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Dezember 23, 2024

Expertenmeinung: „Aktien kannten im November keine Grenzen“

Die US-Aktienindizes erreichten im November ein Rekordhoch nach dem anderen, da die Anleger von einem konstruktiveren Ausblick im Handelsstreit zwischen den USA und China und der Unterstützung durch die Zentralbanken ermutigt wurden. Fredrik Skoglund, CIO bei der BIL, und sein Team nehmen die wichtigsten Ereignisse vom November 2019 unter die Lupe und prüfen deren Auswirkungen für Anleger.

Handelskonflikt ausschlaggebend für die Anlegerstimmung

In diesem Jahr bestimmten die Entwicklungen im Handelskonflikt die Stimmung der Anleger: Haben die Anleger den Eindruck, dass eine Einigung bevorstehen könnte, steigt der Markt. Sieht die Situation nach einem Tweet oder einer Nachrichtenmeldung eher unsicher aus, fällt der Markt. Derzeit ist die Hoffnung groß, dass ein Phase-1-Handelsabkommen vor dem Inkrafttreten der neuen Zölle auf chinesische Waren am 15. Dezember erzielt werden kann. Verstärkt wurden diese Hoffnungen durch die jüngste Aussage des US-Sicherheitsberaters Robert O’Brien, dass ein erstes Handelsabkommen noch vor Jahresende möglich sei. Positiv aufgenommen wurde auch, dass China neue Richtlinien zur Verbesserung des Schutzes von geistigem Eigentum erlassen hat. Die technologische Überlegenheit steht als zentraler Aspekt im Fokus des Handelskonflikts. Angesichts des neu gewonnenen Optimismus erreichten die drei maßgeblichen US-Indizes (Dow Jones, NASDAQ und S&P 500) sowie der Aktienindex MSCI World ein Rekordhoch nach dem anderen. Im besten Fall könnte es sogar zu einer Abschaffung bestehender Zölle kommen. Eine solche Kehrtwende dürfte weitreichende wirtschaftliche Vorteile in einem von globaler Wachstumsschwäche geprägten Umfeld bringen. Wahrscheinlich wäre sie auch der entscheidende Faktor, der die Zinsen in die Höhe treiben könnte. Auf der anderen Seite besteht jedoch das Risiko, dass die Verhandlungen abgebrochen werden.

Die Märkte ruhen sich möglicherweise auf ihren Lorbeeren aus und nehmen an, dass die Zentralbanken stets zur Rettung eilen werden.

Zentralbanken leisten kontinuierlich Unterstützung

Die Märkte ruhen sich möglicherweise auf ihren Lorbeeren aus und nehmen an, dass die Zentralbanken stets zur Rettung eilen werden. Diese bemühen sich derzeit zwar um solche Rettungsmaßnahmen, doch es könnte die Zeit kommen, in der ihre Interventionen mit fiskalpolitischen Maßnahmen der nationalen Regierungen kombiniert werden müssen, wie nicht nur die neue IWF-Chefin Kristalina Georgieva fordert.

Nach drei Zinssenkungen in diesem Jahr im Rahmen der „mittzyklischen Anpassung“ der US Federal Reserve (Fed) legt die US-Notenbank aktuell eine Pause ein, schließt weitere Zinsschritte jedoch nicht aus, sollten künftige Daten diese rechtfertigen. Die Futures-Preise am US-Markt lassen darauf schließen, dass der Markt im nächsten Jahr eine weitere Zinssenkung erwartet. Außerhalb des Rampenlichts pumpt die Fed seit September Milliarden von US-Dollar in den Repo-Markt (der das gesamte US-Finanzsystem stützt und dazu beiträgt, dass Banken über die nötige Liquidität zur Abwicklung ihres Tagesgeschäfts sowie über ausreichende Reserven verfügen). Wenngleich der Fed-Vorsitzende Powell erklärte, dass es sich hierbei keinesfalls um eine quantitative Lockerungsmaßnahme handelt, verzeichnen wir erneut eine Ausweitung der Fed-Bilanz. Nennen Sie es, wie Sie wollen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) zeigt sich von ihrer energischen Seite und löst die vom scheidenden Vorsitzenden Mario Draghi gegebenen Versprechen ein. In den ersten beiden Novemberwochen startete die EZB ihr neues Anleihekaufprogramm (CSPP) mit einem Paukenschlag: Sie kaufte Unternehmensanleihen im Wert von 2,5 Milliarden US-Dollar auf – mehr, als der Markt erwartet hatte. EZB-Chefin Christine Lagarde nutzte ihre erste Rede als Präsidentin, um an die europäischen Regierungen zu appellieren, Innovation und Wachstum durch höhere staatliche Investitionen zu fördern.

Die Maßnahmen der Zentralbanken und die erneute Risikobereitschaft führten im Oktober und November zu einem allgemeinen Zinsanstieg.

Unterdessen feilt die People’s Bank of China an ihrer wachstumsorientierten politischen Ausrichtung. Bei jeder neu angekündigten Maßnahme legten Aktien ein Stück zu: seien es Zinssenkungen für siebentägige umgekehrte Pensionsgeschäfte (auf 2,50 %), die Unterstützung des Finanzsystems mit einer Kapitalspritze in Höhe von 180 Milliarden Yuan (26 Milliarden US-Dollar) über Offenmarktgeschäfte oder auch Senkungen der ein- und fünfjährigen offiziellen Loan Prime Rate (LPR) – dem Referenzzins für Unternehmen und Käufer von Wohneigentum – um 5 Bp. auf 4,15 % bzw. 4,80 %.

