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November 24, 2024

Liquiditätsmanagement in Krisenzeiten

In Krisenzeiten über genügend liquide Mittel zu verfügen, ist essenziell, um mit seinem Unternehmen am Markt zu bestehen. Wie kann man dies sicherstellen? Daniel Haag, Global Head of Corporates der BIL, gibt Tipps für eine Verbesserung des Liquiditätsmanagements und den Schutz des eigenen Unternehmens in diesen schwierigen und unsicheren Zeiten.

Was sind liquide Mittel und warum sind sie wichtig?

Bei den liquiden Mitteln eines Unternehmens handelt es sich um Zahlungsmittel, die unmittelbar zur Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen zur Verfügung stehen. Beim Liquiditätsmanagement stützt sich der Geschäftsführer eines Unternehmens vor allem auf die Kapitalflussrechnung, die alle ein- und ausgehenden Zahlungsströme in einer bestimmten Abrechnungsperiode erfasst. Bei diesem Finanzdokument handelt es sich um eine übersichtliche und detaillierte Auflistung der Zahlungsströme und der verfügbaren liquiden Mittel. Deshalb hat es für Banken einen besonders hohen Stellenwert.

Seit einigen Jahren bewegen sich Unternehmen und Banken in einem Negativzinsumfeld. Unternehmen haben somit einen Anreiz, ihre liquiden Mittel zu minimieren, da ab einem gewissen Betrag auf Einlagen Negativzinsen erhoben werden. Es gilt, die richtige Balance zu finden. Liquide Mittel stellen ein Sicherheitspolster dar, das es Unternehmen ermöglicht, außergewöhnliche Ereignisse wie die aktuelle Coronakrise abzufedern. Bei einem Rückgang oder einer vorübergehenden vollständigen Einstellung der Geschäftstätigkeit können die liquiden Mittel genutzt werden, um anfallende Kosten zu decken und zu vermeiden, dass Geschäftsführer und Manager schwierige Entscheidungen treffen müssen.

Gibt es Möglichkeiten, sich auf Krisen vorzubereiten und die Liquidität zu optimieren?

Einige Probleme lassen sich vermeiden, wenn man bestimmte Instrumente einsetzt und einige Dinge beachtet. Mittlere und große Unternehmen erstellen in der Regel prospektive Kapitalflussrechnungen, um eine genaue Vorstellung von ihrer zukünftigen Liquiditätssituation zu erhalten. Dadurch können sie Prognosen für mehrere Tage, Wochen, Monate oder Jahre stellen. Mit diesem Instrument sind sie auch in der Lage, mögliche Liquiditätsprobleme zu erkennen, wenn die erwarteten Zahlungseingänge niedriger sind als die Zahlungsausgänge, z. B. weil Verträge auslaufen oder Lieferanten bezahlt werden müssen. Die Fähigkeit, Liquiditätsprobleme frühzeitig zu erkennen, ist wichtig, um rechtzeitig Anpassungen am Geschäftsmodell vornehmen zu können und gemeinsam mit dem Bankpartner nach Lösungen zu suchen. Für Banken ist die Kapitalflussrechnung zudem ein wichtiges Kriterium bei der Entscheidung über eine Kreditvergabe, wobei sie verschiedene Szenarien („Worst Case“ und „Best Case“) betrachten. Ohne ein genaues Bild von der Finanzlage ist es nicht möglich, gute Entscheidungen zu treffen.

Auch durch die Wahl der richtigen rechtlichen Struktur können Unternehmer ihr Vermögen schützen. Wenn Privatvermögen und Firmenvermögen nicht getrennt sind, droht Unternehmern im schlimmsten Fall die Privatinsolvenz. Diese Trennung ist daher wichtig.

Die Krise ist auch eine Gelegenheit für Unternehmen, ihr Geschäftsmodell zu überprüfen und zu optimieren.

Die Krise ist auch eine Gelegenheit für Unternehmen, ihr Geschäftsmodell zu überprüfen und zu optimieren. Einige Unternehmen waren in der Lage, sich schnell anzupassen. Ein Beispiel hierfür sind Restaurants, die Essenslieferungen in ihr Angebot aufgenommen haben, auch wenn dies zuvor nicht für sie infrage kam. In Krisensituationen muss man flexibel sein und sich bemühen, Lösungen zu finden. Schließlich geht es darum, das Überleben des Unternehmens zu sichern. Man muss dann möglicherweise vorübergehend größere Anstrengungen unternehmen, auch wenn der Gewinn geringer ausfällt. Dabei kann es interessant sein, sich Beispiele von Unternehmen mit einem guten Management anzuschauen.

