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September 7, 2024

Investitionen: Warum Sie der Macht der Gewohnheit misstrauen sollten

Um erfolgreich zu investieren, muss man nicht nur zahlreiche Aspekte berücksichtigen, sondern darf auch die eigenen Fähigkeiten, Kenntnisse oder externe Beeinflussungsfaktoren nicht überschätzen. Aber wussten Sie, dass man vorsichtig sein sollte, wenn man etwas zu kennen oder zu beherrschen glaubt? Wenn wir zu viel in etwas investieren, was uns vertraut erscheint, laufen wir Gefahr, nicht ausreichend zu diversifizieren und somit alles auf eine Karte setzen.

Das Wichtigste in Kürze

    • Der sogenannte Familiarity Bias ist eine Art Voreingenommenheit, die uns dazu veranlassen kann, entgegen unserer eigenen Interessen zu investieren, weil wir eine klare Vorliebe für etwas haben, das uns vertraut vorkommt.
    • Im Bereich der Kapitalanlagen kann sich diese Macht der Gewohnheit auf unterschiedliche Art und Weise äußern: Wir bevorzugen eine spezifische geografische Region, eine spezifische Branche oder aber ausschließlich Marken, die uns vertraut sind.
    • Da Vertrautheit uns ein Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit verschafft, verleitet sie Anleger möglicherweise dazu, weniger zu diversifizieren, was nicht ohne Risiken ist.
    • In einer globalisierten Welt, in der Sektoren und Volkswirtschaften auf komplexe Weise miteinander verbunden sind, ist diversifiziertes Anlegen schwieriger, als es scheint.
    • Durch die Überwindung des Familiarity Bias und eine aktive Streuung seiner Investitionen kann ein Anleger die Widerstandsfähigkeit seines Portfolios sowie dessen langfristiges Potenzial verbessern.
    • Die Neigung, sich für etwas Vertrautes zu entscheiden, erhöht nicht nur die Risiken insgesamt, sondern auch die Wahrscheinlichkeit, Wachstumschancen zu verpassen.

Investieren ist immer ein komplexer Prozess aus strategischen Entscheidungen und schwierigen Abwägungen, die Sie je nach Ihrem Anlegerprofil und Ihren Lebenszielen treffen müssen. Dies ist einer der Gründe, warum myLIFE Sie regelmäßig dazu ermutigt, sich beim Anlegen von Experten unterstützen zu lassen, wenn Sie alleine nicht über die Zeit und die Kompetenzen dafür verfügen.

Neben dem Faktor Rationalität spielen auch Emotionen eine Rolle. Die Verhaltensökonomie lehrt uns, dass diese nicht immer gute Ratgeber sind. Vor allem, wenn sie unser Gehirn so sehr beeinflussen, dass sie unser Handeln bestimmen, ohne dass wir uns dessen bewusst sind.

Der Familiarity Bias

Wir alle haben im täglichen Leben unsere Vorlieben: lieber dunkle als Vollmilchschokolade, lieber die eine Bekleidungsmarke als die andere, lieber diese Sportmannschaft als deren großer Rivale. Unsere Präferenzen sind das Ergebnis einer gelungenen Mischung aus unseren Charakterzügen, unseren Erfahrungen, unseren Werten und den Emotionen, die sie hervorrufen können. An sich also völlig normal. Allerdings sind diese Präferenzen manchmal so stark, dass wird dadurch objektive Faktoren ignorieren, die wir bei unserer Entscheidungsfindung jedoch eigentlich berücksichtigen sollten. Beispielsweise bleiben Sie einer Smartphone-Marke treu, auch wenn sie nicht die beste auf dem Markt ist und der Preis stark gestiegen ist. Trotz schlechter Ergebnisse wetten Sie weiter auf Ihre Lieblingsmannschaft. Um ehrlich zu sein, kommt etwas anderes gar nicht in Frage, denn irgendwie geben Ihnen Ihre gewohnten Entscheidungen ein Gefühl von Sicherheit und Sie fühlen sich bestätigt.

Hinter unseren hartnäckigen Präferenzen steckt ein altbekanntes kognitives Muster. Wenn Entscheidungen anstehen, bevorzugt unser Gehirn das Bekannte, und zwar sowohl weil es ihm Sicherheit gibt als auch aus Gründen der kognitiven Leichtigkeit. Aufgrund dieses oft unbewussten Musters wählen wir eher die Bequemlichkeit des Vertrauten als die Unbequemlichkeit und das Risiko, die mit dem Unbekannten verbunden sind. Diese kognitive Bequemlichkeit hat jedoch ihren Preis: Die negativen Faktoren unserer gewohnten Entscheidungen werden unterbewertet und neue, möglicherweise vorteilhaftere Optionen werden ignoriert.

