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Dezember 20, 2024

Klimawandel: Eine Frage der Geschwindigkeit

  Olivier Goemans myINVEST Mai 27, 2021 1125

In einem Interview sagte der Futurist Ramez Naam1 kürzlich: „Wir befinden uns in einem Wettlauf zwischen der Geschwindigkeit, mit der wir die Umwelt schädigen, Kohlendioxid wir ausstoßen, einen Wert von 450 Teilen pro Million (ppm) in der Atmosphäre sowie das Zwei-Grad-Ziel erreichen, und der Geschwindigkeit von Innovationen und der Einführung von Technologien. Im Moment liegen wir zurück. Die gute Nachricht ist jedoch, dass Solarstrom, Windenergie, Batterien und Elektrofahrzeuge jedes Jahr günstiger werden. Es ist ein positiver Kreislauf; deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir jedes Jahr versuchen können, härter zu arbeiten und schneller voranzukommen.“

Transport und Energie sind angesichts des Klimawandels die beiden Schlüsselbranchen für eine nachhaltige Energiewende. Das Transportwesen ist heute für mehr als 16 % der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich (in den Industrieländern ist der Wert in der Regel mehr als doppelt so hoch).

Züge, Autos, Flugzeuge und Schiffe wurden von den klügsten Köpfen ihrer Zeit geschaffen, die dadurch die industrielle Revolution ermöglichten und die menschlichen Fähigkeiten erweiterten. Diese Transport- und Reisemöglichkeiten, die im Laufe der Zeit weiterentwickelt wurden, sind auch heute noch der Motor der Weltwirtschaft. Sie sind heute zwar effizienter als zum Zeitpunkt ihrer Erfindung, doch die Art und Weise, wie wir Menschen und Güter befördern, muss sich erheblich ändern.

Wenn 2020 für die meisten von uns das Jahr der Immobilität war, sollten wir alles daransetzen, dass 2021 das Jahr der Elektromobilität wird.

Um dem Klimawandel zu begegnen, muss sich die Mobilitätsbranche neu erfinden. Bis zu einem CO2-freien Transportwesen ist es jedoch noch ein langer Weg. Klar ist, dass die Tage des Verbrennungsmotors gezählt sind, was den Landverkehr betrifft. Es ist Zeit für eine technologische Revolution des Transportwesens. Wenn 2020 für die meisten von uns das Jahr der Immobilität war, sollten wir alles daransetzen, dass 2021 das Jahr der Elektromobilität wird.

Auf dem Weg zur Elektromobilität

Trotz der Flaute am Automarkt – im Vergleich zum Vorjahr gingen die Verkäufe in Europa 2020 um 24 % zurück – explodierte der Absatz von Elektrofahrzeugen (einschließlich vollelektrischer Autos und Plug-in-Hybride). Während ihr Anteil an den Autoverkäufen in Europa 2019 noch lediglich 3 % ausmachte, lag er 2020 bereits bei über 10 %. Zum Ende des Jahres war eine deutliche Beschleunigung zu beobachten.

Der vielfach angekündigte Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor ist ein logischer Schritt. Mehr als 14 Länder und über 30 Städte auf der ganzen Welt wollen den Verkauf von Personenkraftwagen (hauptsächlich Autos und Busse), die mit fossilen Brennstoffen wie Benzin, Flüssiggas und Diesel angetrieben werden, bis 2030 oder 2040 verbieten.

Um den Umstieg auf CO2-arme Fahrzeuge zu beschleunigen, verfolgen Regierungen auf der ganzen Welt einen Zuckerbrot-und-Peitsche-Ansatz: Sie gewähren Subventionen, um den Druck auf die Margen der Autobauer zu verringern, und kündigen an, den Verkauf von Neufahrzeugen mit Verbrennungsmotoren künftig zu verbieten.

Die Industrie verfolgt einen ähnlichen Kurs. Viele Unternehmen versprechen, in einigen Jahren nur noch Elektrofahrzeuge herzustellen. Ob es sich um einen echten Strategieschwenk oder bloß um Marketing handelt, ist jeweils schwer zu beurteilen. Elektroautos haben niedrigere Betriebskosten als Verbrenner, sind zum jetzigen Zeitpunkt aber teurer in der Produktion. Einige Hersteller werden von dieser Umstellung profitieren, während sie für andere eine Belastung darstellt.

