Der Mensch – das emotionale Wesen
Beim Anlegen sind Gefühle allein meist ein schlechter Berater
Die meisten Anleger wissen, dass sie bei Marktschwankungen nicht gleich in Panik verfallen sollten. Auch sollte man keine Aktien kaufen, die gerade „in Mode“ sind, und am besten auch auf Produkte verzichten, die man nicht versteht. Doch in Geldfragen lassen sich Emotionen nur sehr schwierig vollständig ausblenden. Demnach ist man trotz besseren Wissens nicht vor unüberlegten Schritten gefeit.
Sehen, was man sehen will
Früher behaupteten Wissenschaftler, dass alle Anleger vollkommen rationale Wesen seien. Die Theorie der effizienten Märkte ist mittlerweile jedoch größtenteils entkräftet. Wie lässt sich sonst ein Phänomen wie die Technologieblase oder der Boom fauler Immobilienkrediten in den USA erklären? Anleger sind bei ihren Entscheidungen eindeutig anfällig für die Einflüsse nicht-rationaler Faktoren und Prozesse.
Emotionale Faktoren können unterschiedliche Formen haben. Ein Anleger kann von Freunden, seiner Familie oder Medien beeinflusst werden und sich bei seiner Entscheidungsfindung von dem leiten lassen, was er sieht, liest und hört, statt die Lage rational zu ergründen. Möglicherweise geht er bei der Beurteilung des Erfolgs eines Unternehmens nicht gründlich genug vor und stützt diese beispielsweise ausschließlich auf gute Umsatzzahlen einer einzelnen Geschäftsstelle oder seine persönliche Vorliebe für ein bestimmtes Produkt. Es besteht die Gefahr, dass er aufgrund eines isolierten, vielleicht irrelevanten Beispiels/Einzelfalls auf den generellen Erfolg des Unternehmens schließt. Das kann fatale Folgen haben.
Schlechtes Timing
Emotionale Anleger neigen dazu, als eine Art Herdentier dem Gesamtmarkt zu folgen. Herrscht Hochstimmung, kaufen sie, bricht eine allgemeine Panik aus, verkaufen sie. Diese Transaktionen erfolgen somit eigentlich fast immer zum falschen Zeitpunkt. Eine Berechnung des US-Finanzdienstleisters Dalbar ergab, dass der durchschnittliche Anleger 2018 einen Verlust von 9,42 Prozent erlitt, gegenüber einem Rückgang von 4,38 Prozent beim S&P 500 Index. Er verpasste es demnach, vor dem Abschwung am Jahresende zu verkaufen oder rechtzeitig wieder in den Markt einzusteigen, um von der Erholung zu profitieren.
Dass mehr Wert nur durch ständiges Handeln erzielt werden kann ist Unsinn.
Dies ist kein Einzelfall. Dalbar-Studien zeigen, dass Anleger immer wieder ein schlechtes Timing bei ihren Entscheidungen haben und von emotionalen Faktoren getrieben sind, die – vereinfacht ausgedrückt – Angst und Gier heißen. Über einen Zeitraum von 20 Jahren erreichte der S&P 500 ein durchschnittliches Wachstum von mehr als acht Prozent pro Jahr. Der durchschnittliche Aktienanleger kam kaum auf die Hälfte an Performance, und Anleihenanleger schnitten noch schlechter ab.
Information ist nicht alles
Interessante Forschungsansätze liefert der Verhaltenspsychologe Paul Davies. Er bestreitet, dass sich Menschen mit den erforderlichen Informationen rationaler verhalten würden. Die Ansicht, gut informierte Menschen seien berechenbar und handelten richtig, hält er für falsch. Davies zufolge bedürfe es nämlich Prozessen, mit denen vernünftiges Verhalten unterstützt wird und es leichter fällt, das Richtige zu tun.
Der beste Weg, um richtige Finanzentscheidungen zu treffen, besteht sowieso darin, möglichst wenige Entscheidungen zu treffen. Dass mehr Wert nur durch ständiges Handeln erzielt werden kann ist nämlich Unsinn. Regelmäßige Sparbeträge, die automatisch von einem Konto abgebucht werden, sind ein gutes Beispiel. Wenn man Anlageentscheidung jeden Monat aufs Neue treffen muss, wird es kompliziert. Davies schlägt in diesem Zusammenhang vor, persönliche „Wenn-dann-Momente“ in die Finanzplanung einzubauen. Mithilfe solcher Regeln kann man sich selbst besser vor emotionalen Entscheidungen im Eifer des Gefechts schützen. Finanzberater legen mit Kunden häufig auch einen „höchsten, hinnehmbaren Verlust“ fest. Die Bestimmung der maximalen Verlusttoleranz ist nicht nur als Vorbereitung auf eventuelle Verluste sinnvoll, sondern auch eine Möglichkeit, eine Anlagestrategie abseits der täglichen Marktentwicklungen zu planen.
Man soll persönliche „Wenn-dann-Momente“ in die Finanzplanung einbauen.
Ähnliche Regeln sollten für Entscheidungen hinsichtlich der Vermögenszuteilung gelten. Im Allgemeinen arbeiten die meisten Anleger mit einer strategischen Vermögensallokation, d.h. einer langfristigen Positionierung, die auf die Erreichung ihrer finanziellen Ziele ausgerichtet ist. Diese bestimmt weitgehend, wie hoch der Anteil von Aktien, Anleihen und anderen Vermögenswerten wie Immobilien im Portfolio ist. Bei der taktischen Vermögensallokation werden hingegen Anpassungen an unterschiedliche Marktbedingungen vorgenommen.
Ziele definieren – Grenzen setzen
Es ist wichtig, die Ziele im Blick zu behalten und sich nicht aktuellen Einflüssen zu unterwerfen. Die beste Lösung ist eine automatische Umschichtung, bei der das Portfolio systematisch angepasst wird, um die ursprüngliche Vermögenszuteilung beizubehalten. Nochmals, dies erspart es einem nicht, Entscheidungen treffen zu müssen. Automatische Umschichtung bedeutet, dass Anleger Geld natürlich aus teuren Märkten, die sich gut entwickelt haben, abziehen und in günstigere Märkte, die sich schlecht entwickelt haben, stecken.
Selbstverständlich ergeben sich unter Umständen kurzfristige Chancen, die genutzt werden können, und die taktische Anpassung eines Portfolios kann sinnvoll sein, falls sich die Wertentwicklung eines bestimmten Marktes zu sehr auf eine geringe Anzahl einzelner Aktien stützt. Im Allgemeinen ist es jedoch besser, sich für eine Vermögensallokation zu entscheiden, an dieser festzuhalten und sie nicht nur in Krisenzeiten, sondern regelmäßig zu überprüfen.
Noch schwieriger, aber nicht zu vernachlässigen, ist das Wissen um die eigenen Grenzen. Anleger haben häufig zu hohe Erwartungen hinsichtlich der möglichen Anlagerenditen. Dies führt zu einer schlechten Beurteilung der jeweiligen Risiken und Grenzen, die man sich selbst setzen muss.
Fazit: Wenn es um Geld geht, lassen sich Anleger leicht von ihren Emotionen beeinflussen und das führt häufig zu falschen Entscheidungen. Daher sollte eine Anlagestrategie so gestaltet sein, dass möglichst wenige Entscheidungen getroffen werden müssen. So verringert man das Risiko emotionsbedingter Fehlentscheidungen.