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November 18, 2024

Investitionen: Hüten Sie sich vor Finanzgeschwätz

Nur weil Sie kein Experte sind, heißt das noch lange nicht, dass Sie nicht am Finanzmarkt anlegen sollten. Allerdings erschwert es der Finanzjargon manchmal, die für eine attraktive erscheinende Anlage notwendigen Informationen richtig zu verstehen. Auch sind viele komplexe Ausdrücke und Formulierungen letztendlich nichts als heiße Luft. Hier erfahren Sie, wie Sie auf derartiges Geschwätz nicht hereinfallen.

Das Wichtigste in Kürze

    • Nur weil ein Produkt komplex ist, bedeutet das noch lange nicht, dass man es nicht auf transparente und verständliche Weise präsentieren kann. Verwendet ein Finanzberater dennoch unnötig komplizierte Formulierungen, handelt es sich höchstwahrscheinlich um „Finanzgeschwätz“.
    • Ein Schwätzer ist gefährlicher als ein Lügner, da er oft genug über ein Thema weiß, um sich für einen Experten zu halten, aber nicht genug, um zu erkennen, dass er es nicht ist.
    • Ältere Frauen, die über ein geringeres Einkommen verfügen und kein übermäßiges Vertrauen in ihre Finanzkenntnisse haben, erkennen solche Charaktere besser als junge Männer, die über ein hohes Einkommen und zu hohes Selbstvertrauen verfügen.
    • Mit bestimmten Tricks können Sie sicherstellen, dass Sie auf derartigen Unsinn nicht hereinfallen.

Heutzutage wird man mit Informationen zu finanziellen Produkten aller Art regelrecht überhäuft. Informationen sind von wesentlicher Bedeutung für das Treffen finanzieller Entscheidungen, allerdings enthalten viele Aussagen weder hilfreiche Fakten noch verständliche Erläuterungen. Häufig handelt es sich dabei um lange Texte mit einer Flut von Kofferwörtern und Superlativen, die beeindrucken und Expertise suggerieren sollen. In diesem Fall haben Sie es höchstwahrscheinlich mit Finanzgeschwätz zu tun.

Angesichts dessen sollten sich Anleger, die auf der Suche nach konkreten Finanzinformationen sind, stets das folgende Zitat von Nicolas Boileau-Despréaux in Erinnerung rufen: „Was man gut begreift, lässt deutlich sich ausdrücken; gar schnell die rechten Worte in den Sinn dir rücken.“

Merkmale von Finanzgeschwätz

Sie möchten gerne am Finanzmarkt investieren. Dazu lesen Sie zahlreiche Verkaufsprospekte von Finanzprodukten und gehen Ihre Kontakte in den sozialen Netzwerken durch, um herauszufinden, ob jemand eine bestimmte Anlage empfehlen kann. Bei diesen Recherchen stoßen Sie unter Umständen auf „Informationen“ der folgenden Art:

„Unser hochmoderner Algorithmus, der auf modernster künstlicher Intelligenz basiert, nutzt in Echtzeit Arbitragemöglichkeiten in den globalen Devisenmärkten und erzielt dank eines dynamischen Risikomanagements außergewöhnliche Renditen.“

„Der Investmentfonds X wurde mit einem quantitativ-faktoriellen Ansatz konzipiert, der eine sorgfältige Auswahl von Wertpapieren mit Mehrziel-Optimierungsmodellen kombiniert, um das Kapitalwachstum zu maximieren und gleichzeitig die Volatilität zu minimieren.“

„Dieses hochentwickelte und innovative strukturierte Produkt bietet ein optimiertes Engagement in einem diversifizierten Korb von Basiswerten und maximiert gleichzeitig die risikobereinigten Renditen durch aktives Volatilitäts- und Korrelationsmanagement.“

Beeindruckend, nicht wahr? Aber bei genauerer Betrachtung stellt sich die Frage: Helfen Ihnen diese Beschreibungen wirklich dabei, die Produkte zu verstehen, die sie angeblich erläutern? Die Antwort lautet Nein. Dennoch sind solche komplexen Formulierungen in der Finanzwelt nicht ungewöhnlich.

Nur weil ein Produkt komplex ist, bedeutet das noch lange nicht, dass man es nicht auf transparente und verständliche Weise präsentieren kann.

Für manche liegt dies darin begründet, dass das Finanzwesen technisch anspruchsvoll ist. Der Fachjargon sei entsprechend notwendig, um komplexen Realitäten gerecht zu werden, die eine Fülle von technischen Interaktionen umfassen. Diese Realitäten müssen jedoch nicht zwingend unverständlich und abstrakt dargestellt werden. Wenn man zu sehr auf Komplexität setzt, schafft man einen Nährboden für Missverständnisse, die die Entscheidungsfindung eher erschweren als vereinfachen. Konkret heißt dies: Nur weil ein Produkt komplex ist, bedeutet das noch lange nicht, dass man es nicht auf transparente und verständliche Weise präsentieren kann. Seien Sie bei übermäßig komplizierten Formulierungen auf der Hut, denn in solchen Fällen haben Sie es höchstwahrscheinlich mit Finanzgeschwätz zu tun.

