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Wohnimmobilien: Immer noch eine gute Anlage?

Zur Verwunderung der Analysten schienen die Immobilienpreise in vielen europäischen Ländern während der Corona-Pandemie kaum an Boden zu verlieren. In einer Zeit, in der die Volkswirtschaften eine Kontraktion von beispiellosem Ausmaß durchliefen, wirkte es sonderbar, dass die Entwicklung von Wohnimmobilien unverändert positiv war. Es deutet jedoch einiges darauf hin, dass dieser Markt in zahlreichen Ländern nun unter dem jüngsten Wiederanstieg der Inflation und dem jähen Ende der seit fast 15 Jahren äußerst niedrigen Zinsen leidet.

Europäischen Wohnimmobilien kamen die wiederkehrenden Phasen der Reisebeschränkungen in den Jahren 2020 und 2021 – paradoxerweise – offenbar zugute, sowohl mit Blick auf die Transaktionen als auch hinsichtlich der Preisniveaus. Anscheinend belastete diese Krise den Markt weniger als frühere Konjunkturrückgänge. Vielen Immobilienanlegern ist der Gewinneinbruch aus der globalen Finanzkrise von 2007-2009 schmerzhaft in Erinnerung geblieben. Die Immobilienmärkte in Spanien und Irland stürzten von zugegeben sehr überhitzten Niveaus ins Bodenlose. Nur in Deutschland, Luxemburg und Schweden erwiesen sich die Märkte als relativ widerstandsfähig.

In Luxemburg, wo der Wohnimmobilienmarkt seit Jahren boomte, hat die Pandemie offenbar kaum mehr als einen Schluckauf verursacht.

In Luxemburg, wo der Wohnimmobilienmarkt seit Jahren boomte, hat die Pandemie kaum mehr als einen Schluckauf verursacht. Die Preise für ein Haus oder eine Wohnung stiegen zwischen 2010 und 2022 laut Eurostat um 140% und damit weitaus mehr als in der EU insgesamt im Durchschnitt (49%). Die Mietpreise in Luxemburg hingegen stiegen innerhalb desselben Zwölfjahreszeitraums um fast 20% und entsprachen damit fast dem EU-Durchschnitt.

Erster Abschwung seit Jahrzehnten

Seitdem hat der Wohnimmobilienmarkt des Großherzogtums allerdings seinen stärksten Abschwung seit Jahrzehnten erlebt. Der Online-Immobilienplattform Immotop zufolge erreichte der Durchschnittspreis für Häuser und Wohnungen im Großherzogtum im Juli 2022 einen Höchststand von 9.208 Euro pro Quadratmeter; bis Mai dieses Jahres sank er auf 8.626 Euro. Das Stagnieren des Marktes führen Analysten auf die steigenden Kreditkosten bei gleichzeitiger Belastung der Einkommen durch die Inflation zurück.

Das ist eine bedeutende Wende: In den letzten zwanzig Jahren waren Investitionen in luxemburgische Häuser und Wohnungen – dank der „Großen Mäßigung“ der Inflation und der Zinssätze sowie dem steten Wirtschaftswachstums und der steigenden Einkommen – eine echte Goldgrube. Der von der Banque Internationale à Luxembourg bis 2017 erstellte BIL IMMO Index zeigt, dass die Wohnimmobilienpreise des Landes seinen Verbraucherpreisindex seit etwa 2000 immer weiter hinter sich gelassen haben. Das durchschnittliche jährliche Preiswachstum der letzten zehn Jahre reichte von 4,4% im Jahr 2014 bis zu einem Höchstwert von 14,5% im Jahr 2020.

Obwohl Analysten den luxemburgischen Wohnungsmarkt in den letzten Jahren regelmäßig als überhitzt bezeichnet haben, glauben viele Branchenteilnehmer, dass sich der Preisrückgang als oberflächlich und relativ kurzlebig erweisen und sich bald wieder umkehren könnte, sobald die Inflation und die Zinssätze wieder in Richtung der bisher in diesem Jahrhundert beobachteten Trends sinken. Angesichts eines Defizits beim Neubau von Wohnungen von schätzungsweise 3.000 pro Jahr wird die Nachfrage das Angebot wahrscheinlich auch künftig übersteigen.

Natürlich unterscheidet sich Luxemburg von der Mehrheit der europäischen Wohnimmobilienmärkte: ein kleines, äußerst wohlhabendes Land, dessen Wirtschaft hauptsächlich auf Dienstleistungen basiert, das eng mit den Nachbarregionen verflochten ist und dessen Arbeitskräfte fast zur Hälfte täglich aus anderen Ländern pendeln. Diese Faktoren verleihen dem Wohnungsmarkt Auftrieb von innen, was sich in geringerem Maße auch auf die benachbarten Gebiete Belgiens, Frankreichs und Deutschlands erstreckt.

Auswirkungen der Inflation

Einige der Faktoren, die zu dem – vorläufigen – Ende des langen Booms auf dem Wohnungsmarkt führten, spielen auch in anderen europäischen Ländern eine Rolle. Im April 2023 warnte der Internationale Währungsfonds (IWF) in seinem regionalen Wirtschaftsausblick vor der Gefahr von Hauspreiskorrekturen auf dem gesamten Kontinent. Diese hingen sowohl mit den Auswirkungen der seit den 1990er Jahren nicht mehrgesehenen Inflation als auch mit den Zinsanhebungen durch die Zentralbanken zur Eindämmung dieser Teuerung zusammen, deren Niveau für die letzten Jahrzehnte ebenfalls beispiellos hoch ist.

