Klimaangst: Vorsicht vor Greenwashing
Hitzewellen, Überschwemmungen, Waldbrände, Umweltverschmutzung – die Symptome des Klimawandels mehren sich und sind auch in unseren Breitengraden nicht zu übersehen. Über diese Veränderungen wird in den Medien ausführlich berichtet. Dies trägt zu einem Klima der Angst bei, das sich negativ auf unsere psychische Gesundheit auswirkt. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Klima- oder Umweltangst – und diese kann zu irrationalen Kaufentscheidungen führen. Im vorliegenden Artikel nehmen wir dieses Phänomen genauer unter die Lupe.
Das Wichtigste in Kürze
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Klimaangst ist die Angst vor dem Klimawandel. Sie entsteht, wenn aus dem Bewusstsein für die Notwendigkeit, zu handeln, eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Angst vor einer unmittelbar bevorstehenden Klimakatastrophe wird.
Angst ist bekanntlich kein guter Ratgeber – das gilt auch für die Klimaangst. Neben den negativen Auswirkungen auf unser körperliches und seelisches Wohlbefinden macht sie uns auch anfälliger für manipulative Marketingpraktiken, die uns zum Kauf vermeintlich grüner Produkte bewegen sollen. In Wirklichkeit wirken sich diese Produkte jedoch überhaupt nicht positiv auf das Klima aus.
Klimaangst betrifft vor allem junge Menschen
Die Angst vor dem Klimawandel ist weiter verbreitet, als man vermuten würde – und es leiden immer mehr Menschen darunter. Die chronische Angst vor Naturkatastrophen ist nicht nur bei Menschen zu beobachten, die direkt von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind. Sie erfasst immer häufiger auch Menschen, die sich – beeinflusst durch die permanente und dramatisierende Berichterstattung – vom Klimawandel bedroht fühlen und vor einer ungewissen Zukunft fürchten. Eine Gruppe ist besonders anfällig für dieses Empfindung: junge Menschen.
Eine Gruppe ist besonders anfällig für Klimaangst: junge Menschen.
Im Jahr 2021 wurde eine Studie unter 10.000 Teilnehmenden im Alter zwischen 16 und 25 Jahren in zehn Ländern (Australien, Brasilien, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Nigeria, Philippinen, Portugal und USA) durchgeführt. Sie wurde in der Fachzeitschrift The Lancet Planetary Health veröffentlicht und ergab, dass sich 59% der befragten jungen Menschen Sorgen wegen des Klimawandels machen, der bei ihnen negative Emotionen wie Traurigkeit, Angst, Wut, Ohnmacht, Hilflosigkeit und Schuldgefühle auslöst.
Auch wenn Klimaangst angesichts der Realität Erderwärmung verständlich ist, stellt sich die Frage, ob sie hilfreich ist und sinnvolle Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel anstoßen kann. In dieser Frage gehen die Meinungen in der Wissenschaft auseinander. Sie stellen fest, dass eine gewisse Sensibilität und sogar Besorgnis mit Blick auf den Klimawandel zum Handeln anregen kann, dass übertriebene Klimaangst jedoch eher lähmend wirkt.
So fühlen sich einige Menschen angesichts der Dimension des Problems überfordert und sind der Ansicht, dass ihr Handeln ohnehin keinen Einfluss auf die Zukunft des Planeten hat. Deshalb sehen sie keinen Sinn darin, ihre Gewohnheiten zu ändern. Andere wiederum wollen handeln, ohne genau zu wissen, wie. Sie begehen den Fehler, sich nur von ihren Emotionen leiten zu lassen.
Emotionen und Umweltbewusstsein
In diesem Zusammenhang sollte zwischen Umweltbewusstsein und Umweltpanik unterschieden werden. Allzu oft versuchen skrupellose Unternehmen, Umweltängste auszunutzen, um mehr Produkte oder Dienstleistungen zu verkaufen. Ob in Sachen Umwelt oder Geld, Emotionen sind immer ein schlechter Ratgeber, wenn es darum geht, rationale Entscheidungen zu treffen.
In diesem Zusammenhang sollte zwischen Umweltbewusstsein und Umweltpanik unterschieden werden.
Die meisten Menschen glauben – zu Recht –, ihrer Klimaangst etwas entgegensetzen zu können, indem sie sich im Alltag ökologisch verhalten. Und dabei geht es natürlich auch um das eigene Kaufverhalten. Fast die Hälfte der Verbraucher in Europa gibt an, bei Produkten, die sie kaufen wollen, auf Umweltaussagen zu achten. Sie räumen aber auch ein, dass es nicht immer einfach ist, den Überblick zu behalten. Hier nutzen einige Unternehmen den Wunsch der Verbraucher aus, das Richtige zu tun, indem sie Produkte als umweltfreundlich anpreisen, die es in Wirklichkeit gar nicht sind.
Diese Praktiken, bei denen Unternehmen ihre ökologischen (oder sozialen) Fortschritte oder die Nachhaltigkeit ihrer Produkte übertrieben positiv darstellen, werden als Greenwashing bezeichnet. Es ist wichtig, dieses Phänomen zu kennen, um seinem Einfluss entgegenzuwirken, der bei jungen Menschen besonders stark ist. Junge Menschen, die sich für die Umwelt einsetzen wollen und in sozialen Netzwerken aktiv sind, sind ein beliebtes Ziel für Marken, die Greenwashing betreiben.
