Wenn der Schein trügt
Anleger sollten wissen, dass Korrelation nicht gleich Kausalität ist.
Unabhängig vom Grad der eigenen Erfahrung sollte man als Anleger stets die folgende goldene Regel der Statistik beherzigen: Korrelation ist nicht gleich Kausalität. Nicht nur im Zusammenhang mit Geldanlagen sondern auch bei anderen Themen neigen wir Menschen nämlich dazu, Korrelation und Kausalität miteinander zu verwechseln. Doch wenn in einem Finanzdiagramm zwei Kurven einen ähnlichen Verlauf aufweisen, muss das noch lange nicht bedeuten, dass deswegen ein direkter Zusammenhang besteht. Aus diesem Grunde werden bestimmte Korrelationen als Scheinkorrelationen bezeichnet, weil sie einen Zusammenhang zwischen mehreren Elementen suggerieren, der in Wirklichkeit gar nicht besteht, oder weil sie durch einen Störfaktor zustande kommen, d.h. durch ein zusätzliches Element, das die einzelnen Elemente miteinander in Verbindung bringt und das selbst nicht aus der Darstellung hervorgeht.
Irreführende Zusammenhänge
Interessant ist in diesem Zusammenhang die Arbeit von Tyler Vigen, denn mit ihr lassen sich die möglichen Folgen solcher Korrelationen besser verstehen. Der inzwischen zu einer Berühmtheit gewordene Harvard-Student hat ein Computerprogramm geschrieben, das bereits über 30 000 verrückte Scheinkorrelationen ermittelt hat.
Zum Beispiel hat das Programm, auf einen Zeitraum von zehn Jahren gemessen, eine Korrelation von über 99 Prozent zwischen der Scheidungsrate im US-Bundesstaat Maine und dem Margarinekonsum der dort lebenden Menschen festgestellt. Sollte man daraus etwa schließen, dass Margarine die Stabilität einer Ehe beeinträchtigt?
Oder ein anderes Beispiel: Auf einen Zeitraum von zehn Jahren gemessen besteht eine Korrelation von mehr als 66 Prozent zwischen der Anzahl an Menschen, die in ihrem Pool ertrunken sind, und der Anzahl an veröffentlichten Filmen, in denen der Schauspieler Nicolas Cage mitspielt. Sind die Filme des Schauspielers somit etwa gefährlich?
Nun, offensichtlich falsche Zusammenhänge können einen zum Schmunzeln bringen. So auch die Sache mit dem Aufkommen von Störchen und der Geburtenrate. Statistisch gesehen werden in Gebieten mit vielen Störchen tatsächlich mehr Babys geboren. Korrelation ja! Kausalität wohl kaum …
Zwei Finanzkurven mit einem ähnlichen Verlauf müssen noch lange nicht bedeuten, dass es einen direkter Zusammenhang gibt.
Kritisch hinterfragen
Bei der Betrachtung einer Korrelation sollte man stets kritisch hinterfragen, ob für den offenbaren Zusammenhang nicht in Wirklichkeit eine andere Variable die Ursache ist. Denn auch in der Finanzwelt besteht der Glaube an bestimmte Korrelationen jenseits aller Vernunft und liefert weiterhin Stoff für Legenden. Eines der berühmtesten Beispiele dafür ist die Rocksaumtheorie. Die auch unter der Bezeichnung Hemline-Index oder -Barometer bekannte Theorie wurde erstmals 1926 von George Taylor beschrieben und besagt, dass eine Korrelation zwischen der durchschnittlichen Länge der von Damen getragenen Röcke und der Konjunkturentwicklung besteht.
Dieser Theorie zufolge bedeutet also eine steigende Popularität kurzer Röcke, dass die Märkte bald zulegen werden. Und umgekehrt soll der Trend zu längeren Röcken auf eine rückläufige Entwicklung der Märkte hindeuten. Der Grundgedanke hinter der Theorie: ist die Stimmung gut, steigt das Verbrauchervertrauen und der Mut zum kurzen Rock nimmt zu. Auch heute noch sind einige Ökonomen darum bemüht, die Gültigkeit der Rocksaumtheorie zu prüfen. Als durchschnittlicher Anleger ist man allerdings besser beraten, sich bei seiner Anlagestrategie nicht allzu sehr auf diese Art von Pseudo-Indikatoren zu verlassen.
Computer sind dazu in der Lage, in Sekundenschnelle eine schier unvorstellbar große Anzahl von Berechnungen durchzuführen.
Im Zeitalter von Big Data
Die Problematik der Scheinkorrelationen ist demnach wirklich nicht neu. Doch mit dem Aufkommen von Technologien wie Big Data, künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen, mit denen sich der Finanzwelt heute völlig neue Möglichkeiten eröffnen, gewinnt das Thema zunehmend an Brisanz und Komplexität.
Die Stärke dieser Technologien liegt darin, dass Computer dazu in der Lage sind, in Sekundenschnelle eine schier unvorstellbar große Anzahl an Tests und Berechnungen durchzuführen. Aber je mehr man nach Zusammenhängen sucht, desto mehr findet man auch davon. Entsprechend ist es bei einem Supercomputer viel wahrscheinlicher als beim Menschen, Verbindungen zwischen mehreren Variablen zu ermitteln, die scheinbar von Bedeutung sind, sich aber in Wirklichkeit als Scheinkorrelationen erweisen.
So innovativ und ausgefeilt die neuen Technologien auch sein mögen – wir sollten stets darauf achten, dass ermittelte Ergebnisse auch streng wissenschaftlich aufgearbeitet und von Experten analysiert werden.
Anleger sollten nach Möglichkeit stets den Rat eines Experten einholen, um nicht am Ende versehentlich Äpfel mit Birnen zu vergleichen oder – um es mit einem vorherigen Beispiel zu sagen – die Anzahl an Ertrunkenen mit der Anzahl an Filmen mit Nicolas Cage in Verbindung zu bringen.
Unser Gehirn mag einfache Erklärungen und stellt gerne leicht verständliche Zusammenhänge auch dort her, wo es sie gar nicht unbedingt gibt. Als Meister der schnellen Schlussfolgerungen kann es uns bei der Betrachtung einer Grafik sehr leicht zu der Überzeugung kommen lassen, dass die Entwicklung einer Variablen A mit jener einer Variablen B zusammenhängt oder umgekehrt. Eine eingehendere statistische Prüfung kann jedoch zeigen, dass einer ähnlichen Entwicklung in einer Grafik keine Kausalität, sondern bloße Koinzidenz zugrunde liegt.
Die Problematik der Scheinkorrelationen ist nicht neu.
Man sollte demnach vorsichtig sein. Denn eine starke Korrelation kann möglicherweise auf eine Kausalität hindeuten, aber es könnte ebenso gut andere Erklärungen geben: Sie kann auf reinem Zufall beruhen, wobei die Variablen in Zusammenhang zu stehen scheinen, jedoch keine wahre Beziehung zugrunde liegt. Es könnte eine dritte, verborgene Variable geben, die die Beziehung stärker (oder schwächer) erscheinen lässt, als sie tatsächlich ist.