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April 23, 2024

Bildung als Anlagethema

  Gesammelt von myLIFE team myINVEST Juli 6, 2021 1083

Immer mehr Anleger sind bestrebt, mit ihrem Kapital nicht nur Gewinn zu machen, sondern auch etwas Sinnvolles zu tun. In diesem Fall haben sie zahlreiche Wahlmöglichkeiten dahingehend, welche Wirkung sie mit ihrer Investition erzielen möchten. Ein erster Ansatzpunkt sind die 17 miteinander verknüpften Ziele der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG). Diese Ziele bilden den Kern der UN-Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung, eines „grundlegenden Plans zur Verwirklichung einer besseren und nachhaltigeren Zukunft für alle Menschen“.

Die „Hochzeitstorten-Struktur“ der UN-Nachhaltigkeitsziele

Quelle: Vereinte Nationen

In diesem Artikel widmen wir uns dem vierten Entwicklungsziel, bei dem es um den Zugang zu „hochwertiger Bildung“ für alle geht. Aus unserer Sicht ist Bildung ein Menschenrecht. Sie ist von wesentlicher Bedeutung für die Gesellschaft und Grundvoraussetzung für ein integratives und nachhaltiges Wachstum. Aus diesem Grund steht ihr Ausbau im Mittelpunkt der meisten staatlichen Strategien. Ein Beispiel hierfür ist der „American Families Plan“ von US-Präsident Biden: Bildung ist ein zentraler Aspekt des Programms im Wert von 1,8 Billionen USD, das darauf abzielt, die Mittelschicht zu stärken und alle US-Amerikaner an den Vorzügen des Wirtschaftswachstums teilhaben zu lassen1.

Die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung sind miteinander verzahnt, und Bildung zählt zu den entwicklungspolitischen Investitionen mit der größten Reichweite und dem größten Nutzen. Sie eröffnet die Möglichkeit, grundlegende Arbeitsqualifikationen und alltägliche Fertigkeiten zu erwerben, befreit Menschen aus der Armut und leistet einen Beitrag zu Selbstbestimmung und Gesundheit. Die Denkfabrik „Brookings Institution“ bezeichnet eine weiterführende Schulbildung für Mädchen als kostengünstigste und beste Investition zur Bekämpfung des Klimawandels2.

Eine integrierte Lernumgebung

Ursprünglich galt eine allgemeine Schulbildung als öffentliches Gut, das von den Nationalstaaten bereitgestellt werden sollte. Knappe Etats und fehlende Kapazitäten, um den wachsenden Bildungsbedarf zu decken, führen jedoch dazu, dass der Bedarf in vielen Ländern nicht in vollem Umfang gedeckt ist. Durch die weltweite Gesundheitskrise hat sich die Lage verschärft. Eigentlich sollten die 2020er Jahre ein „Jahrzehnt der Bildungsvermittlung“ werden, doch stattdessen scheint die Uhr zurückgedreht worden zu sein. Zwei Drittel der Länder mit geringem oder niedrigem mittleren Einkommen haben ihre Bildungsausgaben gekürzt. Die weltweite Finanzierungslücke im Bildungsbereich könnte bald auf 200 Mrd. USD pro Jahr anwachsen3. Hinzu kommt, dass sich Neuerungen und grundlegende Reformen des bestehenden Systems aufgrund etablierter Interessen, die dem öffentlichen Bildungswesen eigen sind, schwierig umsetzen lassen.

Dadurch bietet sich privaten Kapitalgebern die Gelegenheit, sich verstärkt in diesem Bereich zu engagieren und Innovation und Digitalisierung mit voranzutreiben. Die COVID-19-Pandemie wirkte bereits als Beschleunigungsfaktor: Indem sie Unterrichtsräume und Vorlesungssäle in den digitalen Raum verdrängte, löste sie die schwerwiegendste Umwälzung in der Geschichte des Bildungssystems aus. Wir gehen davon aus, dass sich jetzt ein „integriertes Lernumfeld“ herausbilden wird, in dem Informations- und Kommunikationstechnologien die klassischen Methoden der Bildungsvermittlung ergänzen, um den wachsenden Bedarf zu decken und auf die veränderte Nachfrage zu reagieren.

