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Dezember 22, 2024

Was ist Mikrofinanzierung?

  Gesammelt von myLIFE team myINVEST August 13, 2020 2135

Es gibt zwei Möglichkeiten, um die Entwicklung von Schwellenländern zu fördern – man kann das Geld von oben verteilen oder an der Basis ansetzen. Gemeinnützige Verbände und Hilfsorganisationen nutzen in der Regel den „Sprinkle Down“-Ansatz, d. h. sie sorgen dafür, dass sauberes Wasser vorhanden ist, Zugang zu elektrischem Strom geschaffen wird oder Wohnhäuser errichtet werden. Mikrofinanzierung funktioniert genau umgekehrt: Die Menschen werden ins Finanzsystem eingebunden und erhalten Zugang zu Bankkonten und Krediten. Auf diese Weise soll ein selbsttragendes Wachstum angeregt werden, das letztlich zu mehr Wohlstand im gesamten Land führt.

Mikrofinanzierung ist keine neue Erfindung. Sie wurde erstmals in den 1980er Jahren in Bangladesch eingesetzt, und die Idee stammt von dem Wirtschaftsprofessor Muhammad Yunus, der davon überzeugt ist, dass kleine Kredite Frauen bei der Gründung von Unternehmen helfen könnten, die schließlich ihr Leben verändern werden.

Das Modell der Grameen Bank

Yunus gründete die Grameen Bank, ein Modell, das unter gemeinnützigen Verbänden und anderen Organisationen auf internationaler Ebene zahlreiche Nachahmer fand. Später beteiligten sich private Unternehmen und Banken, und die Wachstumsraten zogen kräftig an. Inzwischen hat sich daraus eine große Branche entwickelt, die weltweit immer noch zweistellige Wachstumsraten verzeichnet. Yunus und die Grameen Bank erhielten 2006 den Friedensnobelpreis für ihre Bemühungen, die wirtschaftliche und soziale Entwicklung von der Basis aus anzuregen.

Finanzielle Integration ist Bestandteil der 17 Ziele der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung. In einem Großteil der Schwellenländer fehlt der Zugang zu Bankdienstleistungen, und das ist nach wie vor eine große Hürde für die Entwicklung. Nach Schätzungen der Weltbank gibt es weltweit bis zu 1,7 Mrd. Erwachsene, die keine Möglichkeit haben, das Finanzsystem zu nutzen. Das erschwert es ihnen, Unternehmen zu gründen oder anders als von der Hand in den Mund zu leben. Die Mikrofinanzierung gilt als einer der wichtigsten Lösungsansätze für dieses Problem.

Es gibt verschiedene Arten von Mikrofinanzinstituten. Ein Teil des Marktes besteht zwar immer noch aus gemeinnützigen Unternehmen und nicht gewinnorientierten Organisationen, doch es gibt auch spezielle Banken, die Einwohnern von Schwellenländern Sparkonten, Darlehen und Versicherungsprodukte anbieten.

In Luxemburg legte die Regierung 2009 den Luxembourg Microfinance and Development Fund auf, der bei verantwortungsbewussten Mikrofinanzinstituten investiert.

Luxemburgs Vorreiterrolle im Bereich der Mikrofinanzierung

Es gibt auch Mikrofinanzierungsfonds, die Kapital von Anlegern einwerben und dieses dann in Form von Darlehen an kreditwürdige Darlehensnehmer vergeben. In Luxemburg, das bei der Förderung dieses Sektors eine Vorreiterrolle unter den Finanzplätzen einnimmt, legte die Regierung 2009 den Luxembourg Microfinance and Development Fund auf, der bei verantwortungsbewussten Mikrofinanzinstituten investiert. Im Wesentlichen wird immer das gleiche Ziel verfolgt: Die ärmsten Menschen weltweit sollen Zugang zum Finanzsystem erhalten, um sie bei der Verbesserung ihrer Lebensumstände zu unterstützen und wirtschaftlichen Wohlstand zu fördern.

Diese Darlehen können verschiedene Formen haben und für zahlreiche unterschiedliche Zwecke eingesetzt werden. Frauen beispielsweise sind manchmal verschuldet, nachdem sie die Kosten für die medizinische Versorgung bei der Geburt ihrer Kinder bezahlt haben. Einige Fonds geben ihnen Kapital, damit sie die Schulden zu günstigeren Zinsen und über einen längeren Zeitraum hinweg abzahlen können.

Viele Darlehen dienen zur Gründung oder zum Aufbau kleiner Unternehmen. Yunus begann Mitte der 1970er Jahre, kleine Verbraucherkredite an mittellose Korbflechter in Bangladesch zu vergeben, während die führende Mikrofinanzierungsgruppe BlueOrchard, die zum britischen Anlageverwalter Schroders gehört, besonders auf Erfolgsgeschichten wie die eines Imkers in Bosnien-Herzegowina und einer Zuckerbäckerin aus Cali in Kolumbien verweist.

Mikrofinanzierungsfonds erzielen in aller Regel hohe Erträge – je nach Fonds zwischen 4 % und 5 % – und bieten eine gewisse Diversifizierung gegenüber den klassischen Aktien- und Anleihenmärkten.

