Hat das Coronavirus positive Auswirkungen auf unseren Planeten?
Winston Churchill soll gesagt haben: „Wenn Sie durch die Hölle gehen, dann bleiben Sie nicht stehen. Das ist kein Ort, um zu verweilen.“ Das Coronavirus fordert zwar nach wie vor zahlreiche Todesopfer weltweit, aber dank ihm können wir uns auch vorstellen, dass die Welt künftig anders aussehen könnte.
Nach allem, was ich über unser Wirtschaftssystem weiß, hätte ich mir nie vorstellen können, dass man absichtlich eine Rezession auslöst. Ohne den Versuch, Ausgangssperren zu verhängen, die sozialen Kontakte einzuschränken und Eindämmungsstrategien zu beschließen, hätte die Krise im Gesundheitswesen wesentlich schlimmer ausfallen können. Der wirtschaftliche Schaden wird zwar offensichtlich abgeschwächt, aber lange anhalten. Heute wirtschaftliche Einschränkungen in Kauf zu nehmen, damit wir auf eine bessere Zukunft hoffen können, steht in scharfem Kontrast zu dem üblichen Ansatz „machen wir erst einmal weiter wie bisher und kümmern uns später darum“, an den wir uns gewöhnt haben.
Zum ersten Mal in unserem Leben gehen die Treibhausgasemissionen stark zurück. Satellitenaufnahmen von der Luftverschmutzung zeigen das bislang größte Experiment zur Verringerung von Stickoxiden in verschiedenen Regionen der Welt. Das Coronavirus bewirkt eine kurzfristige Verbesserung, denn die weltweite Stilllegung der Industrie und die drastische Verringerung des Verkehrsaufkommens haben den Verbrauch von fossilen Brennstoffen und die Umweltverschmutzung gedrosselt. Gleichzeitig verbessert sich die Luftqualität.
Pessimisten werden behaupten, dass das Coronavirus den weltweiten Klimawandel aus der öffentlichen Diskussion verdrängt und damit eine gefährliche Ablenkung von wichtigen Klimazielen darstellt. Optimisten hingegen werden sagen, dass es uns alle daran erinnert hat, wie „vergänglich das Leben ist und dass die Natur dem Menschen überlegen ist“1. Offenbar vergessen wir immer wieder, dass wir der Natur ausgeliefert sind.
Covid-19 wird irgendwann wieder von der Bildfläche verschwinden. Hoffen wir, dass wir bis dahin einige Dinge begriffen haben. Könnte sich der Übergang zu einer kohlendioxidfreien Wirtschaft durch den Absturz des Ölpreises verlangsamen? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Mit Sicherheit kann ich nur sagen, dass das häufig von großen Ölkonzernen vorgebrachte Argument, sie könnten nicht in erneuerbare Energien investieren, weil Öl- und Gasprojekte wesentlich höhere Renditen abwerfen, bei einem Preis von weniger als 30 USD pro Barrel und wesentlich risikoärmeren erneuerbaren Energien nicht mehr greift. So warnte Valentina Kretzschmar, Leiterin für Corporate Research bei Wood Mackenzie: „Der Sektor ist bei Anlegern bereits sehr unbeliebt, und das wird nicht besser werden. Ich wünsche mir, dass die Öl- und die Gasbranche die Chancen zu ergreifen beginnen, die sich durch den Megatrend Energiewende eröffnen. Denn es gibt Chancen. Der Trend wächst, und der Druck, umzusteigen und den Klimawandel anzugehen, wird noch weiter steigen.“
Bei weltweiten Problemen wie Covid-19 oder dem Klimawandel spielen weder Landesgrenzen noch Nationalität eine Rolle. Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass man vom Klimawandel schon seit Jahrzehnten spricht und davon ausgegangen wird, dass die Folgen nicht unmittelbar, sondern irgendwann in der Zukunft auftreten. Gleichzeitig vermittelt er ein Gefühl der Hilflosigkeit.
Rücken die Menschen bei der Bekämpfung des Virus und des Klimawandels zusammen? Laut David Comerford2 ähneln sich beide Themen insofern, dass die Wahrscheinlichkeit von Katastrophen und Rückkoppelungsschleifen sowie Beeinträchtigungen unserer Lebensweise zunimmt. Gesellschaften müssen zusammenarbeiten, um der drohenden Gefahr zu begegnen, und Staaten müssen anerkennen, dass das Problem ein sofortiges Handeln erfordert. Bei weltweiten Problemen spielen grundsätzlich weder Landesgrenzen noch Nationalität eine Rolle.
Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass man vom Klimawandel schon seit Jahrzehnten spricht und davon ausgegangen wird, dass die Folgen nicht unmittelbar, sondern irgendwann in der Zukunft auftreten. Gleichzeitig vermittelt er ein Gefühl der Hilflosigkeit.
