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Dezember 19, 2024

Die Zukunft der Arbeit – Beschäftigung, private Unternehmen und die Gig Economy

  Gesammelt von myLIFE team myCOMPANY September 15, 2023 766

Die Gig Economy versprach eine Revolution der Arbeitswelt. Arbeitnehmer wären nicht länger an einen einzigen Arbeitgeber gebunden, sondern würden ein eigenes Ein-Personen-Unternehmen führen. Davon profitierten die Arbeitgeber, die flexiblere Arbeitsplätze bereitstellen konnten, aber auch die Arbeitnehmer, die ihre Arbeit ihrem Leben anpassen konnten, statt umgekehrt. Allerdings konnte die Realität das Versprechen nicht halten.

Zunächst sah man die Gig Economy als echten Erfolg. Taxifahrer und Lieferanten wurden zu Selbstständigen, die dank loser Ad-hoc-Verträge über flexible Arbeitszeiten verfügten. Es kamen mehr und mehr Vertragsverhältnisse zustande, da Fachleute private Unternehmen gründeten, um Unternehmen ihre Kompetenzen gelegentlich oder über einen kurzen Zeitraum zur Verfügung zu stellen.

Der mangelnde Arbeitnehmerschutz innerhalb der Gig Economy entwickelte sich jedoch rasch zu einem politischen Thema. Die Regierungen wurden nervös und ergriffen strikte Maßnahmen, da Unternehmen die Arbeitskräfte ihrer Ansicht nach in vielen Fällen eher ausbeuteten, statt ihnen Freiheit zu bieten.

Arbeitnehmerrechte

2021 erließ die EU Rechtsvorschriften zur Regulierung von Plattformen wie Uber und Deliveroo, damit Selbstständige, die diese Plattformen nutzen, dieselben grundlegenden Arbeitnehmerrechte genießen wie reguläre Arbeitnehmer. Hierzu zählen auch das Recht auf bezahlten Urlaub, Abfindungsleistungen sowie angemessene Arbeitsbedingungen. Die Mitgliedstaaten haben bis 2025 Zeit, diese Vorschriften in nationales Recht umzusetzen und in Kraft zu setzen.

Darüber hinaus haben die Arbeitskräfte der Gig Economy eigene Kampagnen für den Arbeitnehmerschutz geführt. In Großbritannien gingen Taxifahrer gegen Uber vor Gericht und forderten bezahlten Urlaub, die Einführung eines nationalen Mindestlohns und das Recht auf Ruhepausen. Der Fall ging bis vor das oberste Gericht — wo Uber den fünfjährigen Rechtsstreit verlor. Das Urteil stellte das Low-Cost-Geschäftsmodell des Konzerns vor große Herausforderungen, und das Unternehmen sah sich aufgrund eines Mangels an Fahrern gezwungen, seine Preise zu erhöhen.

Die Steuerbehörden machten sich Sorgen, nicht den ihnen zustehenden Anteil am Einkommen der Arbeitnehmer zu erhalten.

Auch die Steuerbehörden machten sich Sorgen, nicht den ihnen zustehenden Anteil am Einkommen der Arbeitnehmer zu erhalten. Durch den Einsatz zahlreicher Leiharbeiter konnten die Unternehmen bestimmte Steuern und Abgaben, etwa die obligatorischen Rentenbeiträge, vermeiden. In Großbritannien griffen die Behörden mit dem Erlass IR35 gegen die sogenannte Scheinselbstständigkeit durch. Damit soll sichergestellt werden, dass selbstständige Auftragnehmer die Einkommensteuer sowie Sozialversicherungsbeiträge im selben Umfang entrichten wie reguläre Arbeitnehmer. Dadurch verkomplizierte sich die Situation sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber, und eine flächendeckendere Einführung flexiblerer Vereinbarungen wurde verhindert.

Verzögerte Apokalypse

Letztendlich wurde die Arbeitswelt keineswegs revolutioniert. In der Eurozone ist die Zahl der Selbstständigen relativ konstant geblieben bzw. in den letzten Jahren sogar leicht von 14,6 % (2011) auf 13,3 % (2022) zurückgegangen. Die Corona-Pandemie scheint die Menschen noch weiter von der Selbstständigkeit abgebracht zu haben; viele Arbeitgeber schützten ihre Arbeitnehmer durch Kurzarbeitsregelungen vor den Auswirkungen der Pandemie, während Selbstständige weitgehend auf sich selbst angewiesen waren, wenngleich einige Länder, darunter auch Luxemburg, Regelungen zur Einkommenssicherung umsetzten.

Aktuell variiert der Anteil der Selbstständigen je nach Bildungsniveau. Es ist kaum überraschend, dass der Anteil an Selbstständigen in der Landwirtschaft am höchsten ist – derzeit sind über 60 % der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte selbstständig. Von den Fachkräften sind nur etwa 14,6 % selbständig, und im Bereich Dienstleistungen und Verkauf sind es 13,8 %.