Megatrends

Bildung als Anlagethema fällt mit mehreren „Megatrends“ zusammen, die auf längere Sicht für eine Neugestaltung des weltweiten Umfelds sorgen werden. Dazu zählen…

Zukünftig könnten dank Online-Lernangeboten selbst die entlegensten Gemeinden Zugang zu hochwertiger Bildung erhalten.

Digitalisierung – Im April 2020 hatten fast 200 Länder die Schließung von Schulen oder Universitäten bekanntgegeben. Rund 1,6 Milliarden Schüler und Studenten waren betroffen. Die plötzlich notwendige Verlagerung des Lernens in den Online-Bereich störte die Abläufe, nahm viel Zeit in Anspruch und war für die meisten betroffenen Schüler und Studenten unangenehm. Sie beschleunigte jedoch die Anwendung neuer, innovativer Lehrmethoden und schuf neue Wachstumsfaktoren innerhalb der Branche. Zukünftig könnten dank Online-Lernangeboten selbst die entlegensten Gemeinden Zugang zu hochwertiger Bildung erhalten.

Wir sind davon überzeugt, dass Technologie nach dem Abklingen der Pandemie eine größere ergänzende Rolle im Bildungswesen spielen wird und dass das Wachstumspotenzial beträchtlich ist. Schon jetzt entwickelt sich die „EdTech“-Branche prächtig. Junge US-Unternehmen in diesem Segment beschafften 2019 Mittel in einer Rekordhöhe von 1,7 Mrd. USD, nur um diesen Rekord 2020 mit 2,2 Mrd. USD gleich wieder zu übertreffen4. International betrachtet ist das aber lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein. Das Bildungsmarktforschungsunternehmen HolonIQ zählte mehr als 16 Mrd. USD an Wagniskapital, das 2020 weltweit von Unternehmen im Bildungsbereich eingeworben wurde. Mehr als 77 % dieses Gesamtbetrags entfallen auf China und Indien.

Bei unkonventionellen Bildungsangeboten verbreiteten sich Online-Plattformen bereits vor der Pandemie. Apps zum Fremdsprachenerwerb, wie Babbel und Duolingo, galten als sinnvolle Hilfsmittel, um eine Sprache zu erlernen – laut einer unabhängigen Studie der City University of New York und der University of South Carolina entsprechen 34 Stunden Duolingo einem kompletten Semester Sprachunterricht an der Universität. Gleichzeitig bewirkten sogenannte MOOC-Plattformen („Massively Open Online Courses“) wie Coursera oder edX eine Demokratisierung des Bildungswesens. Sie gewähren der Allgemeinheit Zugriff auf vollständige Lehrveranstaltungen renommierter Hochschulen wie Harvard und Yale, und das kostenlos oder zu einem geringen Preis (Voraussetzung für den Erwerb eines Zertifikats). Diese Plattformen nutzen Daten von Millionen Lernenden; sie verwenden maschinelles Lernen zur automatischen Bewertung von Leistungen sowie zur Bereitstellung angepasster Inhalte und Prüfungen. Aufgrund der steigenden Kosten für eine Hochschulbildung sind Online-Alternativen eine zunehmend interessante Option. Ein Beispiel zur Veranschaulichung: In den USA zahlen Studenten rund 38.000 USD pro Jahr für Studiengebühren und Unterkunft an einer staatlichen Universität und rund 50.000 USD pro Jahr an einer privaten Hochschule5.

