ESG-Faktoren: Warum ist ihre Berücksichtigung so wichtig?
Anleger sind sich zunehmend der Rolle bewusst, die ihre Investitionen beim Übergang zu einer nachhaltigen Zukunft spielen können. Gleichzeitig könnte eine strengere Regulierung indirekt die Risiken erhöhen, die mit einer schlechten Unternehmensführung, einem rücksichtslosen Umgang mit der Umwelt und einer Vernachlässigung der sozialen Verantwortung verbunden sind. Die Auswirkungen der eigenen finanziellen Entscheidungen auf die Gesellschaft und die Umwelt zu verstehen, ist für alle Anleger von wachsender Bedeutung.
Wie viele andere Banken berücksichtigt auch die Banque Internationale à Luxembourg (BIL) ökologische und soziale Faktoren sowie Fragen der Unternehmensführung (Environmental, Social and Governance, ESG) in ihren Entscheidungsprozessen. Aus diesem Grund hat die BIL einen flexiblen Rahmen für die ESG-Integration geschaffen, der im gesamten Portfoliomanagement und bei sämtlichen Anlagedienstleistungen der Bank angewendet wird. Er definiert die Absichten der BIL und stellt klar, was die Anleger von ihr erwarten können.
Dieser Rahmen ist keineswegs unveränderlich, sondern wird regelmäßig aktualisiert. Die BIL versteht, dass sich die Formen des verantwortlichen Investierens aufgrund der wachsenden Verfügbarkeit von Informationen und infolge neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse fortwährend ändern. Ihr Ziel ist es, vor dem Hintergrund dieser anhaltenden Veränderungen agil und reaktionsfähig zu bleiben.
ESG-Integration
Die BIL bindet gut durchdachte und klar definierte Kriterien in ihren Rahmen für die ESG-Integration ein, um verschiedene Aspekte der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen. Hierzu zählen ökologische Aspekte, die sich auf die Erhaltung der natürlichen Umwelt beziehen: CO2-Emissionen, Energieeffizienz, Abfallwirtschaft, Umweltverschmutzung, Biodiversität und Wasserknappheit. Hinzu kommen soziale Auswirkungen, die den gesellschaftlichen Bereich betreffen. Sie umfassen zwischenmenschliche Beziehungen und den sozialen Zusammenhalt, Arbeitsstandards, die Beziehungen eines Unternehmens zu seinen Mitarbeitenden und sein Verhältnis zum breiteren sozialen Umfeld, Geschlechtergerechtigkeit und Diversität, Bildung und Kinderbetreuung.
Eine grundlegende Voraussetzung für die Arbeit an all diesen Zielen ist eine gute Unternehmensführung. Sie beinhaltet die Festlegung bewährter Praktiken und Standards für die Leitung und Verwaltung eines Unternehmens. Wichtige Aspekte sind hierbei die Zusammensetzung und Unabhängigkeit der Leitungs- und Kontrollorgane, die Führungsstruktur, Prüfungsverfahren, Vergütungsfragen, Compliance-Richtlinien zur Bestechungs- und Korruptionsprävention, Verfahren im Bereich des Hinweisgeberschutzes und die Steuerpraxis des Unternehmens.
Man mag versucht sein, dieses ganze Thema als optionale Ergänzung abzutun, die nur „kosmetischen Wert“ für ein Unternehmen hat. In Wirklichkeit können sich diese Faktoren allerdings erheblich auf seine Finanzergebnisse und seinen langfristigen Wert auswirken. So ist ein rücksichtsloser Umgang mit der Umwelt mit konkreten finanziellen Risiken wie z.B. behördlichen Sanktionen verbunden, und auch die Reputation eines Unternehmens und die öffentliche Wahrnehmung seiner geschäftlichen Aktivitäten bergen das Potenzial für finanzielle Risiken. Diese Faktoren sind unter Umständen weniger leicht zu quantifizieren, aber dennoch haben sie Einfluss auf die Fähigkeit eines Unternehmens, in effektiver und wirtschaftlicher Weise tätig zu sein.