Die kommerzielle Verbreitung künstlicher Intelligenz könnte letztlich eine weitaus größere Disruption für die traditionellen Arbeitsmuster darstellen als die Gig Economy.

Allerdings gibt es Anzeichen dafür, dass die Arbeitswelt sich künftig noch stärker verändern könnte. Die kommerzielle Verbreitung künstlicher Intelligenz könnte letztlich eine weitaus größere Disruption für die traditionellen Arbeitsmuster darstellen als die Gig Economy. McKinsey zufolge wird einer von sechzehn Arbeitnehmern in acht der größten Volkswirtschaften der Welt (China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Japan, Spanien und die USA) – das entspricht mehr als 100 Millionen Arbeitnehmern – bis 2030 unter Umständen den Beruf wechseln müssen.

Der Aufstieg von KI-Chatbots

Das Aufkommen der von Microsoft unterstützten, öffentlich zugänglichen KI-Plattform ChatGPT und ähnlicher Anwendungen von Mitbewerbern wie Google lässt Akademiker, Journalisten und Juristen gleichermaßen erschauern. Wenn ein Roboter Artikel, Berichte oder juristische Dokumente verfassen kann, was geschieht dann mit denjenigen, die gegenwärtig dafür bezahlt werden?

McKinsey zufolge würde das Beschäftigungswachstum verstärkt auf Arbeitsplätze mit höheren Qualifikationsanforderungen entfallen, insbesondere in den Bereichen Gesundheitswesen, Wissenschaft, Technologie und Ingenieurwesen sowie in anderen spezialisierten Branchen. Die Autoren schreiben: „Der Aufstieg des e-Commerce hat eine Nachfrage nach Lagerarbeitern geschaffen; Investitionen in die Grüne Wirtschaft könnten den Bedarf an Windenergieanlagentechnikern erhöhen; die Nachfrage nach Krankenpflegern, Haushaltshilfen und Hörgerätetechnikern wird aufgrund der alternden Bevölkerung in vielen Industrieländern steigen und auch Lehrer und Ausbilder werden im kommenden Jahrzehnt weiterhin benötigt.“

Allerdings besteht bei Arbeitsplätzen, die eine mittlere oder geringe Qualifikation erfordern, in Bereichen wie Gastronomie, Fertigung und Bürodienste ein höheres Disruptionsrisiko. In den Supermärkten finden wir immer mehr Selbstbedienungskassen vor, während Restaurants und Hotels den Check-in sowie Essensbestellungen allmählich automatisieren. In diesen Bereichen macht sich die Digitalisierung bereits deutlich bemerkbar.

Telearbeit bietet vielen Menschen die Flexibilität, die die Gig Economy eigentlich hätte bieten sollen, jedoch mit einer geregelten Beschäftigungsstruktur.

Remote Work wird sich fortsetzen

Die Pandemie war auch erstmals ein starker Treiber für Telearbeit, und aus heutiger Sicht wird sich dieser Trend nur schwer umkehren lassen, obwohl viele konservative Führungskräfte – einige von ihnen in Branchen, die von der digitalen Technologie angetrieben werden – sich dem Trend widersetzen. Die meisten Unternehmen haben ihre Arbeitsplätze und IT-Systeme inzwischen für zwei oder drei Tage Telearbeit pro Woche angepasst. Dies verändert die Art des Arbeitens und bietet vielen Menschen die Flexibilität, die die Gig Economy eigentlich hätte bieten sollen, jedoch mit einer geregelten Beschäftigungsstruktur.

Vorerst sind viele Aspekte der Revolutionen am Arbeitsplatz weiterhin theoretischer oder experimenteller Natur und haben noch nicht Einzug in den Alltag gehalten. Die Gig Economy mag sich als weniger disruptiv und weitreichend als erwartet herausgestellt haben, doch künstliche Intelligenz und Digitalisierung könnten die Arbeitsmuster wesentlich stärker verändern.

In diesem Umfeld sind die Arbeitnehmer stärker gefordert, ihre Kompetenzen stets an die aktuellen Entwicklungen anzupassen, Geld für „schlechte Zeiten“ zurückzulegen und sich bei Bedarf weiterzubilden. Die agilsten Unternehmen bemühen sich um einen Zugang zu verschiedenartigen Kompetenzen, damit Mitarbeiter variabel eingesetzt werden können. Dies macht wahrscheinlich mehr formelle Schulungen und zielführende Mentoring-Programme erforderlich.

Es gibt jedoch Fragen von wichtigerer Bedeutung. Wenn die Technologie menschliche Arbeit in hohem Maße ersetzt, wie sichern die Regierungen dann ihre Steuereinnahmen? Sollten Arbeitnehmer, deren Arbeitsplätze wegfallen, einen nationalen Mindestlohn erhalten? Dies sind Herausforderungen, die die Regierungen angesichts des sich verändernden Arbeitsmarktes künftig bewältigen müssen.