Wir sind deshalb der Ansicht, dass sich Online-Tools weiter verbreiten und das Wachstum in Bereichen wie Virtual und/oder Augmented Reality, 3D-Druck sowie auf künstlicher Intelligenz beruhende Roboterlehrkräfte vorantreiben werden. In Schwellenländern treten privatwirtschaftliche Unternehmen auf den Plan, um Kindern Zugang zu erschwinglichen Computern zu bieten, damit sie Online-Lernangebote nutzen können. Ein gutes Beispiel ist der WAWA-Laptop, der erste in Peru entwickelte Laptop. Dieser besteht aus recyceltem Material und wird mithilfe eines tragbaren Solarmoduls betrieben. Er soll allen Kindern den Zugang zu Technologie und Bildung ermöglichen. In diesem Bereich gibt es weltweit noch viel zu tun.

Der stetig fortschreitende technologische Wandel sorgt für einen steigenden Bildungsbedarf: Es gilt, sicherzustellen, dass vorhandenes Fachwissen nicht veraltet.

Lebenslanges Lernen – Aufgrund der wachsenden Bevölkerungsgruppe der Ruheständler und der Anforderung an Arbeitskräfte, ihr Wissen im Laufe ihres Berufslebens immer wieder auf den aktuellen Stand zu bringen, wird das lebenslange Lernen zu einem neuen Anlagethema. Die Pandemie hat die vierte industrielle Revolution schneller als erwartet eingeläutet, und der stetig fortschreitende technologische Wandel sorgt für einen steigenden Bildungsbedarf: Es gilt, sicherzustellen, dass vorhandenes Fachwissen nicht veraltet. Unserer Meinung nach wird es eine Abkehr von einmal im Leben erworbenen Abschlüssen und eine zunehmende Tendenz zum lebenslangen Lernen geben. Laut dem Arbeitsmarktbericht 2020 des Weltwirtschaftsforums werden sich bei den Arbeitskräften, die ihre Stellen behalten, in den nächsten fünf Jahren 40 % der Kernkompetenzen ändern, und 50 % aller Mitarbeiter müssen umgeschult werden.

Unternehmen erkennen, dass es mehr denn je auf Weiterbildung ankommt und Mitarbeiter die Möglichkeit erhalten müssen, ihre Fähigkeiten auszubauen.

Gesellschaftlicher Wandel – Derzeit haben 11 % der Weltbevölkerung keine Schulbildung genossen. Bis 2050 wird sich diese Zahl voraussichtlich auf 5 % verringern. Wenn der Wohlstand in Schwellenländern zunimmt, strebt die wachsende Mittelschicht nach Bildung, denn sie erkennt, dass dies ein sicherer Weg zur Verbesserung ihrer Zukunftsaussichten ist. In China, einer der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften weltweit, ist in der Tat Bildung das Ressort, in das seit 2010 die meisten staatlichen Ausgaben geflossen sind. Lernen nach dem ATAWAD-Prinzip („Any time, anywhere, any device“, also jederzeit, überall und auf jedem beliebigen Gerät) erweitert den potenziellen Zielmarkt, denn dadurch verbessern sich die Zugangsmöglichkeiten vor allem in ländlichen Regionen.

In Industrieländern besteht zudem der Wunsch nach weiterführender Bildung, um bessere Berufsaussichten zu haben und einen höheren Lebensstandard zu genießen. Viele Menschen streben einen facettenreichen Lebenslauf an, der ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessert – teilweise auf dem klassischen Bildungsweg, teilweise durch Branchenzertifizierungen. Eine wachsende Nachfrage, die stetigen Veränderungen unterliegt, geht mit Innovationen einher. Man hat erkannt, dass Bildungsprogramme und -methoden angepasst werden müssen, auch um die berufliche Weiterbildung zu fördern.

Insbesondere Millennials treiben die Nachfrage nach Bildung in die Höhe. Nach alten Maßstäben mögen sie vielleicht „arm“ wirken (denn sie legen keinen Wert auf traditionelle Statussymbole wie Häuser, Autos und sonstige Besitztümer). Sie sichern sich jedoch für die Zukunft ab, indem sie kluge Investitionen in Bildung tätigen, die ihnen in der „New Economy“ zum Erfolg verhelfen werden.

