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Dezember 23, 2024

„Erkenne dich selbst“, bevor du anlegst

Sie haben es endlich geschafft, ein wenig Geld für Anlagen zur Seite zu legen? Herzlichen Glückwunsch! Doch bevor Sie nun loslegen und mit Ihrem Kundenbetreuer Ihr Anlegerprofil ermitteln, sollten Sie sich genug Zeit nehmen, um in sich zu gehen und sich Ihrer Mittel, Prioritäten, Ziele und Werte bewusst zu werden. myLIFE unterstützt Sie natürlich dabei, diese ersten und unverzichtbaren Überlegungen anzustellen.

Wir werden in unserem alltäglichen Leben und auch bei wichtigen Anlageentscheidungen fortlaufend von unterschiedlichsten kognitiven Verzerrungen beeinflusst. Sich dieser Tatsache nicht bewusst zu sein, kann scherwiegende Folgen haben, insbesondere wenn Sie Ihr Anlegerprofil ermitteln. Denn wie könnte man ein verlässliches Anlegerprofil erstellen, ohne vorher überprüft zu haben, ob aktuelle Entscheidungen nicht verzerrt sind und tatsächlich den eigenen Präferenzen und dem eigenen Lebensstil entsprechen? Natürlich ist Ihr Kundenbetreuer dafür da, Ihnen bei der Erstellung des besagten Anlegerprofils – das übrigens, wie seit 2018 von der europäischen Richtlinie MiFID II erneut klargestellt, gesetzlich vorgeschrieben ist – die richtigen Fragen zu stellen. Er hilft Ihnen dabei festzulegen, ob Sie im Hinblick auf Anlagen:

  • eher konservativ sind und Finanzanlagen mit defensivem bzw. sicherem Charakter bevorzugen,
  • eher einen ausgewogenen Mittelweg zwischen Risiko und Sicherheit anstreben oder
  • eher spekulativ sind und ein höheres Risiko akzeptieren, um eine potenziell höhere Rendite zu erzielen.

Dabei gibt es allerdings einen Haken. Denn Ihr Kundenbetreuer kann Ihnen zwar die richtigen Fragen stellen, er kann jedoch weder Ihre Gedanken lesen noch kognitive Verzerrungen erkennen, die Sie unter Umständen beeinflussen. Die richtigen Antworten müssen Sie also ganz alleine geben! Dies setzt wiederum voraus, dass Sie sich über Ihre Mittel, Prioritäten und Ziele sowie über Ihren Charakter und Ihre Werte bereits Gedanken gemacht haben.

Doch wie stellt man sicher, dass Entscheidungen wirklich mit den eigenen Anforderungen im Einklang stehen?

In Ihnen ruhen zwei Arten von Anlegern

Einen Fragebogen im Rahmen der Ermittlung des eigenen Anlegerprofils auszufüllen, ist schwieriger als es womöglich scheint. So kann es manchmal schwierig sein, die eigenen Präferenzen im Hinblick auf Anlagen zu kennen. Dies gilt umso mehr, da sie langfristig gesehen recht unbeständig sind, es uns häufig schwerfällt, uns in zukünftige Situationen hinzuversetzen, und sich unsere finanziellen Mittel sowie unser Wissen über Finanzprodukte im Laufe der Zeit weiterentwickeln. Aus diesen Gründen wird das Anlegerprofil regelmäßig aktualisiert. Ein Hindernis bleibt jedoch auch bei größtmöglicher Vorsicht bestehen: Unsere Entscheidungsfindung beruht manchmal auf kognitiven Täuschungen, die unser Urteil verfälschen.

Wir treffen Entscheidungen mitunter aufgrund von flüchtigen Emotionen, was uns an der Verwirklichung unserer langfristigen Ziele hindern kann.

So sind wir häufig unentschlossen, ob wir Geld lieber anlegen, sparen oder in ausreichender Menge verfügbar halten sollen, um uns etwas zu gönnen. Dies geht so weit, dass wir Entscheidungen mitunter aufgrund von flüchtigen Emotionen treffen, was uns an der Verwirklichung unserer langfristigen Ziele hindern kann.