Ich stecke in finanziellen Schwierigkeiten und habe Zahlungsverpflichtungen gegenüber Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten. Was kann ich tun?

Sie sollten sich zunächst die Kapitalflussrechnung Ihres Unternehmens anschauen – mit einem klaren Ziel: Begrenzung der Ausgaben und Erhöhung der liquiden Mittel. Mit Lieferanten, zu denen Sie ein gutes Verhältnis haben, können Sie möglicherweise eine Verlängerung des Zahlungsziels von beispielsweise 30 Tagen auf zwei Monate oder mehr vereinbaren. Versuchen Sie auch, die Zahlungsfristen Ihrer Kunden zu verringern. Zudem ist es möglich, den Vermieter um eine Reduzierung oder Aussetzung der Miete zu bitten. Sie können auch die Lohnkosten senken, indem Sie beispielsweise auf Kurzarbeit zurückgreifen. Als Geschäftsinhaber können Sie dies in Eigenregie oder mit Unterstützung im Rahmen von Programmen wie Fit 4 Resilience tun, die speziell für Zeiten wie diese eingerichtet wurden.

Was sind die Hauptrisiken eines schlechten Liquiditätsmanagements oder mangelnder Voraussicht?

Da gibt es zunächst die finanziellen Risiken. Man kann nicht oft genug betonen, dass man sich im Falle von Schwierigkeiten an seine Bank wenden sollte. Um sich finanziell Luft zu schaffen, halten sich Unternehmen manchmal nicht an Klauseln der Verträge mit ihrer Bank. Auch wenn dies in guter Absicht erfolgt, ist ein solches Verhalten nicht zu empfehlen. Die Bank kann die sofortige Rückzahlung des Kredits verlangen, was die Situation nur verschlimmern würde. Man sollte daher sofort einen Termin mit seinem Kundenbetreuer vereinbaren, um eine Lösung zu finden.

Zu erkennen und darauf hinzuweisen, wenn etwas schiefläuft, ist wichtig und kein Zeichen von Schwäche.

Außerdem gibt es psychologische Risiken. Die Situation schlägt allen auf die Stimmung, besonders wenn sie so lange anhält, wie die aktuelle Coronakrise. Zu erkennen und darauf hinzuweisen, wenn etwas schiefläuft, ist wichtig und kein Zeichen von Schwäche. Im Gegenteil: Schwierigkeiten für sich zu behalten, kann zu ernsthaften Schäden führen und verhindern, dass man mit den richtigen Leuten spricht und eine Lösung findet.

Wie kann mich meine Bank unterstützen?

Um dem Unternehmen zu helfen, seine Liquiditätssituation zu verbessern, kann die Bank einen rationalen Ansatz verfolgen, muss aber auch kreativ sein. Der Kundenbetreuer wird gemeinsam mit dem Unternehmer nach einer Lösung suchen. Es ist eine echte Partnerschaft.

Am besten ist es, sich so früh wie möglich an die Bank zu wenden, die Probleme offen zu besprechen und sich gemeinsam um Lösungen zu bemühen. Der Kundenbetreuer wird sich vergewissern, dass im Vorfeld eine Kapitalflussrechnung erstellt wurde und alle erforderlichen Maßnahmen vom Unternehmen ergriffen wurden. Er hilft dem Unternehmer anschließend bei der Suche nach den infrage kommenden Beihilfen und der richtigen Finanzierung. Um Finanzhilfen in Anspruch nehmen zu können, muss das Unternehmen nachweisen, dass seine Situation auf die Pandemie zurückzuführen ist. Unternehmen, die bereits vor der Krise in Schwierigkeiten waren oder schlecht geführt wurden, erhalten keine Beihilfen.

Welche Finanzierungen und Beihilfen kommen infrage?

In Luxemburg wurden verschiedene Regelungen zur Unterstützung von Unternehmen beschlossen. Diese Beihilfen können sich je nach Art des Unternehmens unterscheiden. Um die am besten geeignete Finanzierung zu finden, sollte man einen Termin mit seinem Bankberater vereinbaren.

Bei einer Krise wie der, die wir gerade erleben, können Unternehmen schnell in finanzielle Schieflage geraten. Es ist kaum möglich, eine solche Situation vorherzusehen. Deshalb ist es umso wichtiger, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen und einen offenen Dialog mit seinem Bankberater zu führen, um gar nicht erst in existenzbedrohende Schwierigkeiten zu kommen.