Kunst um der Kunst willen
Der Kunstmarkt hat zurecht den Ruf, ein Spielplatz für leidenschaftliche Anleger zu sein: Kunst ist nicht selten teuer, häufig illiquide und stets unberechenbar. Dennoch ist dieser Bereich durchaus attraktiv für Menschen auf der Suche nach etwas Inspirierendem, das zugleich über Wertsteigerungspotenzial verfügt.
Der Kunstmarkt ist riesig. 2022 lag der Umsatz weltweit bei 67,8 Milliarden US-Dollar, dem zweithöchsten jährlichen Wert aller Zeiten. Dies geht aus einem Bericht hervor, den Dr. Clare McAndrew, Gründerin des Forschungs- und Beratungsunternehmens Arts Economics, für die internationale Kunstmesse Art Basel erstellt hat.
Allerdings wurde der Kunstmarkt durch die Corona-Pandemie in Mitleidenschaft gezogen: 2020 fiel der Umsatz um mehr als 20% auf rund 50 Milliarden US-Dollar, da infolge der Einschränkungen Galerien geschlossen blieben und die Verkäufe aus Auktionen und Ausstellungen zurückgingen. Am stärksten betroffen waren die Verkäufe aus Auktionen: Diese sanken 2019 um 30% auf 17,6 Milliarden US-Dollar. Dieser Rückgang wurde zum Teil durch den wachsenden Online-Markt wettgemacht.
2021 erholte sich der Markt wieder; etwa die Hälfte der Händler meldete einen Umsatzanstieg. McAndrew erklärt jedoch, dass die Kunstverkäufe, ebenso wie der Umsatz in anderen Branchen, durch politische und wirtschaftliche Instabilität, den Ausbruch des Krieges in der Ukraine, steigende Inflation und Zinsen, Probleme in den Lieferketten und Rezessionsängste in den wichtigsten Märkten sowie eine Reihe strenger Lockdowns in China bis Ende 2022 beeinträchtigt wurden.
Die USA blieben mit einem Anteil von 45% am weltweiten Umsatz im Jahr 2022 weiterhin der größte Markt. Nach einem Rückgang um 25% im Jahr 2020 stieg der Umsatz in den USA wieder um 8% auf einen Rekordwert von 30,2 Milliarden US-Dollar, was auf ein deutliches Wachstum im High-End-Bereich des Auktionsmarktes und einen moderateren Anstieg der Händlerverkäufe zurückzuführen war.
Im Jahr 2022 überholte Großbritannien mit 18% des weltweiten Umsatzes China (17%) als zweitgrößten Markt der Welt. Der Umsatz in Großbritannien stieg um 5% auf 11,9 Milliarden US-Dollar und lag damit immer noch unter dem vor der Pandemie verzeichneten Niveau von 12,2 Milliarden US-Dollar. In China ging der Umsatz um 14% auf 11,2 Milliarden US-Dollar zurück. Das war das schlechteste Ergebnis seit 2009, wenn man das Jahr 2020 außen vor lässt.
Laien aufgepasst!
Die Wirtschaft des Kunstmarktes ist komplex. Abgesehen von den Kosten für Farbe und Leinwand bzw. für das in einer Skulptur oder Installation verwendete Material hat Kunst keinen inneren Wert. Es ist alles eine Frage des Geschmacks. Dadurch ist es für unerfahrene Käufer äußerst schwer, sich zurechtzufinden. Geschmack und Wert werden oft von einflussreichen Galerien vorgegeben. Entsprechend müssen Käufer, die Geld verdienen wollen, über die dominierenden Trends auf dem breiteren Markt im Bilde sein.
Den nächsten Andy Warhol vor allen anderen aufzuspüren, ist schwer – wenn nicht sogar unmöglich.
Aus diesem Grund stellen Kunstanlagen für vermögende Laien allenfalls ein Hobby dar. Zwar ist ein Trend hin zu Online-Verkäufen zu beobachten, und einige digitale Plattformen haben es zu beachtlichem Erfolg gebracht. Vielversprechende Künstler werden jedoch häufig früh von erfahrenen Agenten entdeckt, die ihre Karriere sorgfältig kuratieren. Den nächsten Andy Warhol vor allen anderen aufzuspüren, ist schwer – wenn nicht sogar unmöglich.
Zudem sind die im Vorfeld anfallenden Kosten für Anlagen in Kunst hoch. Anleger müssen mit erheblichen Anfangsinvestitionen, Händlerprovisionen und Unterhaltskosten – etwa für Reinigung und insbesondere Versicherung – rechnen. Der Wiederverkaufsmarkt ist unvorhersehbar: Für einen angesagten Künstler kann es viele Käufer geben, doch Geschmack und Regeln, beispielsweise die Begeisterung für afrikanische Kunst, ändern sich schnell. Anleger können sich nie sicher sein, dass es bei einem bestimmten Preis für ein Kunstwerk bleibt.
Um jeden Preis
Diese Besonderheiten schrecken jedoch längst nicht jeden ab. Es ist durchaus möglich, beachtliche Gewinne zu erzielen. 2017 wurde Leonardo da Vincis „Salvator Mundi“ im New Yorker Auktionshaus Christie‘s für 450 Millionen US-Dollar versteigert. Gerade einmal zwölf Jahre zuvor, zu einer Zeit, da die Authentizität des Werkes umstritten war, hatte es für gerade einmal 10.000 US-Dollar den Besitzer gewechselt. Vermögende Käufer mit tiefen Taschen sind häufig mehr als bestrebt, eine solche Trophäe zu ergattern – und das um jeden Preis.
