Anfechten eines Testaments
Mit der zunehmenden Komplexität der Familienverhältnisse wächst die Wahrscheinlichkeit, dass Erbschaften angefochten werden. In einem Geflecht aus zweiten Ehen, Stieffamilien, Geschwistern und Enkeln findet sich immer häufiger jemand, der sich benachteiligt fühlt und glaubt, keinen gerechten Anteil des Familienvermögens erhalten zu haben.
Es ist jedoch nicht möglich, das Testament eines Menschen für unwirksam zu erklären, nur weil Ihnen der Inhalt nicht gefällt. Das luxemburgische Recht ist sehr streng in der Frage, wer erbberechtigt ist, und lässt wenig Ermessensspielraum. Es gibt eine begrenzte Anzahl von Gründen, aus denen rechtlich gegen ein Testament vorgegangen werden kann. Familienmitglieder, die das Gefühl haben, zu kurz gekommen zu sein, sollten sich über die zulässigen Vorgehensweisen informieren, bevor sie handeln.
Im Wesentlichen bestehen drei Möglichkeiten, die Gültigkeit eines Testaments anzufechten. Bei der ersten wird geprüft, ob die rechtlichen Voraussetzungen bezüglich Form und Errichtung erfüllt sind. Mit anderen Worten: Waren die richtigen Personen anwesend? Wurde das Testament offiziell hinterlegt? Ist es an der richtigen Stelle unterzeichnet?
Die zweite Möglichkeit besteht darin, die Gültigkeit des Testaments inhaltlich zu prüfen. Ein Erblasser darf keine verbindlichen Erbschaftsregelungen umgehen, und ein Testament, bei dem dies versucht wird, kann für unwirksam erklärt werden. Außerdem kann es für unwirksam erklärt werden, wenn die Person, die es errichtet, nicht testierfähig ist, d. h. das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder nicht im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte ist.
Der dritte Grund für die Anfechtung eines Testaments betrifft dessen Auslegung. Möglicherweise ist dem Verfasser des Testaments ein Fehler unterlaufen; Rechtschreibfehler oder falsch verwendete Begriffe können für Unklarheiten sorgen. In einigen Fällen ist die Aufteilung des Vermögens möglicherweise nicht eindeutig geregelt oder zumindest nicht hinreichend genau festgelegt. Jede Grauzone könnte ein Anlass für eine Anfechtung sein.
Hierbei ist anzumerken, dass das luxemburgische Recht keine Möglichkeit der Abänderung nach einem Todesfall vorsieht. Dieses Verfahren – bei dem beispielsweise ein Erbe zustimmt, dass ein Teil seiner testamentarischen Zuwendung einer anderen Person zufallen soll – wird häufig in anderen Ländern angewendet, um Probleme zu lösen, die ansonsten zu Rechtsstreitigkeiten führen könnten. Infolgedessen ist die Anfechtung eines Testaments unter Umständen die einzige Möglichkeit für viele Hinterbliebene, die der Auffassung sind, dass sie nicht den Anteil erhalten haben, der ihnen zusteht.
Das luxemburgische Recht stellt sicher, dass Kindern ihr Anspruch nicht verwehrt werden darf.
Pflichtteilsansprüche
Dies ist die wohl einfachste Möglichkeit, ein Testament anzufechten. In Luxemburg gibt es eindeutige Vorschriften: Bestimmte Personen haben Anrecht auf einen Mindestanteil des Nachlasses, eine Bestimmung, die keinesfalls umgangen werden kann. Insbesondere stellt das luxemburgische Recht sicher, dass Kindern ihr Anspruch nicht verwehrt werden darf. Das sind gute Nachrichten für alle Kinder, die mit ihren Eltern nicht mehr so gut auskommen.
Laut Gesetz stehen einem Einzelkind mindestens 50 %, zwei Kindern zusammen mindestens 67 % und drei oder mehr Kindern mindestens 75 % des Nachlasses zu. Dieser den Kindern vorbehaltene Betrag wird als Pflichtteil (réserve héréditaire) bezeichnet, und nur über den verbleibenden Nachlass darf frei entschieden werden.
