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Dezember 22, 2024

Zufriedenheit als Entscheidungskriterium

Ein altbekanntes Sprichwort besagt: „Das Bessere ist der Feind des Guten.“ Kommt man schneller ans Ziel, wenn man sich für das Gute entscheidet, statt vergeblich dem Besten nachzulaufen? myLIFE hat sich für Sie ausführlicher mit dieser Frage beschäftigt.

Sie sehen sich nicht als Perfektionisten, möchten aber trotzdem die beste Schule für Ihre Kinder, das beste Haus für Ihre Familie, die beste Finanzanlage oder den besten Kredit. Auch für Ihren Urlaub wollen Sie das perfekte Hotel in idealer Lage, mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis und Top-Verpflegung finden – und das alles, ohne das Budget zu sprengen. Das ist völlig normal, aber achten Sie darauf, dass Sie nicht die eierlegende Wollmilchsau suchen.

Wie sollen Sie eine Entscheidung treffen, wenn keines der Angebote Ihre Kriterien voll und ganz erfüllt? Es gibt eine Methode, auf die viele Experten zurückgreifen: Anstatt sich durch den Wunsch nach Perfektion selbst zu blockieren, entscheiden sie sich für eine Option, mit der sie zufrieden sind. Das ist zwar nicht gerade die rationalste Art der Entscheidungsfindung, aber oft die effektivste.

Als treuer Leser von myLIFE erstaunt Sie dieser Vorschlag womöglich etwas. Schließlich haben Sie an anderer Stelle erfahren, dass eine gute Intuition oft nicht mehr als eine Illusion ist und dass sich gute Entscheidungen auf greifbare, rationale Elemente stützen sollten. Experten können ihrem Bauchgefühl in einer bestimmten Situation nur dann vertrauen, wenn sie etwas ähnliches schon einmal erlebt haben. Aber wie können Sie nun Entscheidungen fällen, wenn Sie sich nicht auf Ihre Intuition verlassen können?

Die Grenzen der „absoluten Rationalität“

Die Möglichkeit der Wahl zwischen zahlreichen Alternativen bietet uns die Gelegenheit zur persönlichen Entfaltung und bestätigt uns in unserer Selbständigkeit. Wenn uns mehrere Alternativen zur Verfügung stehen, ist es ganz natürlich, dass wir unter all diesen unbedingt die beste für uns und unsere Familie finden möchten.

Gemäß der klassischen Wirtschaftstheorie trifft man Entscheidungen am besten so rational wie möglich und unter Einbeziehung sämtlicher Opportunitätskosten. Das bedeutet, dass Sie in der Lage sein müssen, Ihre Wahlmöglichkeiten umfassend zu vergleichen und alle Vor- und Nachteile des Produkts oder der Dienstleistung gegeneinander abzuwägen. Nach dieser Logik steht es außer Frage, dass Sie eine Wahl treffen, bevor Sie nicht alle am Markt verfügbaren ähnlichen Angebote verglichen haben – ob Sie nun eine Versicherung abschließen oder Zahnpasta kaufen wollen.

In der Theorie klingt das einfach. Inzwischen gibt es unzählige Vergleichsportale für Dienstleistungen oder Internetseiten mit Kundenbewertungen. In der Praxis kann Ihre Entscheidungsfindung aber schnell zum Alptraum werden, denn in unserer modernen Gesellschaft ist die Auswahl schlicht zu groß! Wie sollen Sie eine rationale Wahl zwischen zwanzig verschiedenen Zahnpastasorten im Supermarkt treffen, zwischen vierzig Handwerkern eines Fachgebiets im Branchenverzeichnis oder zwischen hunderten potenziellen Partnern auf einer Dating-Seite?

In unserem heutigen Angebots-Dschungel stets die beste Wahl und Entscheidung zu treffen, ist ein anstrengender, endloser Wettlauf.

In unserem heutigen Angebots-Dschungel stets die beste Wahl und Entscheidung zu treffen, ist ein anstrengender, endloser Wettlauf. Auf der Suche nach der nicht existierenden Perfektion vergleichen wir krampfhaft alles und fühlen uns dadurch frustriert und gestresst. Oft fällen wir letztlich gar keine Entscheidung oder wählen die schlechte oder einzig verbleibende Option wie etwa das letzte verfügbare Hotel für den Weihnachtsurlaub, weil wir zu lange unschlüssig geblieben sind.

Die Theorie der absoluten Rationalität und Maximierung kann in der Praxis in eine Sackgasse führen. Glücklicherweise gibt es einen anderen Weg!

Wählen Sie Zufriedenheit

Im Streben nach guten Entscheidungen ist es möglich, das Kriterium der Maximierung durch jenes der Zufriedenheit zu ersetzen. Der 2001 verstorbene US-amerikanische Soziologe und Wirtschaftsnobelpreisträger Herbert Simon beschrieb Menschen, die den Weg der Zufriedenheit wählen, als Personen, die Effektivität statt Optimierung anstreben. Dadurch treffen diese Personen oft leichter und schneller bessere Entscheidungen als jene, die um jeden Preis das Beste haben wollen.

Die Regel, die Sie sich zu eigen machen sollten, ist demnach ganz einfach: Sie wählen die erste Option, die Ihnen zufriedenstellend erscheint.