Wahrgenommene Bedrohungen sind im Grunde ein starker Katalysator für einschneidende und schnelle Verhaltensänderungen. Sie bestärken uns darin, dass eine solche Artikelserie über nachhaltige Finanzierung und den Klimawandel dazu beitragen könnte, die Gefahr ernstzunehmen und zu handeln. Gehen wir ehrgeizig und optimistisch an die Sache heran. Wir alle sind Teil der Probleme und der Lösungen. Wir müssen jetzt einfach handeln!
Im Verlauf der Coronavirus-Pandemie konnten wir beobachten, dass die Öffentlichkeit diese Eindämmungsmaßnahmen trotz ihrer Kosten und der mit den Ausgangssperren verbundenen Unannehmlichkeiten weitgehend positiv beurteilt. Die Menschheit lernt wieder, große Aufgaben zu bewältigen! Sehr wichtig ist, dass durch verantwortungsloses Verhalten angerichtete Schäden auf konkrete Personen bezogen werden kann. Wir müssen besser darin werden, der Gesellschaft Einfühlungsvermögen zu vermitteln – und das erreichen wir, wenn den Menschen klar wird, dass die wahrscheinlichen Opfer Personen sind, die ihnen wichtig sind und mit denen sie sich identifizieren können. Ein weiterer Aspekt ist, dass die Konzentration auf Ängste und Risiken dazu führt, dass Dinge aufgeschoben werden. Besser ist es, ein Bewusstsein für die Dringlichkeit zu entwickeln und Chancen für nachhaltige Veränderungen in unserem Leben zu nutzen.
Ziviler Gehorsam sollte mit Ideenreichtum und einer umfangreichen, vielschichtigen Wissensbasis einhergehen.
Sie sollten nicht vergessen, dass große Denker wie William Shakespeare und Isaac Newton einige ihrer besten Arbeiten in Quarantäne geschaffen haben, als die Pest wütete. Hoffen wir also, dass die Glücklichen, die derzeit von zu Hause aus arbeiten oder lernen, dem einige positive Aspekte abgewinnen können. Ziviler Gehorsam sollte mit Ideenreichtum und einer umfangreichen, vielschichtigen Wissensbasis einhergehen.
Die Pandemie wird, unabhängig von ihrer Dauer, sicherlich zu einigen tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen führen. Wahrscheinlich wird sie unsere Weltbilder in Frage stellen und uns dazu zwingen, unsere Prioritäten neu zu setzen, um weitere Krisen zu verhindern oder uns darauf vorzubereiten. Sie bietet uns auch eine immense Chance zu lernen. Unternehmen müssen kommunizieren, doch die Krise hat gezeigt, dass wir fähig sind, sinnvolle Lösungen zu finden und uns anzupassen. Diese Lernerfahrung wird die Art und Weise verändern, in der wir unsere Arbeit organisieren. Es bleibt abzuwarten, ob es Ländern mit Ausgangssperren gelingen wird, einige der nachhaltigen Vorgehensweisen beizubehalten, die überstürzt eingeführt wurden, um die Gefahr einer Ansteckung mit COVID-19 einzudämmen. Beispielsweise die Telearbeit von zu Hause aus.
Die Lieferketten weltweit agierender Unternehmen sind aufgrund von Produktionsstopps aus den Fugen geraten, was ihre inhärente Anfälligkeit verdeutlicht. Wir sollten nicht dem Populismus und der Fremdenfeindlichkeit verfallen. Wie der italienische Soziologe Ilvo Diamanti ganz richtig bemerkt hat: „Die Welt hat keine unüberwindbaren Grenzen mehr. Man müsste sich gegen die gesamte Welt verteidigen. Um nicht von anderen infiziert zu werden und zu sterben oder selbst zum Überträger des Virus zu werden, müssten wir einsam sterben. Das ist eine größere Gefahr als das Coronavirus selbst.“ Eine robuste Lieferkette sollte auf digitaler Vernetzung und gesundem Menschenverstand sowie Effizienz durch räumliche Nähe beruhen. Auch bei weltweiten Krisen sind Einfühlungsvermögen und unsere begrenzte Fähigkeit zur Zusammenarbeit das fehlende Bindeglied.
Auch bei weltweiten Krisen sind Einfühlungsvermögen und unsere begrenzte Fähigkeit zur Zusammenarbeit das fehlende Bindeglied.
Das Leben muss weitergehen. Wer noch nicht begriffen hat, dass sich die Welt im Laufe der letzten Wochen verändert hat, wird es künftig schwer haben. In diesem Sinne: Passen Sie gut auf sich auf und bleiben Sie gesund!
1 Victor Weis, Leiter des Heschel Center for Sustainability.
2 David Comerford – Programleiter, MSc Verhaltenswissenschaften, Universität Stirling: Coronavirus should give us hope that we are able to tackle the climate crisis.