Auch die Verbraucher sind zwiegespalten. Viele Menschen stehen dem Kauf eines vollelektrischen Autos nach wie vor skeptisch gegenüber. Dies betrifft vor allem den Preis, die Ladezeiten, Ladestationen und die Frage der Umweltfreundlichkeit.

Bei der Wahl eines Fahrzeugs und der Prüfung der zur Verfügung stehenden Energieoptionen ist der ökologische Fußabdruck über den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs, also unter Berücksichtigung von Herstellung, Nutzung und Entsorgung für alle Treibhausgase, die wichtigste Vergleichsgröße. Nach Angaben von Carbone 4 2 reduzieren batteriebetriebene Elektrofahrzeuge den ökologischen Fußabdruck im Vergleich zu fossil betriebenen Fahrzeugen um 50 % bis 70 %, und zwar unabhängig vom Strommix der jeweiligen Region und trotz Herstellung und Recycling der Batterien. Dies ist eine relativ neue Erkenntnis und auf die Massenproduktion von Batterien für die Elektromobilität zurückzuführen, die es ermöglicht, den ökologischen Fußabdruck pro Einheit deutlich zu reduzieren (Skaleneffekt). Ein weiterer Grund ist die schrittweise Dekarbonisierung des Energiemixes der Länder in Europa. Fahrzeuge, die mit Biogas angetrieben werden, haben aufgrund des sehr niedrigen Biogas-Emissionsfaktors die niedrigste CO2-Bilanz. Biogas ist jedoch eine begrenzte Ressource, und es ist sinnvoller, sie für andere Zwecke einzusetzen.

Durchschnittlicher CO2-Fußabdruck über den gesamten Lebenszyklus der 2020 in Europa verkauften Autos – Segment B | gCO2e/km:

Glossar: ICEV (Internal Combustion Engine Vehicle, Fahrzeug mit Verbrennungsmotor), PHEV (Plug-in Hybrid Electric Vehicle, Plug-in-Hybrid-Elektrofahrzeug), BEV (Battery Electric Vehicle, batterieelektrisches Fahrzeug), NGV/CNG/LNG (Natural Gas Vehicle / Compressed Natural Gas / Liquified Natural Gas, Erdgasfahrzeug / komprimiertes Erdgas / Flüssigerdgas)

Die Technologien verbessern sich, die Batterien werden effizienter, haben eine größere Kapazität und eine längere Lebensdauer. Wenn herkömmliche Verbrenner durch emissionsfreie Elektroautos ersetzt werden, wirkt sich dies deutlich positiv auf die lokale Umwelt aus.

Falls Sie heute über den Kauf eines Elektroautos nachdenken, sind Sie wahrscheinlich mit gewissen Herausforderungen konfrontiert, je nachdem, wo Sie leben und welche Strecken Sie zurücklegen wollen. Doch das Bewusstsein für die Umweltschäden, die durch fossile Verbrennungsmotoren verursacht werden, nimmt zu. Deshalb investieren viele Fahrzeughersteller massiv in die Entwicklung von Elektroautos. Dadurch werden die Preise weiter sinken, sodass mehr Menschen die Anschaffung eines umweltfreundlichen Elektrofahrzeugs in Erwägung ziehen.

Für die Autobauer gilt dieselbe Logik. Unternehmen, die nicht schnell genug reagieren, werden von Wettbewerbern verdrängt, die diese neuen Technologien einsetzen. Wer in einer Branche tätig ist, die durch Technologie disruptiert wird, hat nur die Möglichkeit, selbst auf diese Technologie zu setzen. Es gilt, sich selbst zu disruptieren, bevor es andere tun.

In Zukunft werden Mobilitätsdienstleistungen und der Zugang zu diesen wahrscheinlich wichtiger als der Besitz eines Autos.

Motorsport als Beschleuniger

Um ehrlich zu sein: Ich bin kein Experte, was Autos angeht. Für mich sind sie dazu da, von A nach B zu gelangen. Für einige ist nach wie vor die Marke wichtig, was bei mir nicht der Fall ist. Ich freue mich, dass jüngere Generationen neuen Konsummustern rund um das Auto oder allgemeiner rund um den Transport und die Mobilität offen gegenüberstehen. In Zukunft werden Mobilitätsdienstleistungen und Zugang zu diesen wahrscheinlich wichtiger als der Besitz eines Autos. Der Trend in Richtung erneuerbarer Kraftstoffe und Nachhaltigkeit ist aus meiner Sicht nicht aufzuhalten. Am Ende läuft es auf die Elektromobilität hinaus. Denn hier fallen die niedrigsten Kilometerkosten an. Eine umfangreiche „Entgiftung“3 des Transportwesens ist möglich.