Dieses Phänomen ist als Familiarity Bias bekannt. Er bezieht sich auf unsere Tendenz, vertraute Optionen zu bevorzugen und Alternativen – sei es bewusst oder unbewusst – zu ignorieren, nur weil sie neu bzw. unbekannt sind.

Der Familiarity Bias bezieht sich auf unsere Tendenz, vertraute Optionen zu bevorzugen und Alternativen – sei es bewusst oder unbewusst – zu ignorieren, nur weil sie neu bzw. unbekannt sind.

Der Vertrautheitsfaktor beim Investieren

Auf den ersten Blick mag es sinnvoll erscheinen, das zu bevorzugen, was man kennt oder zu kennen glaubt. Dagegen ist nichts einzuwenden, solange sich diese Tendenz nicht gegen uns wendet, und uns blind für bestimmte Risiken macht. Genau darauf gilt es bei der Kapitalanlage zu achten. Der sogenannte Familiarity Bias ist eine Art Voreingenommenheit, die uns dazu veranlassen kann, entgegen unserer eigenen Interessen zu investieren, weil wir eine klare Vorliebe für etwas haben, das uns vertraut vorkommt. Im Bereich der Kapitalanlagen kann sich diese Macht der Gewohnheit auf unterschiedliche Art und Weise äußern:

    • Wir kaufen bevorzugt Aktien lokaler, nationaler Unternehmen oder von Unternehmen aus derselben Region.
    • Wir investieren nur in Unternehmen aus einer Branche, die uns vertraut ist oder mit der wir Erfahrung haben.
    • Wir setzen nur auf Aktien von uns bekannten Unternehmen oder Marken.

Die durch den Familiarity Bias bedingte Einschränkung der Diversifizierung setzt die Anleger unnötigen Risiken aus, derer sie sich mitunter nicht einmal bewusst sind. Ein Geek könnte zum Beispiel spontan dazu neigen, ein Portfolio zusammenzustellen, in dem der Technologiesektor überrepräsentiert ist. Selbst bei einer Streuung auf verschiedene Regionen hat die Vergangenheit gezeigt, dass er vor einer Spekulationsblase nicht sicher wäre. Denn in einer globalisierten Welt, in der Sektoren und Volkswirtschaften auf komplexe Weise miteinander verbunden sind, ist diversifiziertes Anlegen schwieriger, als es scheint.

Selbst in hoch entwickelten Märkten können einige wenige Großunternehmen in einem regionalen Börsenindex dominieren. Dies wird als Konzentrationsrisiko bezeichnet. Im letzten Quartal 2023 waren die zehn größten im britischen FTSE 100 notierten Unternehmen für rund 45% der gesamten Börsenkapitalisierung verantwortlich. Demnach ist die Diversifizierung dort nicht so stark ausgeprägt, wie ein unerfahrener Anleger vielleicht denkt.

Der Familiarity Bias kann außerdem dramatische Folgen haben, wenn man alles auf das setzt, was man am besten zu kennen glaubt. Die Diversifizierung ist nicht nur eine große Herausforderung für Unternehmer, die dazu neigen, ihr gesamtes Vermögen in ihr eigenes Unternehmen zu stecken. Auch Arbeitnehmern fällt es schwer, ihre Anlagen angemessen zu streuen. In den USA investieren Millionen von Amerikanern über einen als 401(k) bekannten Sparplan in ihre Altersvorsorge. Die Anfang der 1980er-Jahre eingeführten 401(k)-Pläne ermöglichen es Arbeitnehmern, einen begrenzten Teil ihres Gehalts vor Steuern direkt zu investieren. Dieses System ist umso interessanter, als oftmals die Arbeitgeber einen Teil oder sogar den gesamten Betrag einzahlen.

Der Familiarity Bias kann dramatische Folgen haben, wenn man alles auf das setzt, was man am besten zu kennen glaubt.