Schwätzer sind schlimmer als Lügner

Für derartiges Geschwätz gibt es einen treffenden, wenn auch etwas derben Begriff im Englischen: Bullshit. Bullshit hat als Begriff und Konzept seit der Veröffentlichung des Buches „On Bullshit“ von Harry Frankfurt, einem Philosophieprofessor aus Princeton, im Jahr 2005 an Bekanntheit gewonnen. Laut seiner Definition könnte man den Begriff „Bullshit“ mit „Geschwätz” übersetzen, aber nicht mit „Lüge“. Diese Unterscheidung ist wichtig, denn der Autor ist der Meinung, dass das Geschwätz ein größerer Feind der Wahrheit ist als die Lüge.

Im Gegensatz zum Lügner, der sich seiner Täuschung bewusst ist, kümmert sich der Schwätzer nicht darum, was wahr oder falsch ist. Er hat eine klare Meinung zu einer Vielzahl von Themen, die er nicht wirklich versteht, und ist davon überzeugt, dass er sich auch unbedingt lang und breit über diese Themen auslassen muss. Man könnte durchaus sagen, dass der Schwätzer gefährlich ist, da er oft genug über ein Thema weiß, um sich für einen Experten zu halten, aber nicht genug, um zu erkennen, dass er es nicht ist. Daher scheut er sich nicht, seine Meinung voller Überzeugung in sozialen Netzwerken zu teilen, wo sich Informationen sofort weiter verbreiten.

Der Schwätzer ist gefährlich, da er oft genug über ein Thema weiß, um sich für einen Experten zu halten, aber nicht genug, um zu erkennen, dass er es nicht ist.

Das Geschwätz im Internet stammt jedoch nicht nur von Menschen – auch Chatbots produzieren viel Bullshit. Das zeigt der wachsende Erfolg von Maschinen wie ChatGPT, die wahre Meister darin sind, die Fragen der menschlichen User mit leerem Jargon zu beantworten. Ihre Antworten sind sehr ausgefeilt formuliert, auch wenn sie keine sachlichen Informationen zu einem Thema zu bieten haben. Der Beweis? Die Bullshit-Phrasen am Anfang dieses Artikels wurden vollständig von ChatGPT verfasst. Dazu baten wir die Maschine zunächst um eine klare Definition von „Finanz-Bullshit“, und beauftragten sie anschließend damit, fiktive Beschreibungen von Finanzprodukten auf der Grundlage des von ihr definierten „Finanz-Bullshits“ zu erstellen. Unglaublich, nicht wahr?

Als wir dann die Maschine nach ihrer Vorgehensweise fragten, antwortete sie, sie habe sozusagen das „Beste vom Schlimmsten“ des Finanzgeschwätzes geschaffen, indem sie Begriffe, die häufig mit übermäßiger Komplexität und Undurchsichtigkeit in Verbindung gebracht werden, zur Beschreibung von Finanzprodukten kombiniert habe.

Wer fällt am ehesten auf Finanzgeschwätz herein?

Im Jahr 2022 veröffentlichten schwedische Forscher den Artikel „Individual Differences in Susceptibility to Financial Bullshit“, der sich mit der Frage befasst, welche Personengruppen am ehesten auf Finanzgeschwätz hereinfallen. Im Rahmen der dafür durchgeführten Studie befragten sie mehr als 1.000 Erwachsene in den USA. Jeder Teilnehmer wurde zu seinem finanziellen Vermögen, seinem Finanzwissen, seinem Wohlbefinden und seinem Verhalten befragt. Dann wurde das tatsächliche Wissen der Teilnehmer getestet, indem ihnen mehrere Aussagen präsentiert wurden, die Finanzbegriffe enthielten. Einige dieser Aussagen waren zutreffend (z.B. „Wenn Sie eine Anleihe kaufen, leihen Sie einem Unternehmen oder einem Staat Geld“), andere hingegen völlig abwegig (z.B. „Absicherung bedeutet, dass man sein Geld in eine einzige Aktie investiert“).

Welche Gruppe war Ihrer Meinung nach am ehesten in der Lage, das Finanzgeschwätz zu erkennen? Die Antwort mag Sie überraschen: Es handelte sich dabei um ältere Frauen, die über ein geringes Einkommen verfügen und kein übermäßiges Vertrauen in ihre Finanzkenntnisse haben. Im Gegensatz dazu waren es in erster Linie junge Männer mit hohem Einkommen und zu hohem Vertrauen in ihr Wissen, die auf Falschaussagen hereinfielen. Interessant ist auch, dass das Bildungsniveau bei der Erkennung von Bullshit keinen Unterschied zu machen scheint.

