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April 18, 2024

Mit Freunden oder Verwandten zusammenarbeiten?

  Gesammelt von myLIFE team me&myFAMILY August 30, 2022 865

„Ist es klug, meinen Bruder als Finanzchef der Firma einzustellen? Sollte ich nicht besser Arbeit und Familie trennen?“ Diese Fragen stellt sich Simon, der in Luxemburg ein Unternehmen führt und über eine mögliche Zusammenarbeit mit Familienmitgliedern oder Freunden nachdenkt.

Hintergrund

Simons Unternehmen wächst rasant. Die Geschäfte laufen gut. Jetzt müssen Mitarbeiter eingestellt werden, damit das Unternehmen, das er vor knapp zehn Jahren allein in seiner Garage gegründet hat, wachsen kann. Vor allem will er dringend einen Finanzchef einstellen. Das trifft sich gut, da sein älterer Bruder den Posten in einer Firma übernehmen möchte, bei der er schon seit mehreren Jahren angestellt ist.

Zunächst denkt Simon, dass er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen könnte, indem er von der Kompetenz seines Bruders profitiert und ihm diese Chance zur beruflichen Weiterentwicklung bietet! Die Familie bedeutet ihm viel und er versteht sich ausgezeichnet mit seinem Bruder. Das scheint die perfekte Lösung zu sein. Simon ist sich aber durchaus bewusst, dass „es nicht ganz so einfach ist …“

Ein Familienmitglied oder einen langjährigen Freund einzustellen, ist eventuell nur auf den ersten Blick eine gute Idee. Im Grunde spricht nichts gegen eine direkte berufliche Beziehung zum eigenen Bruder. Simon fragt sich allerdings, wie er mit dem Hierarchiegefälle gegenüber seinem älteren Bruder umgehen soll. Es ist eine ganz andere Situation, als wenn sie beide als Angestellte für denselben Arbeitgeber arbeiten würden. Das wäre deutlich leichter.

Wenngleich die Entscheidung letztendlich bei Simon liegt, möchten wir einige Aspekte betrachten, die er dabei beachten sollte.

Gefühle außen vor lassen

Zunächst sollten Sie darauf achten, dass Sie eine Person aus Ihrem engsten Umfeld nicht aus falschen Motiven einstellen, etwa aus Mitgefühl oder um ihr einen Gefallen zu tun. Wenn Simon seinen Bruder nur einstellen würde, weil er ein Familienmitglied ist, wäre das die denkbar schlechteste Wahl. Das ist jedoch nicht der Fall, da sein Bruder durchaus für den fraglichen Posten qualifiziert ist.

Entscheidend ist nicht, ob Ihnen eine Person nahesteht, sondern ob sie fachlich kompetent ist.

Entscheidend ist nicht, ob Ihnen eine Person nahesteht, sondern ob sie die entsprechende fachliche Kompetenz besitzt. Das klingt selbstverständlich. Aber wenn dieses Prinzip missachtet wird, könnte das künftige Verhältnis schwierig werden, vor allem wenn es nicht gut läuft. Eine Zusammenarbeit und deren Beendigung sollten allein auf den fachlichen Kompetenzen beruhen und nicht bloß auf Familienbanden. Es ist nicht verkehrt, wenn Sie einen Ihrer Lieben, der Ihr Vertrauen genießt, unter mehreren Bewerbern mit „gleichen oder ähnlichen Fähigkeiten“ bevorzugen.

Diese Frage stellt sich für Simon nicht, da sein Bruder Martin für die Stelle durchaus qualifiziert ist. Sehen wir uns weitere Aspekte an.

Trennung von Berufs- und Privatleben

Wenn Martin den Posten bekommt, müssen er und Simon gemeinsam ein heikles Problem lösen. Sie müssen es schaffen, Berufliches und Privates klar voneinander trennen. Wer sitzt in der Mittagspause am Tisch, der Bruder oder ein Angestellter? Sind Familienessen eine passende Gelegenheit, um dringende geschäftliche Themen zu besprechen? Und was ist mit all den Dingen, die Simon über Martins Privatleben weiß? Muss er so tun, als ob er nichts davon wüsste und nichts sagen, wenn Martin sich an dem Tag krank meldet, an dem er seine Küche neu fliesen lässt?