Eine gängige Praxis unter Anlageverwaltern besteht darin, eine Prognose für ein bestimmtes Unternehmen auf der Grundlage seiner Finanzkennzahlen zu erstellen und die ESG-Faktoren danach als ergänzenden Aspekt einfließen zu lassen. Die BIL berücksichtigt ökologische und soziale Faktoren sowie Fragen der Unternehmensführung hingegen bereits zu Beginn ihrer Analyse, um fundiertere Anlageentscheidungen treffen zu können.
Festlegung von Ausschlüssen
In bestimmten Bereichen ist der Umgang mit Nachhaltigkeitsthemen so unzulänglich, dass die betreffenden Unternehmen nicht für eine Investition in Betracht kommen, selbst wenn sie solide Gewinnzahlen vorweisen können. Die BIL führt eine Ausschlussliste, um diese Fälle zu erfassen. In die Anleihen und die Aktien der Unternehmen auf dieser Liste wird grundsätzlich nicht investiert. Die Liste kann auch ganze Länder beinhalten. Dies gilt insbesondere für Länder, die Wirtschaftssanktionen unterliegen.
Die BIL schließt beispielsweise Unternehmen aus, die mehr als 10% ihrer Einnahmen mit Kraftwerkskohle erzielen. Sie weist unter allen fossilen Brennstoffen die höchste Kohlenstoffintensivität und die geringste Effizienz bei der Stromerzeugung auf. Zudem wird bei der Kohleverstromung eine Vielzahl anderer Schadstoffe in die Umgebung freigesetzt.
Die Bank schließt auch Unternehmen aus, die im Bereich der sogenannten umstrittenen Waffen tätig sind. Dies bezieht sich auf Waffen, die unterschiedslos wirken und unverhältnismäßig großen Schaden anrichten. Der Ausschluss umfasst ihre Entwicklung, Erprobung und Wartung sowie ihren Vertrieb. Ausgeschlossen sind auch Unternehmen, die gegen die Grundsätze des Global Compact der Vereinten Nationen in den Bereichen Menschenrechte, Arbeitnehmerrechte, Umwelt oder Korruption und Bestechung verstoßen.
ESG-Analyse
Alejandra Encinas, ESG-Produktmanagerin bei der BIL, erklärt: „Im Rahmen unserer ESG-Integration vergeben wir Bewertungen, um einzelne Unternehmen zu beurteilen. Sie bieten uns eine Orientierungshilfe bei der Entscheidung, welche Investitionen wir tätigen und welche nicht. Die Unternehmen werden hinsichtlich ihrer Umweltrisiken von „A“ bis „E“ eingestuft, wobei „A“ einer ausgezeichneten Bewertung und „E“ einer schlechten Bewertung entspricht.”
„Wir investieren in die Unternehmen mit den besten Bewertungen und schließen in jeder Branche die Akteure mit der schlechtesten ESG-Bilanz aus, ohne ganze Sektoren zu verteufeln. Diese Integration hilft uns, Unternehmen zu erkennen, die besser für den Umgang mit ESG-Faktoren und den damit verbundenen Herausforderungen und für die Nutzung von Chancen in Verbindung mit Nachhaltigkeitsthemen und verantwortungsvollen Geschäftspraktiken aufgestellt sind.“
Im Rahmen dieser Analyse befasst sich das Investment Office der BIL mit fünf Kernbereichen:
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- Klimawandel. Dies betrifft die Anpassungs- und Eindämmungspläne eines Unternehmens zur Dekarbonisierung der geschäftlichen Aktivitäten. Wie plant das Unternehmen, erneuerbare Energien einzusetzen und zum Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft beizutragen?
- Ressourcenverknappung und Abfallwirtschaft. Wie effektiv ist das Unternehmen beim Ausbau der Abfallwiederverwertung und von Recyclingkapazitäten zur Minderung der negativen Auswirkungen seiner Geschäftstätigkeit auf Ökosysteme bzw. inwiefern trägt es zum Schutz der Biodiversität und zum Übergang zu einem Kreislaufwirtschaftsmodell bei?
- Digitalisierung und Innovation. Wie erfolgreich ist das Unternehmen darin, durch Innovation und digitale Technologien eine höhere Leistungs- und Ressourceneffizienz zu erreichen, den Datenschutz zu verbessern und robuste digitale Netzwerke zu unterstützen?
