ökologisch verantwortungsvolle Unternehmenspraktiken und für die Zusammenarbeit mit verantwortungsvollen Geschäftspartnern. Die Entwicklung in diesem Sinne wird wahrscheinlich nur langsam voranschreiten und sich über einen langen Zeitraum hinziehen, und die Unternehmen könnten dabei zunächst einer hohen Belastung ausgesetzt sein. Für Anleger verspricht sie jedoch eine bessere Grundlage für ihre Anlageentscheidungen.
Die Vorschriften gelten derzeit zwar nur für große Unternehmen, doch diese werden wahrscheinlich wiederum ein höheres Maß an Transparenz von ihren Zulieferern verlangen. Möglicherweise werden immer mehr Unternehmen nur noch mit Zulieferern zusammenarbeiten, die ebenfalls nachhaltig aufgestellt sind. Transparenz könnte daher zu einem entscheidenden Faktor für den Geschäftserfolg werden.
* Neben diesen themenübergreifenden Standards gibt es thematische Standards (Umwelt, Soziales, Unternehmensführung). In Zukunft wird es zudem spezifische Standards für jeden Sektor geben.