Das Bildungsniveau scheint bei der Erkennung von Finanzgeschwätz keinen Unterschied zu machen.

Die Analyse ergab Folgendes: Je höher das Einkommen, desto höher die Anfälligkeit gegenüber Finanzgeschwätz, weil die Anleger weniger aufmerksam sind und eher auf hochtrabende leere Worte hereinfallen. Interessant ist auch, dass sich die Personen, die Bullshit besser erkennen können, auf finanzieller Ebene unsicherer fühlen. Umgekehrt sind Personen, die leichter darauf hereinfallen, in Sachen Finanzen sehr selbstsicher. Dieses Phänomen wird von den Autoren als „selige Unwissenheit“ beschrieben.

Kurz gesagt: Nur weil Sie über Finanzkenntnisse verfügen oder sich in der Finanzwelt bewegen, sind Sie nicht grundsätzlich vor den potenziellen Auswirkungen von Finanzgeschwätz geschützt. Es kann sogar sein, dass Sie aufgrund Ihres übermäßigen Selbstvertrauens im Finanzbereich nicht genug Vorsicht walten lassen, wenn Ihnen einer Ihrer üblichen Kontakte eine Anlage empfiehlt. Glücklicherweise gibt es ein paar einfache Methoden, um Finanzgeschwätz schnell zu erkennen und sich nicht blenden zu lassen.

Sechs Tipps, um nicht auf Finanzgeschwätz hereinzufallen

    • Überprüfen Sie die Fakten und Zahlen. Sie sollten stets die Fakten und Zahlen überprüfen, auf die sich eine finanzbezogene Aussage stützt. Wenn Aussagen auf konkreten Daten und nachprüfbaren Elementen beruhen, kann man davon ausgehen, dass sie tatsächlich zutreffen. Wenn Sie sich die von ChatGPT produzierten Sätze am Anfang dieses Artikels noch einmal anschauen, werden Sie feststellen, dass sie nichts Konkretes oder Nachprüfbares enthalten. Zum Beispiel: „Dieses hochentwickelte und innovative strukturierte Produkt bietet ein optimiertes Engagement in einem diversifizierten Korb von Basiswerten und maximiert gleichzeitig die risikobereinigten Renditen durch aktives Volatilitäts- und Korrelationsmanagement.“ Stellen Sie sich ein Gespräch mit einem Finanzberater vor: Mit welchen Fragen könnten Sie ihn dazu bringen, Ihnen konkrete Informationen und Zahlen an die Hand zu geben? Wenn seine Behauptungen wahr sind, wird er sie auch mit Fakten untermauern können.
    • Identifizieren Sie die Informationsquellen. Wer stellt die Informationen bereit, welchen Ruf hat die Person und wie ist ihr Werdegang? Vertrauen Sie eher auf etablierte und anerkannte Experten als auf die hochtrabenden Worte eines Unbekannten in den sozialen Netzwerken.
    • Hüten Sie sich vor übertriebenen Versprechungen. Außergewöhnliche Renditen? Unfehlbare Strategien? Großartige Anlagemöglichkeiten? Hüten Sie sich vor solchen Versprechungen. Jede Anlage ist mit Risiken verbunden und allgemein gilt: Je höher die Rendite, desto höher das Risiko.
    • Bitten Sie um einfache Erklärungen. Wenn Ihr Gegenüber sich komplexer und schwer verständlicher Finanzbegriffe bedient, verlangen Sie eine Umformulierung in klaren und einfachen Worten. Sie sollten skeptisch sein, wenn sich etwas nicht einfach erklären lässt, denn dann handelt es sich höchstwahrscheinlich nur um heiße Luft.
    • Lassen Sie sich von anerkannten Experten beraten. Es gibt viele gute Gründe, warum Sie sich bei Ihren Anlagen von Experten beraten lassen sollten. So können Sie sicherstellen, dass Sie nicht auf leeres Finanzgeschwätz hereinfallen.
    • Treffen Sie keine übereilten Entscheidungen. Bevor Sie eine Anlageentscheidung treffen, sollten Sie sicherstellen, dass Sie die Ihnen bereitgestellten Finanzinformationen auch richtig verstehen. Hüten Sie sich vor aggressiven Verkaufstaktiken und zeitlich begrenzten Angeboten.

Fazit: Wenn es um finanzielle Aussagen geht, sind ein kühler Kopf und eine gesunde Skepsis von entscheidender Bedeutung. Ignorieren Sie oberflächliches Geschwätz und lassen Sie sich nicht von Fachjargon verwirren, sondern suchen Sie nach verständlichen, verlässlichen und überprüfbaren Informationen, um fundierte Finanzentscheidungen treffen zu können.