- Gesundes Leben und Wohlbefinden. Inwieweit investiert das Unternehmen in Humankapital, indem es Arbeitsplätze schafft, die Geschlechtergleichstellung fördert und gute Arbeitsbedingungen gewährleistet? Inwiefern investiert es in Forschung und Entwicklung und den Zugang zur Gesundheitsversorgung?
- Demografischer Wandel. Bereitet sich das Unternehmen auf die Anforderungen vor, die sich aus einer alternden Bevölkerung oder dem Bevölkerungswachstum in einigen Schwellenländern ergeben, um eine inklusive Wirtschaft und die Lebensqualität zu fördern?
In jedem dieser Bereiche ist der Zugang zu Nachhaltigkeitsinformationen von entscheidender Bedeutung. In den letzten Jahren ist es allerdings deutlich einfacher geworden, diese Informationen zu erhalten, da die Unternehmen selbst mehr Daten sammeln und veröffentlichen. Durch die Vorgaben der EU-Richtlinie hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen wird sich die Verfügbarkeit von Informationen möglicherweise weiter verbessern.
Bei der Erstellung von ESG-Ratings für individuelle Unternehmen und bei ihrer Aktualisierung anhand neuer Informationen stützt sich die BIL derzeit auf eine Reihe von Drittanbietern wie Refinitiv. Refinitiv verfügt über ein umfassendes Angebot an ESG-Daten, -Analysen und -Einblicken sowie über eine umfangreiche ESG-Datenbank, die zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels über 85 % der gesamten globalen Marktkapitalisierung und mehr als 630 verschiedene Kennzahlen abdeckt.
Zudem stützt sich die Bank derzeit auf Morningstar Sustainalytics, dessen Global Standard Screening qualitativ bewertet, inwiefern einzelne Unternehmen die Grundsätze des Global Compact der Vereinten Nationen einhalten. So werden Unternehmen identifiziert, die gegen diese Grundsätze verstoßen oder Gefahr laufen, dies zu tun.
Portfolioaufbau
Die ESG-Integration ist mit weiterführenden Überlegungen mit Blick auf die Anlageverwaltung verbunden, da ein auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Portfolio sich in gewissen Aspekten von einem herkömmlichen Portfolio unterscheiden dürfte. Unternehmen aus dem Bereich der fossilen Brennstoffe können etwa mitunter erhebliche und regelmäßige Dividenden erwirtschaften. Der Ausschluss solcher Unternehmen kann dementsprechend die Balance bei der Portfolioallokation und die Struktur der Anlagerenditen beeinträchtigen.
Die Unterschiede lassen sich an der Zusammensetzung bestimmter Börsenindizes ablesen, die ESG-Faktoren berücksichtigen: So sind Nvidia, Microsoft, Eli Lilly und Alphabet im MSCI World ESG Leaders Index doppelt so hoch gewichtet wie im MSCI World-Standardindex. Apple, Amazon und Meta befinden sich nicht unter den zehn Unternehmen mit der höchsten Gewichtung im ESG Leaders Index, sind aber wesentliche Bestandteile des Hauptindex. Die Auswirkungen der ESG-Integration auf Anlegerportfolios und auf ihre Risiko-Ertrags-Profile müssen gründlich durchdacht werden.
Die BIL ist der Ansicht, dass die Integration von ESG-Faktoren in ihren Anlageprozess von entscheidender Bedeutung für das Risikomanagement ist und überdies zur Erkennung von Anlagechancen beiträgt. Der Rahmen für die ESG-Integration ist flexibel und passt sich fortlaufend den immer neuen Informationen und Erkenntnissen in diesem Bereich an, der sich extrem schnell weiterentwickelt.
Man mag versucht sein, die Berücksichtigung von ökologischen und sozialen Faktoren und von Fragen der Unternehmensführung als optionale Ergänzung abzutun, die nur „kosmetischen Wert“ für ein Unternehmen hat. In Wirklichkeit können sich diese Faktoren allerdings erheblich auf seine Finanzergebnisse und seinen langfristigen Wert auswirken.