Auswirkungen für Anleger

Es sieht nicht danach aus, als würden die beschriebenen Entwicklungen in absehbarer Zeit abflauen, und solange sie Bestand haben, wird Bildung ein wichtiges Thema bleiben.

Die Nachfrage nach Bildung wird steigen, sei es vonseiten der Schwellenländer, deren Mittelschicht wächst, oder vonseiten der Industrieländer, wo die Menschen neue Fähigkeiten erlernen und ihren Horizont erweitern möchten.

Die Nachfrage nach Bildung wird steigen, sei es vonseiten der Schwellenländer, deren Mittelschicht wächst, oder vonseiten der Industrieländer, wo die Menschen neue Fähigkeiten erlernen und ihren Horizont erweitern möchten. Es gibt eine Vielzahl von Technologien und Innovationen, die noch in diesem Bereich eingesetzt werden können, um den Zugang und den Nutzen der Angebote für breite Bevölkerungsschichten weiter zu verbessern. Eine ganze Reihe unterschiedlichster Unternehmen sind in dem breit gefächerten Bereich Bildung aktiv; von denjenigen, deren Schwerpunkt auf Lerninhalten und -werkzeugen liegt, über Anbieter, die sich auf die Veröffentlichung von Materialien (Bücher, Fachzeitschriften, Lernmedien usw.) konzentrieren, Lerntechnologieentwickler (Software und Hardware) und solche Unternehmen, die sich mit dem Datenschutz befassen bis hin zu Betreibern von Bildungseinrichtungen. Das Potenzial ist enorm.

Nicht zuletzt wird der Einsatz von privatem Kapital in diesem Themenbereich auch darüber hinaus gesellschaftliche Vorteile mit sich bringen. Bildung zählt zwar ausdrücklich zu den 17 Zielen der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung, ist jedoch auch ein Instrument, um einige der anderen Ziele zu erreichen. Die Pandemie hat eine tiefe gesellschaftliche Spaltung auf der gesamten Welt sichtbar gemacht. Dagegen gilt es anzugehen, wenn ein nachhaltiges und integratives Wachstum erreicht werden soll. Joe Bidens jüngste Aussage, dass „Investitionen in Bildung eine Anzahlung auf die Zukunft der USA“ seien, lässt sich ausdehnen. Wenn wir weltweit in die Förderung von Bildung investieren, ist dies eine Anzahlung auf unser aller Zukunft.

Die wirtschaftlichen Vorteile könnten in der Tat beträchtlich sein. Wenn jedem Mädchen eine zwölfjährige Schulbildung ermöglicht wird, könnte dies ein geschätztes weltweites Wirtschaftswachstum von bis zu 30 Bio. USD bewirken. Jedes Land würde davon profitieren6. In einer Branche, die tiefgreifende Strukturänderungen durchläuft, ergeben sich neue Chancen für Anleger. Bildung ist ein sehr vielseitiges Anlagethema. Interessierten Anlegern stehen zahlreiche Möglichkeiten offen, um in diesem Bereich zu investieren.

Wenn jedem Mädchen eine zwölfjährige Schulbildung ermöglicht wird, könnte dies ein geschätztes weltweites Wirtschaftswachstum von bis zu 30 Bio. USD bewirken.


1 https://www.whitehouse.gov/briefing-room/statements-releases/2021/04/28/fact-sheet-the-american-families-plan/
2 https://www.brookings.edu/opinions/want-to-save-the-planet-invest-in-girls-education/
3 https://en.unesco.org/news/unesco-warns-funding-gap-reach-sdg4-poorer-countries-risks-increasing-us-200-billion-annually
4 https://www.edsurge.com/news/2021-01-13-a-record-year-amid-a-pandemic-us-edtech-raises-2-2-billion-in-2020
5 https://www.topuniversities.com/student-info/student-finance/how-much-does-it-cost-study-us
6 https://www.ft.com/content/d0948e4b-4dc6-4cdc-b357-28690d1edcbb