Wie können wir gegenüber einer nahestehenden Person objektiv bleiben? Wie übt man eine neutrale Führungsautorität gegenüber einem Angestellten aus, mit dem man privat viel zu tun hat? Wie kann man in der Familie wieder der kleine Bruder sein, wenn man die ganze Woche der Vorgesetzte war? Noch schwieriger: Wie kann man ein Familienmitglied entlassen, wenn es nötig ist? Oder wie kann man einen Angehörigen loben, wenn er es verdient, ohne befürchten zu müssen, dass die anderen Kollegen darin eine unfaire Begünstigung sehen?

Es gibt kein Patentrezept, wie man Berufliches und Privates strikt getrennt halten kann. Es erfordert tägliche Disziplin im Wissen, dass sich die Grenzen von Zeit zu Zeit etwas verschieben. Wenn dies Sie bzw. Ihren Freund oder Verwandten überfordert, sollten Sie sich eine Zusammenarbeit gut überlegen!

Geld und Gefühle – eine explosive Mischung

Das Berufliche geht zwangsweise mit dem Finanziellen einher. Wir alle wissen, dass Geld oft Ursache für Konflikte oder Frustration ist, im Beruf genauso wie im Privatleben. Stellen Sie sich also vor, dass sich diese beiden Bereiche vermischen.

Bei beiden Betroffenen können sehr schnell Groll und Missgunst entstehen. Das Problem ist, dass die Frustration im Beruf nach und nach auf den privaten Bereich übergreift. Wenn keine Lösung gefunden wird, zerstört dies beide Bereiche. Das bedeutet dann berufliches und persönliches Scheitern zugleich. Für Simon gäbe es wohl kaum etwas Schlimmeres.

Um dies so gut es geht zu vermeiden, muss Simon eine klare Vorstellung davon haben, wie das Angebot für seinen zukünftigen Finanzchef aussehen soll, unabhängig davon, mit wem er die Stelle letztendlich besetzt. Ebenso sollte Martin sich bei seinen Forderungen nicht an seinem Bruder orientieren, sondern daran, was er seines Erachtens für die in dieser Funktion erbrachte Leistung verlangen kann. Auf dieser Grundlage können sich dann beide einigen oder auch nicht.

In Luxemburg gibt es zahlreiche Beispiele für erfolgreiche Familienunternehmen in verschiedenen Branchen.

Erfolgsbeispiele

Simon ist ein solider, bodenständiger Unternehmer und der Erfolg gibt ihm recht. Er beschließt, das Thema mit etwas Abstand zu betrachten. Dazu schaut er sich innerhalb seines beruflichen Netzwerks die Unternehmen genauer an, die sich für eine Familienstruktur entschieden haben. Von florierenden kleinen und mittelständischen Unternehmen bis hin zu renommierten multinationalen Gesellschaften: In Luxemburg gibt es zahlreiche erfolgreiche Unternehmen verschiedener Branchen, die aus einem Familienbetrieb entstanden sind und sich seit über 100 Jahren in dieser Struktur weiterentwickelt haben.

Simon ist überzeugt, dass es in diesen Familienunternehmen aufgrund ihrer besonderen Struktur sicher schwierige Zeiten gab. Die Tatsache, dass es sie noch gibt und sie sich in ihrer familiären Organisationsstruktur sogar weiterentwickeln, zeigt allerdings, dass es möglich ist, ein solches Unternehmen erfolgreich zu führen. Sie haben offensichtlich aus dieser Verflechtung der familiären Beziehungen (das Gleiche gilt auch für Freundschaftsbeziehungen) mit geschäftlichen das Beste gemacht.

Das Verhältnis zu einer nahestehenden Person kann dank einer Vertrauensbeziehung, die zwei „normale“ Kollegen nie erreichen würden, das Arbeitsklima bereichern.