Liquidität ist das A und O, wie an folgendem Beispiel abzulesen ist: Sieht man sich das kombinierte Vermögen der Fed, EZB und BoJ an, so wird deutlich, dass die Ziffer stark mit dem S&P 500 Index korreliert. Die Maßnahmen der Zentralbanken und die erneute Risikobereitschaft führten im Oktober und November zu einem allgemeinen Zinsanstieg. Trotzdem bieten viele Staatsanleihen in Europa weiterhin negative Renditen.

Dank neuer Anreizmaßnahmen, die sich allmählich auf die Konjunktur auswirken, sieht die Lage auch auf Makroebene etwas positiver aus. Das verarbeitende Gewerbe (die Achillesferse der Wirtschaft), das durch Exportrückgänge, gesunkenes Vertrauen, durch den Handelskonflikt bedingte Unsicherheiten sowie nachlassende Investitionen stark angeschlagen ist, unternimmt zaghafte Belebungsversuche. Die Einkaufsmanagerindizes für den Sektor scheinen die Talsohle erreicht zu haben und sind in einigen Schwellenländern sogar gestiegen. Problematisch ist allerdings, und dies gilt besonders für Europa, dass auch der Dienstleistungssektor, der untrennbar mit dem verarbeitenden Gewerbe verbunden ist, bereits einige dieser Symptome zeigt. Ob dies eingedämmt werden kann, bleibt abzuwarten. Derzeit besteht die Gefahr, dass Aktieninvestoren die Stabilisierung der Makrodaten möglicherweise zu stark extrapoliert und daraus auf eine Erholung geschlossen haben. Wir halten an unserer neutralen Positionierung in Aktien fest und warten darauf, dass entsprechende Fundamentaldaten die angebliche Wiederbelebung bestätigen.

Darf es ein wenig mehr sein?

Sollte es tatsächlich dazu kommen, wird zweifellos der Konsum die treibende Kraft hinter der Erholung sein. Ob in den USA, Europa, China oder Japan: Überall ist der Konsum der Eckpfeiler der Wirtschaft. Die Verbraucherstimmung bleibt überschwänglich, was nicht zuletzt an den starken Arbeitsmarktdaten liegt. Am 11. November verzeichnete China mit Ausgaben von über 38 Milliarden US-Dollar einen weiteren rekordverdächtigen Singles‘ Day. Die wichtigsten Shopping-Termine in den USA – Black Friday und Cyber Monday – sowie die Vorweihnachtszeit und damit der für den Einzelhandel wichtigste Zeitraum liegen noch vor uns.

Doch nicht nur bei den Verbrauchern sitzt der Geldbeutel locker. Zum Monatsende beobachteten wir jede Menge Unternehmenskäufe. Der Juwelier Tiffany & Co wurde vom französischen Konzern LVMH in einer 16,2 Milliarden US-Dollar schweren Transaktion übernommen. Viagogo erwarb die Ticket-Plattform StubHub von eBay Inc. für 4,05 Milliarden US-Dollar, und Charles Schwab Corp kündigte an, den Discount-Broker TD Ameritrade in einer ausschließlich mit Aktien bezahlten Transaktion (geschätzter Wert: 26 Milliarden US-Dollar) zu übernehmen.

Anleger sollten sich nicht in falscher Sicherheit wiegen und das Kreditrisiko in ihren Portfolios nicht zu stark zu erhöhen.

Zu guter Letzt ist Maßlosigkeit im Bereich der festverzinslichen Anlagen allgegenwärtig. Vermögensverwalter tönen, dass sie alle Unternehmensanleihen in den USA und Europa kaufen werden, die sie bekommen können. Darüber hinaus reißt man sich heute um Deals, die früher keiner gewollt hätte. Im Hinblick auf das Emissionsvolumen von europäischen Investment-Grade-Anleihen haben wir bereits jetzt den für das Gesamtjahr 2018 aufgestellten Rekord gebrochen. Da die Spreads der Unternehmensanleihen nahe an den diesjährigen Tiefständen liegen, beeilen sich einige Unternehmen mit der Emission von Anleihen, um von den niedrigeren Finanzierungskosten zu profitieren. Sollten die Handelsgespräche einen negativen Verlauf nehmen, werden die Zinsen wieder steigen – die Unternehmen haben daher keine Zeit zu verlieren. Auf der anderen Seite sollten Anleger sich nicht in falscher Sicherheit wiegen und das Kreditrisiko in ihren Portfolios nicht zu stark zu erhöhen.

Damit Aktien ihren Aufwärtstrend fortsetzen können, ist eine deutliche Verbesserung des Makroumfelds erforderlich. Ohne eine solche Verbesserung wird es für Unternehmen schwierig, die hohen Gewinnerwartungen der Analysten für 2020 zu erfüllen. Natürlich müssen sich die Handelsgespräche – der derzeit alles entscheidende Faktor – konstruktiv entwickeln.

Weitere Beiträge von Fredrik Skoglund und seinem Team finden Sie im Investment Insights Blog.