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April 20, 2024

Fragen an den Experten: „Keine Sommerflaute“

Der Juli war voll von Ereignissen, die es verdienen, kommentiert zu werden. Das große, übergeordnete Thema, das im letzten Monat das Marktgeschehen maßgeblich beeinflusste, war zweifellos das Vorgehen der Zentralbanken. Die meiste Zeit des Monats versuchten die Anleger zu prophezeien, inwieweit die führenden Zentralbanken der Welt ihren moderaten Kommentaren vom Juni auch Taten folgen lassen würden. Die EZB stellte die Weichen für weitere Zinslockerungen, während die US-Notenbank (Fed) die Zinssätze um 25 Basispunkte (Bp.) senkte und damit das Ende der quantitativen Straffung einläutete. Fredrik Skoglund, CIO bei der BIL, und sein Team nehmen die wichtigsten Ereignisse vom Juli 2019 unter die Lupe und untersuchen deren Auswirkungen für Anleger.

Zu Monatsbeginn profitierten risikoreiche Anlagen von der Ernennung von Christine Lagarde zur Nachfolgerin von Mario Draghi als Präsidentin der Europäischen Zentralbank zum 1. November. Nach allgemeinem Dafürhalten wird Lagarde den von Draghi eingeschlagenen lockereren Kurs weiterverfolgen.

Jenseits des Atlantiks bewegten sich die Aktienkurse aufgrund uneinheitlicher Äußerungen der US-Notenbank (Fed) mal aufwärts, mal abwärts. Zu Monatsbeginn überwand der S&P 500 nach Jerome Powells moderater Stellungnahme vor dem US-Kongress erstmals die Marke von 3.000 Punkten. Mit seinen Worten zerstreute er die Bedenken, dass die ersehnte Zinssenkung ausfallen könnte, da die US-Beschäftigungsdaten besser waren als erwartet (laut US-Arbeitsministerium stieg die Beschäftigtenzahl außerhalb der Landwirtschaft im Juni um netto 224.000, deutlich stärker als um die erwarteten 160.000). Anscheinend reichten weder diese Daten (die volatil sein können) noch das robuste BIP-Wachstum von 2,1 % im 2. Quartal aus, um die Unsicherheit bezüglich der Weltwirtschaft und die rückläufigen Einkaufsmanagerindizes für den Fertigungssektor, die den Ausblick belasten, zu verdrängen. Im weiteren Monatsverlauf bekräftigte der stellvertretende Fed-Vorsitzende Richard H. Clarida die moderate Haltung und erklärte, dass die Wirtschaft in einer guten Verfassung sei, man aber „nicht abwarten will“, bis die Daten schlechter ausfallen, ehe man tätig wird. Kurz danach stimmte John C. Williams, Präsident der New York Fed, ein: „Wenn man nur so wenig Impulse geben kann, lohnt es sich, rasch zu handeln und die Zinssätze bei ersten Anzeichen einer schwierigen Konjunkturlage zu senken“, und zog damit einen Vergleich zur Impfung von Kindern gegen Krankheiten.

„Wenn man nur so wenig Impulse geben kann, lohnt es sich, rasch zu handeln und die Zinssätze bei ersten Anzeichen einer schwierigen Konjunkturlage zu senken“

Aufgrund dieser moderaten Äußerungen spekulierten die Märkte sehr bald, dass die Zinssätze bei der Juli-Sitzung der Fed eher um 50 Bp. statt um lediglich 25 Bp. gesenkt werden dürften. Anschließend tat die New York Fed etwas, das sie sonst eher selten tut: In Bezug auf Williams’ Äußerungen stellt sie klar, dass sie keinerlei Hinweise auf die Absichten der Fed für die Juli-Sitzung seien. US-Präsident Donald Trump wiederum pflichtete Williams auf Twitter bei.

Dies stieß bei Analysten auf Kritik; sie merkten an, dass mit Blick auf die Kommunikation der Fed ein Szenario drohe, in dem „es zu viele Köche gibt, die den Brei verderben“, was für Unruhe an den Märkten sorgte.

