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Mai 2, 2024

Netto-Null und der Bankensektor

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Zur Erreichung der Klimaziele wird sich die Welt viel mehr anstrengen müssen – so die ernüchternde Bilanz eines kürzlich erschienenen Berichts des Sekretariats des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen. Demzufolge reichen die nationalen Klimaschutzpläne nicht aus, um die Erderwärmung, wie im Übereinkommen von Paris von 2015 vorgesehen, auf 1,5°C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Der Bankensektor spielt eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, Unternehmen und Privatpersonen dabei zu unterstützen, die – zumeist bis 2050 anvisierten – Ziele für Netto-Null-Treibhausgasemissionen zu erreichen.

Simon Stiell, Exekutivsekretär des UN-Klimasekretariats, sagt: „Die Regierungen insgesamt unternehmen nur kleine Schritte, um die Klimakrise abzuwenden. [Sie] müssen sich nicht nur auf stärkere Klimaschutzmaßnahmen einigen, sondern allmählich auch zeigen, wie diese umgesetzt werden.“

Viele Regierungen sind zunehmend besorgt darüber, was die Netto-Null-Ziele ihren Bürgern abfordern. Stiell plädiert hingegen für eine andere Sichtweise: „Es ist an der Zeit, die erheblichen Vorteile einer mutigeren Klimapolitik aufzuzeigen: mehr Arbeitsplätze, höhere Gehälter, Wirtschaftswachstum, Gelegenheiten und Stabilität, weniger Umweltverschmutzung und ein gesünderes Leben.” Das Potenzial ist erheblich, aber die Unternehmen müssen Anreize erhalten, um konkrete Maßnahmen zu ergreifen.

Es ist an der Zeit, die erheblichen Vorteile einer mutigeren Klimapolitik aufzuzeigen.

An gutem Willen mangelt es zwar für gewöhnlich nicht – 140 Länder haben ein Netto-Null-Ziel, das 88% der weltweiten Emissionen betrifft –, jedoch hakt es an der Umsetzung. Den Vereinten Nationen zufolge haben sich mehr als 9.000 Unternehmen, 1.000 Städte, 1.000 Bildungseinrichtungen und 600 Finanzinstitute der globalen Kampagne „Race to Zero“ angeschlossen, die führende Partnerinitiativen zusammenbringt und um Unterstützung für die Zusage von Sofortmaßnahmen wirbt, um die weltweiten Emissionen bis 2030 zu halbieren. Luxemburg ist durch die EU zu Netto-Null-Zielen verpflichtet.

Die Rolle der Banken

Banken befinden sich in einer einzigartigen Position. Einerseits müssen sie an ihrem eigenen CO2-Fußabdruck arbeiten und sicherstellen, dass sie natürliche Ressourcen im Arbeitsalltag umsichtig nutzen (und im Rahmen ihrer allgemeineren Nachhaltigkeitsverpflichtungen Verantwortung für die faire Behandlung ihrer Mitarbeiter übernehmen). Andererseits können sie durch ihre Finanzierungs- und Investitionspolitik einen starken Einfluss ausüben, denn Finanzierungen und Investitionen sind die größten Emissionsquellen für Banken und gleichzeitig die Bereiche, in denen sie die größten Veränderungen bewirken können.

Zudem geht es um das Risikomanagement. Das regulatorische Umfeld entwickelt sich ständig weiter, und Unternehmen, die nicht an ihren Ökobilanzen arbeiten – zumindest in Bezug auf die Transparenz ihrer Auswirkungen – könnten in Zukunft mit Geldbußen und anderen Sanktionen konfrontiert werden. Weltweit werden zunehmend CO2-Steuern eingeführt, sodass von den Unternehmen eine auf ihren Emissionen basierende Abgabe zu entrichten ist. Auch die Reputation spielt eine Rolle, denn immer mehr Aktionäre erwarten heute, dass Unternehmen ihre Umweltrisiken effizient managen, während Mitarbeitende und Kunden möglicherweise Konzerne bevorzugen, die bei der Verringerung ihrer Emissionen nachweisbare Fortschritte machen.

Die EU-Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen wird auf schätzungsweise 50.000 Unternehmen ausgeweitet, die umweltbezogene Informationen offenlegen müssen. Des Weiteren werden ab 2025 detailliertere Angaben erforderlich und die diesbezüglichen Vorschriften bis 2029 kontinuierlich verschärft. Für den Bankensektor und andere Akteure der Finanzindustrie ist dies eine entscheidende Entwicklung, die ihnen die Messung der Emissionsauswirkungen ihrer Finanzierungs- und Investitionsentscheidungen erleichtern wird.

Das emissionsbezogene Berichtswesen ist durch internationale Standards geregelt. Das Treibhausgasprotokoll, das vom World Resources Institute und dem World Business Council for Sustainable Development eingeführt wurde, sieht drei Kategorien von Treibhausgasemissionen vor:

    • Scope 1: Emissionen, die durch die Geschäftstätigkeiten eines Unternehmens selbst entstehen
    • Scope 2: indirekte Emissionen aus eingekaufter Energie
    • Scope 3: Emissionen innerhalb der Wertschöpfungskette, z.B. die von Zulieferern und durch die Nutzung von Produkten und Dienstleistungen durch die Kunden entstandenen Emissionen

Für Banken sind Scope-3-Emissionen – also die Emissionen von Unternehmen, denen sie Kredite gewähren und deren Investitionen sie erleichtern – von größter Bedeutung.