Warum? Sie sind schlicht in der Lage, ihre Suche zu beenden, sobald sie eine zufriedenstellende Option gefunden haben, statt weiter nach vermeintlicher Perfektion zu suchen. Die Regel, die Sie sich zu eigen machen sollten, ist demnach ganz einfach: Sie wählen die erste Option, die Ihnen richtig erscheint – also zufriedenstellend auf der Grundlage der Auswahlkriterien, die Sie angesichts der möglichen Optionen für sich festgelegt haben.

Bis hier hin ist alles klar. Sie verstehen die zugrunde liegende Idee, auch wenn es sich nicht um die Methode der „absoluten Rationalität“ handelt. Es ist unnötig, zwanzig Zahnpasten bis ins letzte Detail zu vergleichen, bevor Sie eine kaufen. Aber ist es bei einem Hauskauf nicht etwas anderes? Eigentlich nicht. Um das zu verstehen, empfehlen wir Ihnen, sich die Forschungsergebnisse von Herbert Simon genauer anzusehen, der durch seine innovative Arbeit zu einem der Pioniere für künstliche Intelligenz im Bereich der Entscheidungsfindung wurde!

Experten gehen im Übrigen oft diesen Weg der Zufriedenheit, wenn sie in einer nie erlebten Situation, in der viel auf dem Spiel steht, schnell eine wichtige Entscheidung treffen müssen. Ein ausgezeichnetes Beispiel dafür ist die Notwasserung, die der Pilot Chesley Sullenberger 2009 durchführte und die als Inspiration für den Film „Sully“ mit Tom Hanks im Jahr 2016 diente.

Auswahl der besten Option

Zum Glück geht es bei den meisten Entscheidungen, die wir im Alltag treffen müssen, nicht um Leben und Tod. In einer Welt, in der uns die schiere Fülle der Wahlmöglichkeiten mitunter lähmt, können wir von den Experten allerdings viel lernen.

Dazu gehört, sich mit einer guten Option zufriedenzugeben. Manchmal bedeutet dies, sich nicht über Wahlmöglichkeiten den Kopf zu zerbrechen, die der Mühe nicht wert sind. Verschwenden Sie keine Zeit mehr damit, zwischen zwanzig Zahnpastamarken oder fünfzig Grautönen für Ihre Küchenfliesen hin und her zu überlegen! Nutzen Sie Ihre Zeit und Energie lieber für wirklich wichtige Entscheidungen.

Sie müssen zufällig gerade heute eine wichtige Entscheidung fällen? Perfekt! Dann können Sie jetzt lernen, sich mit Zufriedenheit „zufriedenzugeben“, indem Sie nur wenige wichtige Entscheidungskriterien festlegen.

Für diese Art der Entscheidungsfindung, auch als „schnell und sparsam“ bezeichnet, plädiert Gerd Gigerenzer, ein weltweit anerkannter Experte in diesem Bereich. Wie gesagt, dieser Ansatz folgt zwar nicht den Regeln der Rationalität in ihrer absoluten Reinform, ist aber äußerst effektiv. Er stützt sich auf die sogenannte „Take-the-best-Heuristik“.

Sobald Sie ein wichtiges Merkmal einen relevanten Unterschied zwischen zwei Optionen aufweist, treffen Sie Ihre Entscheidung.

Bei dieser einfachen Entscheidungsstrategie wählen Sie zwischen zwei Ihnen unbekannten Alternativen, und zwar anhand von Merkmalen, die Sie noch ermitteln werden. Sobald Sie ein wichtiges Merkmal einen relevanten Unterschied zwischen zwei Optionen aufweist, treffen Sie Ihre Entscheidung.

Gigerenzer hat diese Vorgehensweise im Rahmen eines Experiments getestet, bei dem die Probanden von 83 möglichen deutschen Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern die bevölkerungsreichsten ermitteln sollten. Die Personen hatten keine konkreten Kenntnisse über diese Städte und sollten ihre Entscheidung anhand von höchstens neun möglichen Merkmalen fällen, aber immer sofort beim ersten Merkmal, das einen Unterschied zwischen zwei Städten aufweist, ihre Wahl treffen.

Zu diesen Merkmalen zählten beispielsweise, ob die Stadt die Hauptstadt eines Bundeslandes ist oder ob es dort eine bedeutende Fußballmannschaft gibt. So bewerteten die Probanden die Städte paarweise anhand der einzelnen Merkmale und erarbeiteten schließlich in mehr als 72 % der Fälle eine korrekte Rangordnung der Städte. Nicht perfekt, aber doch beeindruckend, nicht wahr?

Fazit: Legen Sie nur ganz wenige Auswahlkriterien fest, um sich im Alltag die Entscheidungsfindung zu erleichtern. Bei einem Hauskauf könnten zum Beispiel Kriterien wie ein großer Garten oder drei Schlafzimmer den Ausschlag geben. Bei der Wahl einer Kreditkarte könnte es die Möglichkeit des kostenlosen Geldabhebens im Ausland sein, weil Sie viel verreisen. Bei einem Kredit ist es nicht unbedingt der Zinssatz, sondern es könnte die geforderte persönliche Einlage oder die angebotene maximale Darlehenslaufzeit sein.

Überdenken Sie Ihre Entscheidungsfindung und lernen Sie Zufriedenheit. Legen Sie Ihre eigenen Auswahlkriterien fest und treffen Sie Ihre Wahl, sobald Sie das für Sie wichtigste Unterscheidungsmerkmal gefunden haben.