Letzten Endes beschloss die Fed bei ihrer Sitzung am 30. und 31. Juli eine Zinssenkung um 25 Bp. Sie entschied außerdem, die Normalisierung ihrer Bilanz im August zu beenden, zwei Monate früher als zuvor angedeutet. Bei der anschließenden Pressekonferenz nannte der Fed-Vorsitzende Jerome Powell drei Gründe für diese Entscheidung: die schwächer werdende Weltwirtschaft, die durch den Handel bedingte Unsicherheit und den geringen Inflationsdruck. Powell beschrieb diesen Schritt eher als mittzyklische Anpassung der Politik denn als Beginn eines langen Lockerungszyklus, schloss eine weitere Zinssenkung aber nicht aus („Ich habe nicht gesagt, dass es nur eine Zinssenkung gibt.“). Der Markt nahm diese Worte als recht restriktiv wahr und reagierte während Powells Rede kurz, aber heftig, vor allem am kurzen Ende der Renditekurve.

Auf die Aktienkurse wirkte sich die Berichtssaison, die nun in vollem Gange ist, ebenfalls aus. Zum Zeitpunkt der Drucklegung hatte rund die Hälfte der Unternehmen im S&P 500 ihre Ergebnisse veröffentlicht; 77 % von ihnen überraschten beim Gewinn positiv und 61 % beim Umsatz.

In Fernost eröffnete China in Shanghai seinen „Star Market“ – Asiens Antwort auf die NASDAQ. Dies wurde als weiterer Versuch gewertet, mit dem Peking die Deregulierung und eine stärkere Direktfinanzierung fördern will. Es scheint, dass diese neue Börse genau zum richtigen Zeitpunkt ihre Pforten geöffnet hat, denn chinesische Unternehmen suchen verstärkt nach Börsenplätzen abseits der Wall Street – aus Angst vor einer weiteren Eskalation des Handelskonflikts. Der Star Market verzeichnete sehr hohe Mittelzuflüsse, die aber weitgehend auf Kosten anderer chinesischer Börsen wie dem Hang Seng und dem Shanghai Composite gingen, die beide im Tagesverlauf um über 1 % sanken. Manche fürchten, dass die anfänglichen Gewinne möglicherweise zu hoch waren. Die Behörden haben versucht, die Zockermentalität an der neuen Börse einzudämmen, und haben dazu nur Anleger mit zwei Jahren Trading-Erfahrung und einem Kapital von wenigstens 74.000 US-Dollar zugelassen.

Der Schatten der Regulierung, der die Technologieriesen bedroht, verdunkelte sich im Juli noch weiter, als die G7-Finanzminister sich im französischen Chantilly mit dem Problem befassten, dass die jahrzehntealten Steuervorschriften nicht mehr für den Umgang mit Unternehmen wie Facebook und Apple geeignet sind, die Gewinne mühelos in Steueroasen verschieben können. Die Entstehung digitaler Währungen wie Facebooks „Libra“ wurde ebenfalls diskutiert und es scheint, dass strenge Regeln unvermeidlich sind.

Der Brexit rückte als Hauptrisiko für den Ausblick erneut in den Vordergrund. Mit Boris Johnson als neuem Premierminister erscheint ein Brexit ohne Abkommen nun noch wahrscheinlicher.

Der Brexit rückte als Hauptrisiko für den Ausblick erneut in den Vordergrund. Mit Boris Johnson als neuem Premierminister erscheint ein Brexit ohne Abkommen nun noch wahrscheinlicher. Der neue Premierminister begann seine Amtszeit mit dem Versprechen, bis zur Deadline am 31. Oktober aus der EU auszutreten, und zwar „ohne Wenn und Aber“. Im Anschluss erklärte Michael Gove, der für die Planung für den Fall eines „No-Deal-Brexit“ zuständige Minister, dass die Regierung bei ihrer Arbeit nun von einem EU-Austritt ohne Abkommen ausgehen werde. Das britische Pfund steht unter Druck und sank gegen Monatsende unter die psychologisch wichtige Marke von 0,91 GBP zum EUR. Wir halten in der Währung keine direktionalen Positionen.