Warum funktioniert das? Ganz einfach: weil Greenwashing direkt unsere Emotionen anspricht. Die Firmen richten sich direkt an die in uns schlummernde Klimaangst, um sofortiges Handeln zu provozieren, und umgehen so eine rationale Überprüfung der vorgebrachten Argumente. Um zwischen wahr und falsch unterscheiden zu können, braucht es jedoch einen kühlen Kopf.
Greenwashing erkennen
Greenwashing ist eine Marketingstrategie, bei der Unternehmen ihre Praktiken oder Produkte als umweltbewusster oder umweltfreundlicher darstellen, als sie tatsächlich sind. Dabei handelt es sich um eine Form von irreführender Werbung.
Greenwashing ist eine Marketingstrategie, bei der Unternehmen ihre Praktiken oder Produkte als umweltbewusster oder umweltfreundlicher darstellen, als sie tatsächlich sind.
Diese irreführenden Praktiken werden von Akteuren aus Branchen wie Lebensmittel, Mode, Kosmetik, Reinigungsprodukte, Elektronik und Transport angewandt. Die Liste ist bei weitem nicht vollständig. Das ist alles andere als ein Randproblem: Eine Studie der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2020 ergab, dass 53,3% der untersuchten Umweltaussagen in der EU vage, irreführend oder unbegründet waren. Schlimmer noch – 40% der Behauptungen waren schlichtweg haltlos.
Die Europäische Kommission ist sich der schädlichen Auswirkungen dieses Vorgehens bewusst und hat am 22. März 2023 eine neue Richtlinie zur Bekämpfung von Greenwashing veröffentlicht. Gemäß den Kriterien der EU umfasst Greenwashing folgende Praktiken:
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- Anbringen eines Nachhaltigkeitssiegels, das nicht auf einem Zertifizierungssystem beruht bzw. nicht von staatlichen Stellen eingeführt wurde
- Treffen einer allgemeinen Umweltaussage, bei der der Gewerbetreibende für die (vermeintlich) anerkannte hervorragende Umweltleistung, auf die sich die Aussage bezieht, keine Nachweise erbringen kann
- Treffen einer Umweltaussage zum gesamten Produkt, wenn sie sich tatsächlich nur auf einen bestimmten Aspekt des Produkts bezieht
- Präsentation von Anforderungen, die kraft Gesetzes für eine ganze Produktkategorie gelten, als Besonderheit des Angebots eines Gewerbetreibenden
- usw.
Greenwashing kann diverse Formen annehmen. Einige Unternehmen betreiben Greenwashing, indem sie in ihren Werbekampagnen Botschaften wie „T-Shirt aus recycelten Plastikflaschen“, „Lieferung mit CO2-Ausgleich“, „Verpackung aus 30% recyceltem Plastik“ oder „ozeanfreundliche Sonnencreme“ verwenden. Greenwashing erfolgt häufig auch über die Produktverpackung: übermäßige Verwendung der Farbe Grün, um die Natürlichkeit des Produkts zu betonen, Abbildung von Naturlandschaften, Hervorhebung von Elementen, die nicht im Produkt enthalten sind, wie zum Beispiel Palmöl usw.
Schließlich berufen sich Marken auf Siegel, die gar nicht existieren, wie zum Beispiel „100% Naturfaser“, verwenden Begriffe wie „grün“ oder Formulierungen, die an das ökologische Gewissen appellieren oder Umweltfreundlichkeit suggerieren, wie „mit Sorgfalt und natürlichen Inhaltsstoffen hergestellt“.
Tipps: So erkennen Sie Greenwashing
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um Greenwashing-Praktiken auf die Schliche zu kommen. Hierzu gehören:
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- Besuchen Sie das Portal der EU zum Thema. Dort finden Sie viele Tipps und Informationen, die Ihnen helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
- Wenn die Marke, für die Sie sich interessieren, mit einem Siegel wirbt, das Sie nicht kennen, können Sie sich auf diesem Portal informieren.
- Seien Sie misstrauisch bei allzu grünen Verpackungen, lassen Sie sich nicht vom äußeren Schein täuschen und überprüfen Sie immer wieder die Informationen über Produkte und Marken – insbesondere indem Sie die Meinungen anderer Verbraucher lesen.
- Lernen Sie, die Liste der Inhaltsstoffe systematisch zu überprüfen, um sicherzugehen, dass die Produkte halten, was sie versprechen.
- Seien Sie misstrauisch bei Begriffen wie „verantwortungsvoll“, „ethisch“ oder „ökologisch“, die oft inflationär verwendet werden und kaum noch etwas bedeuten.
- Achten Sie bei Aussagen zu Themen wie Recycling oder dem Ausgleich des CO2-Fußabdrucks auf konkrete Zahlen und Fakten. Wenn sich ein Unternehmen in diesem Bereich wirklich vorbildlich verhält, sollte es nicht schwer sein, zuverlässige Informationen darüber zu finden.
- Stellen Sie sich immer die Frage, ob Sie ein grünes Produkt, das als innovativ beworben wird, wirklich brauchen. Der Kauf eines Produktes ist immer Konsum, auch wenn es sich um ein umweltfreundliches Produkt handelt. Wenn Sie auf unnötigen Konsum verzichten, tun Sie etwas für das Klima!
Sie möchten einen Beitrag zum Umweltschutz leisten, indem Sie bewusst einkaufen? Großartig! Achten Sie jedoch darauf, einen kühlen Kopf zu bewahren. Selbstverständlich haben nicht alle Unternehmen schlechte Absichten. Deshalb ist es umso wichtiger, diejenigen auszumachen, die Ihre Klimaangst ausnutzen wollen.