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November 24, 2024

Liebe Unternehmer, hüten Sie sich vor (zu viel) Selbstzufriedenheit!

Sie sind ein Selfmademan oder eine Selfmadewoman und haben Ihr Unternehmen allein durch Ihre Kompetenzen aufgebaut und zum Erfolg geführt? Auch wenn Sie allen Grund haben, mit Ihrem Parcours zufrieden zu sein: Ruhen Sie sich nicht auf Ihren Lorbeeren aus, sondern stellen Sie sich immer wieder selbst in Frage.

Es war vielleicht nicht immer einfach, doch bisher blieb Ihr kleines Unternehmen von Krisen verschont. Alle Zeichen stehen auf Grün. Heute ist vielleicht die Zeit für Veränderungen gekommen. Vielleicht stellen Sie jemanden ein, der sich für das Unternehmen als wesentlich erweist, treffen wichtige Investitionsentscheidungen, machen Ihr Kapital für einen neuen Aktionär zugänglich oder ziehen sogar eine Expansion ins Ausland in Betracht. Warum sollten Sie sich Sorgen machen? Schließlich haben Sie die vergangenen Herausforderungen dank Ihren Kompetenzen immer mit Bravour gemeistert und sind sich sicher, nichts falsch zu machen.

Aber ist diese feste Überzeugung gerechtfertigt? Natürlich berufen Sie sich dabei auf Ihre bisherigen Erfolge. Aber haben Sie sich auch die Zeit genommen, in aller Bescheidenheit eine Bilanz Ihrer Fehler zu ziehen? An sich selbst zu glauben ist eine Sache, sich für unfehlbar zu halten zeugt jedoch von Arroganz und Irrtum. Man bezeichnet dieses Phänomen als Selbstzufriedenheit, und wie sagt man so schön: „Hochmut kommt vor dem Fall“.

Lassen Sie uns versuchen, diesen „Scheuklappen“-Effekt zu entschlüsseln, damit Sie lernen, Ihre Fehler besser zu erkennen und nicht zu wiederholen.

Selbstzufriedenheit ist das Phänomen, sich selbst immer in einem (zu) günstigen Licht zu sehen.

Was versteht man unter Selbstzufriedenheit?

Selbstzufriedenheit ist das Phänomen, sich selbst immer in einem (zu) günstigen Licht zu sehen. Eine selbstzufriedene Person neigt dazu, Erfolge auf ihre Eigenschaften (interne Ursachen) und Misserfolge auf Faktoren (externe Ursachen) zurückzuführen, auf die sie keinen Einfluss hat. Wir alle haben dies schon einmal erlebt, zum Beispiel in der Schule: Eine gute Note war zwangsläufig das Ergebnis unserer Bemühungen und unserer Intelligenz. Eine schlechte Note war natürlich die Schuld des viel zu strengen Lehrers, der uns nicht mochte!

Machen wir uns nichts vor: Wir alle präsentieren uns gerne in einem günstigen und schmeichelhaften Licht. Das ist gut für unser Ego und öffnet uns Türen; vor allem dann, wenn wir tatsächlich Erfolge vorweisen können. Das ist nicht weiter schlimm, solange wir zu einer neutralen Bewertung in der Lage sind.

Die psychologische und wirtschaftliche Literatur zeigt auf, dass erfolgreiche Unternehmer dazu neigen, mit ihren persönlichen Qualitäten und Kompetenzen zu prahlen und den Anteil des Glücks an ihrem Erfolg unterzubewerten. Wenn diese Unternehmer nun allerdings scheitern, führen sie dies viel lieber auf Pech oder Krisen zurück oder finden Erklärungen, um sich nicht selbst in Frage stellen zu müssen.

Wir sind selten objektiv, wenn es darum geht, unsere eigene Leistung – oder Fehlleistung – zu beurteilen. Daher sind all die Aussagen auf LinkedIn oder anderswo, die den Erfolg eines Unternehmers oder Sportlers begründen, mit Vorsicht zu genießen. Die Person hinter dieser Aussage erzählt vermutlich nur den für sie positiven Teil der Geschichte und verschweigt – bewusst oder unbewusst – vergangene Misserfolge oder den Anteil des Glücks.

Kausalattribution und Leistung

In der Psychologie wird Selbstzufriedenheit aus dem Blickwinkel der Kausalattribution untersucht. Um unser Umfeld besser zu verstehen und zu entschlüsseln, versuchen wir ständig, die Ursachen für soziale Interaktionen und Erlebtes zu identifizieren.

Zwei Kausalattributionen – persönliche Fähigkeiten und Aufwand – werden als intern bezeichnet. Schwierigkeit und Glück sind hingegen die zwei externen Kausalattributionen.

Der Vater der Kausalattributionstheorie ist Fritz Heider. Bereits 1958 erklärt er in seinem Buch Psychologie der interpersonalen Beziehungen, dass für das, was uns passiert, vier mögliche Kausalattributionen existieren. Zwei Kausalattributionen – persönliche Fähigkeiten und Aufwand – werden als intern bezeichnet. Schwierigkeit und Glück sind hingegen die zwei externen Kausalattributionen.