Aus diesem Grund ist es wichtig, die eigenen Schwächen im Umgang mit Geld zu kennen. Haben wir unsere Finanzen stets voll und ganz im Griff oder werden unsere Entscheidungen eher von irreführenden Emotionen beeinflusst? Wenn etwa Ihre aktuelle finanzielle Situation stabil ist, Sie jedoch in Kürze eine riskante berufliche Herausforderung annehmen möchten, kann Ihnen Geld, das Sie heute mit Begeisterung in spekulative Anlagen investieren wollen, morgen fehlen, wenn die berufliche Veränderung nicht zum gewünschten Erfolg führt. Selbst wenn Sie sonst eher der Draufgänger sind, wäre es in diesem Fall klüger, ein konservatives Anlegerprofil zu wählen, das Ihren Lebensstandard angesichts einer ungewissen finanziellen Zukunft, die Sie beim Treffen mit Ihrem Kundenbetreuer „vergessen“ haben zu erwähnen, besser schützen kann.

In Ihnen ruhen also zwei verschiedene Anleger, und es liegt an Ihnen zu ermitteln, welcher davon das Ruder in der Hand hält.

Ökonomen haben versucht, unseren Zwiespalt bei der Wahl zwischen unmittelbarem Konsum, Anlagen und langfristigem Sparen symbolisch darzustellen. Unter ihnen auch der Träger des Wirtschaftsnobelpreises 2017 Richard Thaler, laut dem unser finanzielles Bewusstsein aus einem „planenden und besonnenen“ Ich und einem „impulsiven und hedonistischen“ Ich besteht. Das erste Ich wird als geschickter Wirtschaftsakteur beschrieben, das zweite hingegen als naiv. In Ihnen ruhen also zwei verschiedene Anleger, und es liegt an Ihnen zu ermitteln, welcher davon das Ruder in der Hand hält.

Dabei ist jedoch hervorzuheben, dass ein geschickter Akteur nicht zwangsläufig über ein größeres Wissen im Bereich Finanzen verfügt als ein naiver Akteur. Ein Akteur wird als geschickt bezeichnet, weil er sich bewusst ist, dass Selbstbeherrschung ihm mitunter Probleme bereitet und seine Präferenzen unbeständig sind, und er weiß, dass seine finanziellen Entscheidungen von kognitiven Verzerrungen beeinflusst werden können. Er sucht daher nach Mechanismen, die seine potenziellen Fehler ausgleichen, und zögert nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Demgegenüber lässt ein naiver Akteur all diese Aspekte unbeachtet. Er neigt deshalb dazu, seine Selbstregulierungsfähigkeiten übertrieben optimistisch einzuschätzen. Er verlässt sich lieber auf sich selbst und seine Intuition und glaubt unverhältnismäßig stark an seine eigene Urteilsfähigkeit. Dies kann ihn in bestimmten Momenten zu einer gewissen übermäßigen Impulsivität oder in anderen zur „Aufschieberitis“ verleiten (etwa wenn es darum geht, Geld zur Seite zu legen). Daraus ergibt sich ein starker Hang zu kurzfristiger Unbeweglichkeit und Überreaktionen sowie zu mittelfristig übertrieben riskanten Bewegungen und damit letztendlich ein langfristig suboptimaler Entscheidungsfindungsprozess.

Es geht also eindeutig nicht darum, fehlendes Wissen oder eine Unfähigkeit, in Finanzfragen die richtigen Entscheidungen zu treffen, anzuprangern. Es geht vielmehr darum zu lernen, ehrlich zu sich selbst zu sein und das eigene Verhältnis zu Geld besser zu verstehen, um angemessene Anlagen auszuwählen. Doch was können Sie nun tun? Bevor wir uns genügend Zeit nehmen, diese in uns schlummernde Naivität zu enttarnen, haben wir für Sie bereits einige Empfehlungen zusammengetragen, damit Sie sich auf die Erstellung Ihres Anlegerprofils mit Ihrem Kundenbetreuer gedanklich vorbereiten können.

Schätzen Sie Ihre Risikobereitschaft ehrlich ein

Anlageentscheidungen haben sowohl emotionale als auch finanzielle Folgen. Um Ihre Risikobereitschaft zu ermitteln und für Sie optimale Anlageentscheidungen treffen zu können, müssen Sie diese beiden Aspekte bedenken.