Am unteren Ende des Marktes erwerben viele Käufer Kunst allerdings weniger aus dem Streben nach Gewinn heraus denn aus Freude am Werk. Oftmals ist die Gewinnerzielung ein glücklicher Zufall und nicht der Hauptzweck des Kunsterwerbs.
Es gibt viele Möglichkeiten, Kunstwerke zu erwerben. Die meisten Menschen schauen sich zunächst in Galerien und auf Kunstmessen um. Auktionen hingegen sind eher etwas für ernsthaftere, erfahrenere Käufer. Der Kunstbereich bietet sich nicht für Spontankäufe an. Es ist ratsam, sich im Vorfeld zu informieren.
Wer darüber nachdenkt, einen armen Künstler zu unterstützen, sei daran erinnert, dass die Hälfte des Kaufpreises der Galerie zusteht.
Auf Webseiten wie Artnet, wo Versteigerungen bis ins Jahr 1985 einsehbar sind, lassen sich die bisherigen Verkäufe eines Künstlers recherchieren. Die von den Galerien geforderten Preise sind nicht in Stein gemeißelt. Interessenten sollten keine Angst haben, zu verhandeln. Übrigens: Wer darüber nachdenkt, einen armen Künstler zu unterstützen, sei daran erinnert, dass die Hälfte des Kaufpreises der Galerie zusteht.
Beratung lohnt sich
Wenn Sie vorhaben, sich an Auktionen heranzuwagen, sollten Sie sich an einen Kunstberater wenden. Dieser unterstützt Sie gegen Gebühr beim Kunsterwerb. Auktionen können verwirrend und einschüchternd sein. Es ist daher empfehlenswert, zunächst ein paar dieser Veranstaltungen zu besuchen, bevor man finanzielle Verpflichtungen eingeht oder jemand anderen damit betraut. Viele Kunstberater rechtfertigen ihr Honorar damit, dass sie Ermäßigungen aushandeln können. Sie schlagen oft vor, sich unter den erschwinglicheren Werken bekannter Künstler umzusehen. Häufig produzieren diese limitierte Auflagen zu einem geringeren Preis.
Es besteht ein wachsendes Online-Angebot, was es Anlegern ermöglicht, sich in einem zwangloseren Rahmen auszuprobieren. Die führenden Anbieter von Online-Auktionen sind Christie’s, Sotheby’s, Bonhams, Heritage Auctions und Phillips de Pury – Sie sollten jedoch nur mitbieten, wenn Sie dem Verkäufer vertrauen.
Der Online-Umsatz sank 2022 laut dem Bericht der Art Basel von dem Höchstwert von 13,3 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021 auf 11 Milliarden US-Dollar und war damit immer noch um 85% höher als im Jahr 2019. Die reinen Online-Verkäufe machten 16% des Umsatzes auf dem Kunstmarkt aus, was einem Rückgang um 4 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr entspricht. Eine andere Möglichkeit für Sammler sind Künstlerateliers und Studentenausstellungen. Wer auf Gewinne hofft, braucht ein gutes Auge. Häufig sind in diesem Umfeld erfahrene Talentscouts unterwegs, gegen die man ankommen muss. Dennoch kann dies ein Weg sein, ansprechende Kunstwerke zu einem vernünftigen Preis zu erwerben.
Über Fonds investieren
Es gibt spezielle Kunst-Fonds für den Erwerb erstklassiger Werke auf Auktionen. Viele davon richten sich an Anleger in China, doch Instrumente wie MasterWorks, die den Erwerb von Anteilen an Kunstwerken ermöglichen, stehen Anlegern auf der ganzen Welt offen. Kunstindizes wie die „Sotheby’s Mei Moses Indices“ etwa tragen Auktionspreise zusammen. Der Markt ist jedoch so facettenreich, dass sie im Hinblick auf die Aussichten für einzelne Künstler wenig aussagekräftig sind. Für börsengehandelte Fonds (ETFs) ist der Kunstmarkt zu illiquide.
Es gibt auch spezifischere Optionen. So nutzt der private Investmentfonds Artemundi Global Fund das Prinzip der Rotation, um Anlegern den Zugang zu Kunstwerken zu ermöglichen. Sie können sich mal das Werk eines alten Meisters, mal das eines aufstrebenden Sterns an die Wand hängen. Dies ermöglicht es Käufern, den eigenen Geschmack zu erforschen und zu verfeinern sowie sich mit bestimmten Märkten vertraut zu machen.
Saatchi Art mit Sitz in Santa Monica, Kalifornien, wiederum bietet kuratierte Selektionen vielversprechender Künstler, die von hauseigenen Experten ausgewählt werden. Die Preise bewegen sich in der Regel zwischen 1.000 und 6.000 US-Dollar. Anleger werden hier keine geheimen Schätze ausgraben, doch auf diese Weise können sie den Trends der Experten zu relativ moderaten Kosten folgen.
Mit Kunst lässt sich unter Umständen viel Geld verdienen. In aller Regel ist dies jedoch nicht der Grund, der Menschen zu einem Engagement auf diesem Markt bewegt. Was die Anlageaussichten angeht, ist er unvorhersehbar. Die meisten Sammler sind gut beraten, etwas zu kaufen, das ihnen gut gefällt, und darauf zu hoffen, dass es anderen genauso geht.
Am unteren Ende des Marktes erwerben viele Käufer Kunst allerdings weniger aus dem Streben nach Gewinn heraus denn aus Freude am Werk. Die Gewinnerzielung ist oft ein glücklicher Zufall und nicht die Hauptmotivation.