Solide Renditen und niedrige Ausfallquoten

Mikrofinanzierungsfonds erzielen in aller Regel hohe Erträge – je nach Fonds zwischen 4 % und 5 % – und bieten eine gewisse Diversifizierung gegenüber klassischen Anlagen in Aktien und Anleihen. Für Anleger hält der Bereich Mikrofinanzierung klare Vorteile bereit, wobei jedoch nicht vergessen werden darf, dass die Wertentwicklung in der Vergangenheit keine Garantie für künftige Ergebnisse darstellt und Anlagen immer mit Risiken verbunden sind.

Anders als gemeinhin angenommen sind die Ausfallquoten üblicherweise niedrig. Kreditgeber im Mikrofinanzierungssektor verzeichnen gewöhnlich Rückzahlungsquoten von ca. 95 % und liegen damit in etwa auf dem gleichen Niveau wie Inhaber normaler Kreditkarten. Einige Kreditgeber, die schwerpunktmäßig Darlehen an Frauen vergeben, berichten sogar von noch niedrigeren Ausfallquoten.

Die Mikrofinanzierung ist Teil eines allgemeinen Trends zum Impact Investing und wird auch in Industrieländern angeboten. Zum jetzigen Zeitpunkt liegen hierfür zwar nur vereinzelte Berichte vor, doch es wäre denkbar, dass durch die COVID-19-Pandemie auch stärker heimatverbundene soziale Zielsetzungen mit integrativem Charakter in den Fokus rücken.

Beim Impact Investing werden nicht nur Finanzrenditen angestrebt, sondern es sollen konkrete Lösungen für bestimmte soziale oder ökologische Probleme wie die Versorgung eines Dorfes mit elektrischem Strom oder sauberem Trinkwasser gefunden werden. Die Anleger wissen, dass ihr Geld für einen guten Zweck eingesetzt wird, und können konkrete Ergebnisse sehen. Viele Mikrofinanzierungsanbieter berichten ausführlich darüber, inwiefern sie das Leben einzelner Personen oder Gruppen beeinflusst haben.

Druck auf die Schuldner

In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass Mikrofinanzierung nicht immer so vorteilhaft ist wie theoretisch angenommen, und das Modell wird durchaus kontrovers diskutiert. Einige Kritiker sind der Meinung, Anbieter mit weniger strengen Kreditvergabekriterien hätten dabei geholfen, Konsum anstatt wirtschaftlicher Fördermaßnahmen wie Unternehmensgründungen zu finanzieren. Außerdem wird der Branche vorgeworfen, armen Menschen eine Schuldenlast aufzubürden, mit der sie finanziell überfordert sind.

Von staatlicher Seite wurden Maßnahmen ergriffen, um in einem Sektor, der zeitweilig von kommerziellen anstatt von selbstlosen Motiven beherrscht zu werden drohte, für Professionalität zu sorgen. In Indien waren die Behörden besorgt, dass die ärmsten Mitglieder der Gesellschaft durch Mikrofinanzierungsdarlehen in eine Schuldenspirale geraten könnten, da viele Kredite unzulässig angeboten wurden und Unternehmen bereits verschuldete Frauen zur Aufnahme noch höherer Kredite drängten.

Seit 2015 vergibt die Reserve Bank of India Lizenzen für sogenannte Kleinkreditinstitute, die bestrebt sind, den ärmsten Menschen und Familien Zugang zu Krediten und Bankdienstleistungen zu verschaffen. Darüber hinaus hat die indische Zentralbank ein Netzwerk für Mikrofinanzinstitute geschaffen. Diese Initiativen haben dazu beigetragen, unlauteren Methoden wie der aggressiven Schuldeneintreibung ein Ende zu setzen, und andere Länder sind dem Vorbild Indiens gefolgt.

Technologie und Transparenz

Aus den aktuellen Zahlen des Microfinance Barometer 2019, das von der Pariser Armutsbekämpfungsinitiative Convergences veröffentlicht wird, geht hervor, dass 139,9 Mio. Kreditnehmer im Jahr 2018 Mikrofinanzinstitute nutzten, während es 2009 nur 98 Mio. gewesen waren. 80 % der Kreditnehmer sind Frauen und 65 % stammen aus dem ländlichen Raum. Heute ist die Mikrofinanzierung eine 124 Mrd. US-Dollar schwere Branche, die größtenteils in Lateinamerika und der Karibik (48 Mrd. US-Dollar), gefolgt von Südasien (37 Mrd. US-Dollar) sowie Ostasien und dem Pazifikraum (21,5 Mrd. US-Dollar) angesiedelt ist.

Der Sektor setzt Finanztechnologien wie Zahlungssysteme und Apps für Mobilgeräte ein, um Kreditanträge und Rückzahlungen nachzuverfolgen. Das erhöht die Transparenz und verbessert die Dienstleistung für die einzelnen Nutzer, da Mobilfunknetze und -telefone in allen Schwellenländern Verbreitung finden und so andere Voraussetzungen für Mikrofinanzinstitute geschaffen werden.

Mikrofinanzierung ist eine Anlageform, die das Leben von Menschen verändern kann. Es müssen jedoch geeignete Kontrollmechanismen zum Schutz gefährdeter Personen vorhanden sein – und die meisten Kreditnehmer sind finanziell gefährdet. In den letzten Jahren hat sich die Transparenz in diesem Sektor verbessert. Anleger sollten dennoch darauf achten, ihr Geld einem seriösen Institut anzuvertrauen, das nicht nur eine solide Erfolgsbilanz im Hinblick auf die finanziellen Renditen vorweisen kann, sondern auch seine Leistungsversprechen gegenüber den von ihm betreuten Menschen und gesellschaftlichen Gruppen einhält.