Fragen Sie sich zunächst, warum Sie anlegen möchten. Streben Sie kurzfristige Gewinne an, um ein bestimmtes Vorhaben zu finanzieren, oder möchten Sie Ihre finanzielle Situation insgesamt langfristig verbessern?

Stellen Sie sich anschließend vor, welche Situation sich aus Ihren Entscheidungen ergibt. Wenn Sie zum Beispiel eine langfristige Anlage wählen, sollten Sie sich zu der Vorstellung zwingen, während mehrerer Jahre oder Jahrzehnte dauerhaft in demselben Produkt investiert zu sein. So können Sie sich mental darauf vorbereiten, bei kurzfristiger Volatilität an den Märkten nicht überzureagieren. Konzentrieren Sie sich nicht auf unmittelbare Veränderungen, sondern bewahren Sie ein breites und umfassendes Bild Ihrer Situation, d. h. stellen Sie sich vor, welche Auswirkungen Ihre Anlagen insgesamt auf Ihr langfristiges Vermögen haben werden.

Um zu ermitteln, ob eine Anlagesituation für Sie optimal ist, müssen Sie Ihr Gesamtwohlbefinden und Ihren Lebensstil berücksichtigen.

Hat dieses Gedankenexperiment Ihnen verdeutlicht, dass Sie sich unwohl fühlen würden, wenn Ihre Anlage einer starken Volatilität ausgesetzt ist? Sehr gut! Denn dann haben Sie soeben etwas sehr Wichtiges über sich selbst erfahren. Um zu ermitteln, ob eine Anlagesituation für Sie optimal ist, müssen Sie Ihr Gesamtwohlbefinden und Ihren Lebensstil berücksichtigen. Wenn Sie der Gedanke daran, dass Ihre Finanzen nicht sicher sind, daran hindert, ein unbeschwertes Alltagsleben zu führen, sollten Sie von höheren Risikoprofilen auf jeden Fall Abstand nehmen.

Oder mit anderen Worten: Sind Sie eher jemand, der verpassten Anlagechancen nachtrauert, oder eher jemand, dem schlechte Anlageentscheidungen nicht mehr aus dem Kopf gehen? Im ersten Fall dürften Sie das Eingehen von Risiken leichter verkraften als im zweiten.

Am wichtigsten ist schlussendlich jedoch, nicht aus den Augen zu verlieren, dass Ihre Anlageentscheidungen Ihr allgemeines Wohlbefinden maximieren sollen. Dazu zählen Ihr persönliches, emotionales und finanzielles Wohlbefinden. Aus diesem Grund sollten Sie nie Entscheidungen treffen, die das Gleichgewicht zwischen Ihren persönlichen Lebenszielen, getätigten Anlagen und Ihrem emotionalen Zustand erheblich ins Schwanken bringen. Denn Geld allein macht zwar nicht unbedingt glücklich, es kann jedoch ungemein hilfreich sein.

Bevor Sie sich überhaupt Anlagefragen stellen, sollten Sie sich unter Umständen fragen, ob Geld für Ihre Lebensplanung eher Selbstzweck oder eher Mittel zum Zweck ist. Mit einer ehrlichen Antwort auf diese Frage können Sie ermitteln, was Geld für Sie wirklich bedeutet (Sicherheit, Freiheit usw.) und welche Gefühle Sie mit Geld verbinden. Dies dürfte Ihnen erheblich dabei helfen, Ihren eigenen Weg als Anleger zu finden.

Sie sind nun bereit, mithilfe Ihres Kundenbetreuers Ihr Anlegerprofil zu erstellen. Abschließend möchten wir daran erinnern, dass die Risikobereitschaft nur ein Punkt unter vielen ist, der im Anlegerprofil berücksichtigt wird. Sie kann durch andere Aspekte, wie etwa Ihr Wissen und Ihre Erfahrung, Ihre finanzielle Situation oder Ihren Anlagehorizont und Ihre Vorhaben, deutlich gemindert oder gar ins Gegenteil verkehrt werden.

Eine schlüssige Anlagestrategie lässt sich letztendlich nur mit klarem Kopf erstellen.