Wenn Finanzierer eine Zusammenarbeit mit Unternehmen ablehnen und ihnen somit das Kapital vorenthalten, das sie für eine Änderung ihres Geschäftsmodells benötigen würden, fehlen diesen Unternehmen möglicherweise sowohl der Anreiz als auch die Mittel für diese Umstellung.

Den Wandel begrüßen

Die einfachste Option für Banken bestünde darin, emissionsintensiven Unternehmen keine Kredite zu gewähren, doch dies bringt die Klimaschutzziele in Gefahr. Wenn die Finanzgeber eine Zusammenarbeit mit Unternehmen ablehnen und ihnen somit das Kapital vorenthalten, das sie für eine Änderung ihres Geschäftsmodells benötigen würden, fehlen diesen Unternehmen möglicherweise sowohl der Anreiz als auch die Mittel für diese Umstellung. Emissionsintensive Unternehmen könnten stattdessen nach anderen Finanzierungsanbietern suchen, die Nachhaltigkeitszielen eine geringere Bedeutung beimessen.

Alessandra Simonelli, Head of Sustainable Development bei der Banque Internationale à Luxembourg, sagt: „Einige Institute schließen Unternehmen aus emissionsintensiven Sektoren von der Kreditvergabe aus, doch das löst das Problem nicht. Es trägt nicht zur Verringerung der Gesamtemissionen bei. Viele Unternehmen sind auf Investitionen angewiesen, um den erforderlichen Wandel zu vollziehen. Die Automobilindustrie stellt beispielsweise von Autos mit Verbrennungsmotor auf Elektrofahrzeuge um. Alle Unternehmen müssen investieren, um ihre Geschäftsmodelle zu ändern und den allgemeinen Übergang zu fördern.

Dabei ist es unsere Aufgabe, herauszufinden, wie wir sie bei ihrer Umstellung unterstützen, sie fordern und vergleichen können. Unsere Aufgabe wird darin bestehen, die ESG-Leistung und die Pläne für den Übergang zu bewerten. Wenn wir feststellen, dass sie ihre Versprechen nicht halten, könnten wir unsere Haltung bezüglich einer künftigen Unterstützung überdenken.“

Alessandra Simonelli weist außerdem darauf hin, dass die Bank bei jeder Unternehmensfinanzierung das Volumen der mit der Finanzierung verbundenen Treibhausgasemissionen erfasst und für die Berechnung der eigenen Emissionen der BIL verwendet.

Die Situation ist nicht perfekt. Die Berichterstattung vieler Unternehmen ist lückenhaft und zumindest in den nächsten Jahren sind sie gesetzlich nicht zu einer vollumfänglichen Offenlegung verpflichtet. Selbst in Europa, wo die Gesetzgebung zur Klimatransparenz am weitesten fortgeschritten ist, werden konkrete jährliche Fortschritte nur schwer erkennbar sein, bis die Anforderungen an die Berichterstattung genauer festgelegt wurden. Einige Unternehmen agieren jedoch als Vorreiter, indem sie sich freiwilligen Initiativen anschließen. Außerdem sind Brancheninitiativen wie die Net Zero Banking Alliance bemüht, bei der Festlegung von Standards und Best Practices für den Sektor zu helfen.

Privatpersonen zum Klimaschutz befähigen

Beim Netto-Null-Ziel geht es nicht nur um die Finanzierung von Unternehmen – Banken müssen sich auch mit ihren Geschäftsbeziehungen zu Privatkunden befassen. Sogenannte grüne Hypotheken und andere Darlehensarten spielen beim Kauf energieeffizienter Wohnimmobilien bzw. der nachhaltigeren Gestaltung bestehender Immobilien eine immer größere Rolle. Es liegt im Interesse der Banken, ihre Kunden zur Verbesserung der Energieeffizienz zu ermutigen, um den Wert und die Attraktivität des Vermögenswertes zu steigern, für den sie Kredite gewähren. Das Risiko besteht in der Einführung neuer gesetzlicher Vorschriften, die den Verkauf von Wohnimmobilien ohne diese Änderungen erschweren oder gar Eigentümern die Vermietung ihrer Immobilie untersagen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, wo eine Bank ihr eigenes Kapital direkt investiert. Laut Alessandra Simonelli möchte die BIL eine Rolle bei der Finanzierung von Unternehmen spielen, die Lösungen zur Bekämpfung des Klimawandels anbieten: „Die richtigen Investitionen zu tätigen, ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit. Wir möchten Unternehmen unterstützen, die im Bereich des Umweltmanagements wirklich etwas bewirken.“

Der Bankensektor spielt eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, Unternehmen und Privatpersonen zur Verringerung ihres CO2-Fußabdrucks zu ermutigen. Dank der künftigen EU-Vorschriften für die Offenlegung von Unternehmensdaten verfügen Banken bald über mehr Informationen, die ihnen helfen, dieser Rolle effektiver gerecht zu werden. Banken dürften durch ihren entscheidenden Beitrag zu Finanzierungen und Investitionen erhebliche Auswirkungen auf die Fortschritte bei der Erreichung der Netto-Null-Ziele haben.

Unternehmen in emissionsintensiven Sektoren von der Kreditvergabe auszuschließen, trägt nicht zur Verringerung der Gesamtemissionen bei – viele Unternehmen müssen investieren, um den Übergang zu mehr Klimaverträglichkeit zu bewältigen.