Zwar können Arbeitnehmer aus einer Vielzahl von Anlagemöglichkeiten – zumeist Investmentfonds – wählen, doch viele entscheiden sich für eine Investition in die Aktien der eigenen Firma. Diese Option erscheint ihnen einfacher und wiegt sie insofern in Sicherheit, als sie das (nicht immer begründete) Gefühl haben, die Solidität ihres Unternehmens gut zu kennen. Diese mangelnde Diversifizierung kann jedoch dramatische Folgen haben, wie der Fall von Lehman Brothers im Jahr 2008 zeigt. Als die Bank in Konkurs ging, verloren die Angestellten nicht nur ihren Arbeitsplatz, sondern einige von ihnen auch ihre gesamten Ersparnisse für die Rente.

Wer meint, sich in Sicherheit wähnen zu können, weil er sich statt auf ein einzelnes Unternehmen auf einen Sektor konzentriert hat, irrt jedoch. Das werden diejenigen bestätigen können, die ihr gesamtes Vermögen in US-Immobilien investiert haben und Opfer der Subprime-Krise wurden. Auch wer sich dem Trugschluss hingegeben hatte, dass die Preise sich nur nach oben, nicht aber nach unten entwickeln würden, und daher alles auf Immobilien in Luxemburg gesetzt hat, wurde 2022 unsanft auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.

Welche Schlüsse können wir aus alledem ziehen? Nicht alles auf eine Karte zu setzen ist gut – nicht alles auf eine Farbe oder ein Symbol zu setzen, ist besser!

Nicht alles auf eine Karte zu setzen ist gut. Nicht alles auf ein Symbol zu setzen, ist besser!

Wer sich der Macht der Gewohnheit widersetzt und aktiv um eine Diversifizierung über Sektoren, Anlageklassen und Regionen hinweg bemüht, kann die Widerstandsfähigkeit seines Portfolios und dessen langfristiges Potenzial verbessern.

Tipps zur Überwindung des Familiarity Bias

Wir alle stehen unter dem Einfluss des Familiarity Bias. Gerade bei Investitionen sollten wir uns dies in Erinnerung rufen, um nicht die Risiken – und damit auch die Wahrscheinlichkeit, Wachstumschancen in uns weniger vertrauten Branchen oder Märkten zu verpassen – zu erhöhen. Doch wie können wir diese Voreingenommenheit überwinden? Es gibt Instrumente und Strategien, mit denen Sie diese Wachstumsbremse für Ihr Anlageportfolio möglicherweise beseitigen können. Wir stellen Ihnen die wichtigsten vor.

    1. Zwingen Sie sich, Ihr Portfolio zu diversifizieren. Indem Sie Ihre Investitionen über verschiedene Sektoren, Regionen und Anlageklassen hinweg streuen, verringern Sie die Auswirkungen des Familiarity Bias. Zwar haben wir gesehen, dass Diversifizierung komplex sein kann, doch dieser Ansatz minimiert Ihre Abhängigkeit von einer bestimmten Anlage und ermöglicht es Ihnen gleichzeitig, potenzielle Chancen besser zu nutzen
    2. Suchen Sie aktiv nach zuverlässigen Informationen über Anlagen jenseits Ihrer Komfortzone. Erweitern Sie Ihre Kenntnisse, indem Sie neue Branchen oder Märkte erkunden. Auf diese Weise können Sie fundiertere Entscheidungen treffen und neue Chancen erkennen.
    3. Lassen Sie sich von Experten beraten. Finanzberater sind dazu da, Sie zu unterstützen und Ihnen Empfehlungen zu geben, um Ihr Portfolio zu diversifizieren, wobei gleichzeitig Ihre Risikobereitschaft, Ihre Ziele und Ihr Anlagehorizont berücksichtigt werden.
    4. Überprüfen Sie Ihr Portfolio regelmäßig und nehmen Sie gegebenenfalls Umschichtungen vor. Durch die regelmäßige Überprüfung und Neuausrichtung können Sie übermäßige Risikokonzentrationen ausmachen, die Diversifizierung aufrechterhalten und gleichzeitig sicherstellen, dass Ihr Portfolio weiterhin Ihren Anlagezielen entspricht. Wenn Ihnen das zu mühsam erscheint, können Sie die Vermögensverwaltung in Erwägung ziehen, bei der der Bank das Mandat erteilt wird, Ihr Vermögen in Ihrem Namen und für Ihre Rechnung unter Beachtung einer vorher mit Ihnen festgelegten Anlagestrategie zu verwalten.

Sie möchten besser investieren? Lernen Sie, sich der Macht der Gewohnheit zu widersetzen!