Das kann natürlich ernste Probleme verursachen. Zweite oder dritte Ehegatten und Stiefkinder fühlen sich möglicherweise übergangen. Pflichtteilsregelungen können den Verkauf des Elternhauses erfordern, und andere Personen, die bislang finanzielle Unterstützung erhalten haben, sind nun vielleicht auf sich gestellt. Das mag ungerecht sein, ist aber nicht die Schuld der Person, die das Testament errichtet, und kann nicht angefochten werden.
Wurde hingegen ein durch die gesetzlichen Vorschriften geschützter Erbe um sein Recht gebracht, kann dieser zivilgerichtlich dagegen vorgehen. Dazu benötigt er einen Anwalt, der nachweisen kann, wie genau der Nachlass des Verstorbenen aussah, bevor Vermögenswerte an Erben oder Dritte ausgegeben wurden. Sind Erben der Meinung, unrechtmäßig benachteiligt worden zu sein, müssen sie eine Verringerung der Auszahlung an andere Erben beantragen, um sicherzustellen, dass sie ihren vollen Anteil erhalten.
Das kann ein langer und zeitaufwändiger Prozess sein, der häufig mindestens ein Jahr in Anspruch nimmt. Die rechtlichen Vorschriften mögen eindeutig sein, die Bewertung des Nachlasses ist es möglicherweise nicht. Darüber hinaus muss die Anfechtung erfolgen, bevor mit der Aufteilung des Nachlasses begonnen wurde, denn sonst besteht das Risiko, dass der Fall noch komplexer wird – beispielsweise wenn unrechtmäßig ausgezahltes Geld bereits ausgegeben wurde.
Gültigkeit und Auslegung
Der häufigste Grund für die Anfechtung der Gültigkeit eines Testaments ist die geistige Verfassung des Verstorbenen zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments. Im hohen Alter können die geistigen Fähigkeiten nachlassen, und mitunter wird das Verhalten sprunghaft. Die Person, die das Testament anficht, muss jedoch konkrete Beweise vorlegen können, dass der Verfasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht mehr zurechnungsfähig war. Dabei reicht es nicht, einfach zu behaupten, dass dieser eine exzentrische Entscheidung gefällt hat.
Es gibt mannigfaltige Gründe, aus denen ein Testament falsch ausgelegt werden kann. Sie reichen von unklaren Formulierungen über bedeutende Änderungen des Wertes oder der Art der aufzuteilenden Vermögensgegenstände. Wer solche Schritte erwägt, sollte sich rechtlich darüber beraten lassen, ob es sich tatsächlich um einen erfolgversprechenden Rechtsfall und nicht nur um die eigene Unzufriedenheit handelt.
Im Allgemeinen werden vor den Bezirksgerichten in Luxemburg geltend gemachte Ansprüche schneller bearbeitet. Erben können ihren testamentarischen Anspruch auch vor dem Zivilgericht anfechten, doch hier dauert das Verfahren länger.
In mehreren Ländern wohnhafte Familien
Noch komplexer wird die Lage, wenn das Vermögen international verstreut ist. Auswanderer aus anderen EU-Staaten haben Wahl: Sie können sich bei der Errichtung ihres Testaments und bei der Aufteilung des Erbes nach den Gesetzen des Landes richten, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, oder nach den Gesetzen des Landes, in dem sie wohnhaft sind. Die Erben haben bei dieser Entscheidung jedoch kein Mitspracherecht.
Das kann die Anfechtung eines Testaments erschweren. Beispielsweise ist es möglich, auf diese Weise Pflichtteilsregelungen zu umgehen, d. h. nicht im Testament berücksichtigte Kinder können sich möglicherweise nicht auf die Vorschriften des Landes berufen, in dem sie wohnen. Sie müssen sich mit dem Rechtssystem vertraut machen, nach dessen Regelungen das Testament vollstreckt werden soll.
Natürlich ist es besser, wenn es gar nicht erst zu solchen Streitigkeiten kommt. Wenn vorab geklärt wird, wie der Nachlass unter den Erben aufzuteilen ist und Entscheidungen begründet sind, kann dies dazu beitragen, einige dieser Probleme zu vermeiden oder sie ohne Beschreiten des Rechtsweges zu lösen.
„Es gibt eine begrenzte Anzahl von Gründen, aus denen rechtlich gegen ein Testament vorgegangen werden kann. Familienmitglieder, die das Gefühl haben, zu kurz gekommen zu sein, sollten sich über die zulässigen Vorgehensweisen informieren, bevor sie handeln.“