Die Zusammenarbeit mit vertrauten Menschen hat aus Simons Sicht also nicht nur Nachteile. Das Verhältnis zu einer nahestehenden Person kann dank einer Vertrauensbeziehung, die zwei „normale“ Kollegen nie erreichen würden, das Arbeitsklima bereichern und das Unternehmen weiterbringen.

Bei Gesprächen mit anderen Unternehmenschefs erkennt er allerdings eine weitere Schwierigkeit, die ihn zum Nachdenken bringt. Er stellt fest, dass diese Familienunternehmen auch schnell verstanden haben, dass bestimmte Themen – allen voran Finanzthemen – manchmal an einen Dritten außerhalb der Familie oder auch an einen Buchhalter oder Bankfachmann übertragen werden müssen. Dadurch werden Entscheidungen im Zusammenhang mit diesem Thema mit der erforderlichen Objektivität gefällt. Die Stelle, die er für seinen Bruder vorgesehen hat, ist nun aber ausgerechnet die des Finanzchefs …

Zwischen Schauspielen und flexiblem Denken

Simon ist sich bewusst, dass ein Konflikt zwischen Berufs- und Privatleben unbedingt zu vermeiden ist. Daher empfiehlt es sich, sie strikt voneinander zu trennen. Logisch, sagt er sich, aber wie soll das konkret gehen? Wie kann man die Rollen voneinander unterscheiden? „Rollen“ ist hier genau das richtige Wort. Denn es geht in gewisser Weise um Schauspielen. Genau wie ein Schauspieler, der weiß, dass ihm nicht die Filmfigur, sondern nur ein anderer Schauspieler gegenübersteht, muss Simon in Martin einen Mitarbeiter und nicht seinen Bruder Martin sehen.

Simon wird sich daraufhin bewusst, dass eine derartige Zusammenarbeit in gewisser Weise zwei Persönlichkeiten oder zumindest ein extrem flexibles Denken erfordert. Von 9.00 bis 19.00 Uhr ist er Firmenchef. Und von 19.00 bis 9.00 Uhr sowie an den Wochenenden ist er Bruder und Vertrauter. Diese klare Trennung muss von Anfang an gelten und von beiden akzeptiert werden.

Die familiäre Bindung zu seinem Bruder führt zu keinerlei Bevorzugung oder mehr Toleranz. Dementsprechend erwartet Simon, dass sein Bruder ihn selbst wie einen ganz normalen Arbeitgeber behandelt. Für ihn ist es übrigens auch nicht einfach, sich das vorzustellen!

Geschäftliche Entscheidungen müssen ohne Berücksichtigung von Emotionen und familiären Bindungen zum Nutzen des Unternehmens getroffen werden.

Geschäftliche Entscheidungen müssen ohne Berücksichtigung von Emotionen und familiären Bindungen zum Nutzen des Unternehmens getroffen werden. Das Unternehmen wird zu einem symbolischen Dritten, dem sich beide Brüder auf gewisse Weise unterordnen. Somit unterwerfen sie sich der Logik des Unternehmens, die ihr Verhältnis während der Arbeitszeit bestimmt.

Epilog

Simon hat entschieden: Er wird nicht mit seinem Bruder zusammenarbeiten. Vorerst will er die Finanzen des Unternehmens selbst in der Hand behalten, mit Unterstützung eines externen Buchhalters und fachkundiger Beratung durch seinen Bankberater. Bei dieser Entscheidung kam auch der Umstand zum Tragen, dass sein Bruder schließlich den angestrebten Posten in der Firma bekommen hat, in der er schon arbeitete, und rundum zufrieden ist. Simon hat eine Cousine als Projektmanagerin eingestellt und bisher läuft alles reibungslos. Unterschiedliche Situationen lassen sich nur bedingt vergleichen.

Was hätten Sie an Simons Stelle getan? Die Entscheidung, mit einem Familienmitglied oder Freund zusammenzuarbeiten, sollte gut überlegt sein. Wenngleich jeder diese Frage für sich selbst beantworten muss, hoffen wir, mit diesem Artikel die Entscheidungsfindung etwas erleichtern zu können.