Eine hochrentierliche Investition lässt sich zum Beispiel durch das Geschick des Anlegers in diesem Bereich, durch seine Bemühungen zur Steigerung des Zugewinns oder einfach durch einen glücklichen Zufall infolge völlig unvorhersehbarer Marktbedingungen erklären. Unter dem Einfluss der Selbstzufriedenheit hat eine Person eine verzerrte Sicht auf das, was ihren Kompetenzen zu verdanken ist, und vernachlässigt dabei externe Faktoren. Unser Anleger glaubt dann, dass sein Erfolg nur durch seine unfehlbare Marktanalyse zu erklären ist. Auf der anderen Seite führt er den Verlust bei einer anderen Geldanlage ausschließlich auf Pech oder schlechte externe Beratung zurück.

Diese Einstellung kann insbesondere Unternehmern schaden, da sie dazu führt, dass eigene Unzulänglichkeiten und Fehler ignoriert werden. Eine Person kann dann ihre Fähigkeit zur Selbstkritik verlieren und sich der Illusion der Unfehlbarkeit hingeben, die für die Zukunft ihres Unternehmens schädlich ist. Kurzum, sie ist nicht mehr in der Lage, aus ihren Fehlern zu lernen.

Bescheidenheit als Vektor für Erfolg und Führung

Damit Sie Ihre Ziele und Ambitionen sowohl beruflich als auch privat erreichen, müssen Sie aus Ihren Fehlern lernen. Wenn Sie jedoch nicht in der Lage sind, Ihre Misserfolge den von Ihnen begangenen Fehlern zuzuschreiben, können Sie sich nur schwer verbessern.

Scheitern ist im Leben unvermeidlich und Teil des unternehmerischen Abenteuers. Nur wer nichts tut, scheitert nie. Scheitern ist ein Zeichen dafür, dass Sie es schaffen, Ihre Komfortzone zu verlassen. Scheitern wird „edel“ (noble failure), wenn man daraus für die Zukunft lernen kann.

Sich eigene Unzulänglichkeiten einzugestehen zeugt von Reife und ist unerlässlich, um Fortschritte zu machen.

Niemand gibt Fehler gerne zu, und viele haben Angst, dabei ihr Gesicht zu verlieren. Sich eigene Unzulänglichkeiten einzugestehen zeugt jedoch von Reife und ist unerlässlich, um Fortschritte zu machen. Umgekehrt sind ständige Schuldzuweisungen an andere und die alleinige Anerkennung von Erfolgen toxische Verhaltensweisen im Management.

Kommen wir auf Unternehmer und damit auf Sie zurück. Wer zu seinen Fehlern steht, demonstriert Reife, was die Legitimität einer Führungskraft unterstreicht und das Vertrauen stärkt – sei es von Aktionären, Mitarbeitern oder Personen, die zur Finanzierung Ihrer Projekte bereit sind. Sie müssen sich unbedingt selbst davon überzeugen, dass es sich auch lohnen kann, zu scheitern und die Verantwortung für Ihr Handeln zu übernehmen.

Wer nicht zu seinen Misserfolgen steht, macht vielleicht kurzfristig einen guten Eindruck, kann jedoch auf lange Sicht niemanden täuschen. Für Ihr Unternehmen ist das ein Risiko. Wie kann man mit einer Führungskraft, die nicht aus ihren Fehlern lernt, etwas Nachhaltiges aufbauen? Selbstverständlich wollen wir nicht, dass Sie scheitern. Wir möchten Sie nur ermutigen, in solchen Fällen Verantwortung zu übernehmen, Kritik zu akzeptieren und in Ruhe zu analysieren, um weiterzukommen.

Führen Sie Buch über Ihre Investitionen oder beruflichen Entscheidungen? Wenn ja, können Sie der geäußerten Kritik die Gründe für von Ihnen getroffene Entscheidungen gegenüberstellen. So können Sie herausfinden, ob Sie Recht hatten oder ob Sie tatsächlich Fehler gemacht haben, die es zu korrigieren gilt. Vielleicht erkennen Sie sogar schädliche Entscheidungsmuster, die Sie in Zukunft vermeiden müssen.

Holen Sie Ihre alten Klassiker hervor

Nur wer Fehler zugibt und analysiert, kann aus ihnen lernen. Selbstzufriedenheit hat Unternehmern schon immer geschadet. Nicht überzeugt? Dann lesen Sie doch noch einmal Jean de La Fontaines Fabel Die Undankbarkeit und Ungerechtigkeit der Menschen gegen das Schicksal. Hier ist ein Auszug:

Ein großer Handelsherr ward reich – er hatte Glück:
Die Winde dienten ihm auf mehr als einer Reise,
nicht Riff noch Strudel nahm, wie’s ihre Weise, von seiner Ware ihm auch nur ein einzig Stück (…)

Ein Freund, der sah, wie reich sein Mahl bestellt,
fragt’ ihn: „Woher die Pracht, die hier ich sehe?”
– „Woher denn sonst, als weil ich mein Geschäft verstehe?
Mir selber dank ich’s: Klugheit, Mut und Fleiß,
womit mein Geld ich stets gut anzulegen weiß.”

Es war im gar zu wohl, daß immer er gewonnen,
er setzt’ aufs Spiel den früheren Gewinn;
doch nun kam’s anders: Nichts ging ihm nach Wunsch und Sinn.
Warum? Er war zu unbesonnen (…)

Doch weiß ich:
Jeder wird, was glücklich er vollbracht, auf Rechnung seiner Klugheit schreiben;
und folgt ein Rückschlag dann auf töricht Treiben,
dann schelten wir das ungetreue Glück.
So ist die allgemeine Stimme:
Das Gute taten wir, das Schicksal nur das Schlimme;
wir haben immer recht, und unrecht das Geschick.

Liebe Unternehmer, hüten Sie sich vor (zu viel) Selbstzufriedenheit!