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Dezember 20, 2024

Die Mutter aller Themen mit Disruptionspotenzial: Nachhaltigkeit

  Olivier Goemans myINVEST Januar 23, 2020 2403

Der kürzlich erschienene myLIFE-Artikel „Vom benchmark-basierten zum themenorientierten Anlegen: Anlagen mit Schwerpunkt auf der Zukunft“ sieht in thematischen Anlagen einen zukunftsorientierten Ansatz. Thematische Anlagen basieren auf der Ansicht, dass es sich in einer zunehmend globalisierten Welt auszahlen dürfte, Unternehmen und Sektoren zu bevorzugen, die voraussichtlich von strukturellen Wachstumsgelegenheiten profitieren werden. Der Ort des Geschäftssitzes oder der Börsennotierung dieser Unternehmen ist dabei zweitrangig. Dies gilt besonders, wenn wir die Mutter aller Themen mit Disruptionspotenzial betrachten: Nachhaltigkeit

Ob Nischen- oder eher Mainstream-Ansatz: Um erfolgreich zu sein, erfordern thematische Anlagen in der Regel eine langfristige Ausrichtung und Geduld. Sich kontinuierlich vor Augen zu halten, dass der Sinn und Zweck einer jeden Anlage die Maximierung der Renditen und nicht die Minimierung von Langeweile ist, erinnert an das berühmte Zitat von Paul Samuelson: „Investieren sollte mehr so sein, wie Farbe beim Trocknen oder Gras beim Wachsen zuzusehen”. Damit eignen sich thematische Anlagen perfekt für Anleger mit einer eher starken und beständigen Mentalität.

Der Klimawandel ist eines der dringlichsten Themen unserer Zeit und bedroht das Leben sowie die Lebensgrundlagen von Milliarden Menschen, wenn nicht gar der gesamten Menschheit. Auf der anderen Seite beobachten wir weltweit eine beängstigende Zunahme der Agnotologie1 bzw. der Tatsache, dass Unwissenheit und Zweifel möglicherweise gezielt von spezifischen Interessengruppen gefördert werden, um die Wahrheit über kritische Themen zu verschleiern.

Unsere Gesellschaft muss sich heutzutage wohl oder übel mit schwierigen Themen befassen, „die sich nicht um Landesgrenzen scheren, und die nur durch globale Zusammenarbeit gelöst werden können“2. Wer würde schon versuchen wollen, globale Probleme mit Protektionismus und lokalen Prioritäten anzugehen? Dass eine nationalistische Einstellung keine Lösung für den Klimawandel produzieren kann, ist offensichtlich. Das Problem zu verleugnen und den Zusammenhang zwischen Ursachen und Auswirkungen in Frage zu stellen, ist für solche Menschen daher Mittel zum Zweck.

Wir alle fühlen uns ein wenig wie das „Kaninchen vor der Schlange“ und wissen nicht, in welche Richtung wir laufen sollen. Funktioniert etwas nicht, gehen wir instinktiv bis zu dem Punkt zurück, an dem wir uns sicher und geborgen fühlen. Eine rückwärts gerichtete Einstellung wird also von unseren Instinkten gesteuert. Sie kann jedoch, außer für jene, die sich wirklich in die Zeit zurücksehnen, in denen das Leben ein tagtäglicher Kampf ums Überleben war, zu Fehldarstellungen führen. Denn die meisten Generationen genießen höhere Lebensstandards als ihre Eltern, führen also ein komfortableres Leben.

Eines sollte uns klar sein: Halten Millennials das Zepter erst einmal in der Hand, werden sich die Anlageprioritäten ändern und Transparenz wird das neue Leitmotiv.

Laut dem Weltklimarat IPCC3 haben wir noch 12 Jahre Zeit, um katastrophale Klimaveränderungen zu verhindern. Wissenschaftler sind sich einig, dass eine Erderwärmung um 1,5 C nicht mehr aufzuhalten ist. Damit sprechen wir nicht länger von Klimawandel, sondern von einem Zusammenbruch des Klimas. Doch eine positive Zukunft kann Realität werden – allerdings nur, wenn Menschen in einflussreichen Positionen auf der ganzen Erde ihre Anstrengungen intensivieren.