Der Motorsport diente schon immer als Entwicklungslabor4 für Straßenfahrzeuge. So sind auch umweltfreundliche Rennserien im Kommen. Die Technologie, die in der Formel E 5 – einer der neuesten und aufregendsten Motorsportarten der Welt – entwickelt wird, wirkt sich auch auf die Serienfahrzeuge aus. Doch in der Formel E werden nicht nur Technologien entwickelt, die anschließend in Straßenautos eingesetzt werden. Sie ändert auch die Wahrnehmung von Elektrofahrzeugen. So kann jeder sehen, dass Elektroautos weder langweilig noch langsam sind. Es werden immer mehr elektrische Rennserien ins Leben gerufen, sodass sich mehr und mehr Menschen mit der Idee der Elektromobilität anfreunden.

Es werden immer mehr elektrische Rennserien ins Leben gerufen, sodass sich mehr und mehr Menschen mit der Idee der Elektromobilität anfreunden.

Die Geschwindigkeit ist das, was zuerst verglichen wird, und obwohl die Formel-E-Autos ähnlich schnell beschleunigen wie Formel-1-Autos, ist ihre Höchstgeschwindigkeit mit rund 280 km/h etwa 70 km/h niedriger. Noch in der vierten Saison (2017/18), mussten die Formel-E-Fahrzeuge nach der Hälfte der Strecke gewechselt werden. Durch Fortschritte in der Batterietechnologie wurde die nutzbare Energiemenge verdoppelt, sodass Boxenstopps inzwischen der Vergangenheit angehören.

Die Formel 1 könnte in Zukunft zu einer Art Oldtimer-Rennen mit einer Technologie werden, die ansonsten nicht mehr genutzt wird, vergleichbar mit Pferderennen oder ikonischen Sammlerstücken.

Um eine ausreichende Größenordnung und Geschwindigkeit zu erreichen, ist eine clevere Kombination von Finanzierung und Politik erforderlich. Doch das Ende des Verbrennungsmotors ist absehbar. Unternehmen und Verbraucher werden sich zunehmend der Vorteile von Elektrofahrzeugen bewusst. Diese sind nicht nur ökologischer Natur, Elektrofahrzeuge ermöglichen auch erhebliche Einsparungen bei Kraftstoff- und Wartungskosten.

Die Frage ist nicht mehr ob, sondern wann dieser Übergang stattfinden wird. Es liegt an uns und daran, welche Entscheidungen wir in diesem Jahrzehnt treffen. Eine Zukunft ohne Auspuffrohre, eine Zukunft mit einer florierenden Wirtschaft und sauberer Luft, eine Zukunft, die wir für das Klima und für unsere Gesundheit wählen.

Quellen

1. Ramez Naam ist ein amerikanischer Technologe und Science-Fiction-Autor. Er ist vor allem für seine Romantrilogie Nexus bekannt. Ramez Naam war 13 Jahre lang als Informatiker bei Microsoft tätig, wo er als Teamleiter an der Entwicklung von Outlook, Internet Explorer und Bing beteiligt war. Außerdem ist er Lehrbeauftragter an der Singularity University, wo er Vorlesungen zu Energie, Umwelt und Innovation hält.

2. http://www.carbone4.com/wp-content/uploads/2021/02/Road-transportation-what-alternative-motorisations-are-suitable-for-the-climate-Carbone-4.pdf

3. Monica Araya – TED Talk: How cities are detoxing transportation

4. Wussten Sie beispielsweise, dass beim Sieg des ersten Indy 500-Rennens im Jahr 1911 der Rückspiegel eine entscheidende Rolle spielte? Der Sieger Ray Harroun fuhr als Einziger in einem Einsitzer, während in allen anderen Fahrzeugen neben dem Fahrer ein Beifahrer an Bord war, der nach hinten schaute und den Fahrer über das rückwärtige Geschehen informierte.

5. Die Formel E war die weltweit erste vollelektrische internationale Einsitzer-Rennserie, als sie 2014 gegründet wurde. Die Formel 1 hat zwar eine bedeutendere Geschichte (es gibt sie seit 1950), die Formel E ist heute jedoch eine der wichtigsten Rennserien im globalen Motorsport.