Auf einigen europäischen Wohnimmobilienmärkten, so der IWF, seien bereits rückläufige Trends zu beobachten, darunter etwa die Tschechische Republik und Dänemark. In Schweden gaben die Wohnimmobilienpreise 2022 über 6% nach. Der Rückgang könnte sich mit weiteren Zinserhöhungen noch beschleunigen, selbst wenn es in den Volkswirtschaften nicht zu einer größeren finanziellen Notlage kommt. Dies hält der IWF vor allem dann für wahrscheinlich, wenn die Märkte langfristige Inflationsrisiken befürchten und die Kreditgeber deutlich vorsichtiger werden. Dies wird wahrscheinlich auch breitere wirtschaftliche Auswirkungen haben, da die Haushalte im Zuge dessen ihr eigenes Vermögen und ihre finanziellen Aussichten wahrscheinlich schlechter einschätzen.

Die durchschnittlichen Wohnimmobilienpreise in der EU gingen im letzten Quartal 2022 um 1,5% zurück – der erste Quartalsrückgang seit 2015. Dennoch lagen sie noch immer 3,6% höher als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Eurostat zufolge gingen die durchschnittlichen Wohnimmobilienpreise in der EU im letzten Quartal 2022 um 1,5% zurück – der erste Quartalsrückgang seit 2015. Dennoch lagen sie noch immer 3,6% höher als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die Analysten des IWF halten allerdings einen Teufelskreis für möglich, bei dem sich höhere Zinssätze auf Immobiliendarlehen, eingeschränkte Konsumausgaben der Haushalte, zunehmende Zahlungsausfälle und die nachlassende Bereitschaft von Banken und anderen Kreditgebern, potenziellen Eigenheimbesitzern Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, gegenseitig verstärken. Empirische Modelle, die die Wohnimmobilienpreise im Verhältnis zu ihren fundamentalen Merkmalen betrachten, deuten auf eine Überbewertung von 15 bis 20 % in den meisten europäischen Ländern hin.

Dies spiegelt teilweise das extrem hohe Wachstum der Preise in einigen europäischen Ländern in den letzten 25 Jahren wider. Der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zufolge lag dieses zwischen 1996 und 2021 in Schweden bei 176%, im Vereinigten Königreich bei 145%, in Dänemark bei 142% und in Frankreich bei 126%. In anderen Ländern war das Wachstum in diesem 15-Jahres-Zeitraum jedoch um einiges bescheidener: –31% in Deutschland (wo die Preise bis 2016 hinter dem Niveau von 1996 zurückblieben), 27% in Portugal (wo das jüngste Wachstum dem „goldenen Visum“ zugeschrieben wird, das wohlhabende Bürger mit Steuerermäßigungen anlockt) und nur 9% in Italien.

Anhaltender Preisrückgang?

Ein Anfang 2023 von der Ratingagentur Standard & Poor‘s veröffentlichter Bericht kam zu dem Schluss, dass diese lange Phase des Preiswachstums sich offenbar ihrem Ende nähert. Die Wohnimmobilienpreise in den meisten europäischen Ländern dürften einen Rückgang – wenn auch keinen Einbruch – verzeichnen, der bis 2024 anhalten wird. Vor Ende 2025 ist laut dem Bericht keine starke Erholung zu erwarten. Demnach werden sowohl die Preise als auch die Investitionen unter den rasch steigenden Kreditkosten leiden.

Der Bau von Wohnimmobilien hat sich zwar in vielen europäischen Ländern gut behauptet – wobei Frankreich, Schweden, Deutschland und Luxemburg nicht dazugehören –, stellt jedoch laut S&P einen nachlaufenden Indikator für den Wohnungsmarkt dar, da zwischen Baubeginn und Fertigstellung viel Zeit vergeht.

Ein wichtiger Faktor für Investoren im Bereich Wohnimmobilien sind die Mietwerte, die in den letzten zehn Jahren deutlich stabiler geblieben sind als die Kaufpreise.

Ein wichtiger Faktor für Investoren im Bereich Wohnimmobilien sind die Mietwerte, die in den letzten zehn Jahren deutlich stabiler geblieben sind als die Kaufpreise. Eurostat zufolge stiegen die Durchschnittsmieten in der EU zwischen 2010 und dem vierten Quartal 2022 gleichmäßig, aber nicht in spektakulärem Ausmaß an. Ihr Wachstum lag lediglich bei 19%, wohingegen die Kaufpreise für Wohneigentum im gleichen Zeitraum 47% zunahmen. Mit 20% lag Luxemburg knapp über dem Durchschnitt.

Was bedeutet das für Immobilienanleger? Wenn die Prognosen sich als korrekt erweisen, ist ein beachtlicher, europaweiter Wiederanstieg der Wohnimmobilienpreise vor 2025 wenig wahrscheinlich. Dementsprechend ist in dieser Branche auch nicht mit erheblichen Wertsteigerungen zu rechnen. Ein massiver Rückgang der Mieterträge ist jedoch auch nicht zu erwarten, da sie im Laufe des letzten Jahrzehnts nicht über das allgemeine Wirtschaftswachstum hinaus gestiegen sind. Zudem könnte jeder Umsatzrückgang am Wohnungsmarkt in den kommenden Jahren mehr Menschen dazu bewegen, die Miete dem Immobilienkauf vorzuziehen, was der Nachfrage zugutekäme.

Auf lange Sicht dürften Anlagen in Wohneigentum populär bleiben. Dies ist schlicht darin begründet, dass Angebot und Nachfrage die Preise wahrscheinlich schließlich wieder ins Gleichgewicht bringen werden, und dass Mieten die von vielen Anlegern angestrebten stabilen Erträge bieten können. Nichtsdestotrotz scheinen die Zeiten, in denen Häuser und Wohnungen eine echte Goldgrube waren, vorüber zu sein. Zumindest auf absehbare Zeit.

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Tags: Beihilfen und Vorgehensweisen Immobilienkredit Kauf

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