Damit gehen die Herausforderungen weit über den Klimawandel als solchen hinaus. Unsere Gesellschaft wacht offensichtlich auf, und kollektive Verantwortung sowie Nachhaltigkeit sind Schritte in die richtige Richtung. Indem sie auf jüngere Generationen verweisen, lehren Millennials uns Empathie. Eines sollte uns klar sein: Halten Millennials das Zepter erst einmal in der Hand, werden sich die Anlageprioritäten ändern und Transparenz wird das neue Leitmotiv. Unternehmen werden die Interessen aller und nicht nur die ihrer Aktionäre berücksichtigen müssen.

Möchten wir die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen und die Klimaziele des Pariser Abkommens einhalten, so ist in den kommenden Jahren eine Mobilisierung von Kapital in noch nie dagewesener Höhe erforderlich.

Realistisch gesehen ist es für Regierungen und Unternehmen allein unmöglich, diese Probleme zu lösen. Daher sind auch die Anleger gefragt. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass die Einbindung von Nachhaltigkeit in Geschäftsmodelle eng mit dem Wertschöpfungspotenzial für Aktionäre verknüpft ist.

Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass die Einbindung von Nachhaltigkeit in Geschäftsmodelle eng mit dem Wertschöpfungspotenzial für Aktionäre verknüpft ist.

Nachhaltiges und verantwortungsbewusstes Investieren ist keine Modeerscheinung, sondern eine Voraussetzung für unsere Zukunft. Nachhaltigkeit ist bei Weitem das dringlichste Thema, mit dem Anlageexperten im 21. Jahrhundert konfrontiert sind, und ESG-Faktoren (Umwelt, Soziales und Governance) verändern die Art, wie wir investieren. ESG-Anlageprozesse setzen sich immer mehr durch und ebnen den Weg für sinnstiftende Investitionen.

Informationen sind heute leichter und kostengünstig verfügbar, da Informationsbarrieren dank technologischer Entwicklungen überwunden wurden. Damit besteht das Patentrezept für ein erfolgreiches Unternehmen aus Werten wie Transparenz, Ehrlichkeit und Integrität sowie einem Dienstleistungs- oder Produktangebot von überdurchschnittlichem Wert. Moralische Risiken, das Trittbrettfahrer-Phänomen, „sündenbehaftete“ oder verwerfliche Geschäftsaktivitäten („Sin Industries“) oder ganz allgemein schlechte Verhaltensweisen verschwinden damit nicht. Das Verschleiern von auf unrechtmäßigen Wegen erlangten Werten wird allerdings äußerst schwierig.

Wie Morgan Housel4 richtig bemerkte: „Es gab schon immer drei (legale) Arten der Unternehmensführung:

  • Die Probleme anderer lösen.
  • Kratzen, wo es andere juckt.
  • Die Schwäche oder Unkenntnis anderer ausnutzen.

Mit dem neuen Zeitalter der Transparenz werden die beiden letzten Ansätze schwieriger, und der letzte wird in manchen Branchen sogar nahezu unmöglich.“

1 Definiert wurde der Begriff Agnotologie (Agnotology) von Stanford-Professor Robert Proctor als das Studium der Unwissenheit, als er die Frage „Warum wissen wir das, was wir nicht wissen, nicht?“ untersuchte. Er beschrieb, was Unwissenheit am Leben hält: Unwissenheit ist oftmals mehr als nur Wissensmangel. Sie kann auch das Ergebnis kultureller und politischer Bemühungen sein und von Medien und Politikern gezielt als Instrument eingesetzt werden. Lesen Sie zu dem Thema auch den Artikel von Barry Ritholtz auf: https://ritholtz.com/2016/06/frightening-global-rise-agnotology/

2 Yuval Noah Harari – The Economist: Moving beyond nationalism

3 IPCC – Intergovernmental Panel on Climate Change

4 „You can see where this is going“ von Morgan Housel und dem Collaborative Fund Team