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April 25, 2024

Das Leben nach dem Brexit

  Gesammelt von myLIFE team me&myFAMILY Februar 12, 2021 1662

Anfang 2021 trat Großbritannien aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion aus. Damit endeten fast 50 Jahre des reibungslosen Handels und des freien Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs. Zwar wurde eine Woche vor Jahresende noch ein begrenztes Handelsabkommen geschlossen. Doch die längerfristigen Auswirkungen des Austritts Großbritanniens aus der EU, der formell Ende Januar 2020 stattfand, werden sich wahrscheinlich erst in einiger Zeit zeigen. Für Briten und EU-Bürger, die auf der jeweils anderen Seite der Grenze leben oder arbeiten oder innerhalb Europas verreisen, hat der Brexit allerdings unmittelbare Folgen.

Freizügigkeit

Als europäische Bürger konnten sich britische Staatsangehörige innerhalb Europas frei bewegen und aufhalten, ohne im Voraus planen zu müssen. Wer im Ausland arbeiten oder seinen Ruhestand verbringen wollte, konnte dies mit geringem bzw. ohne bürokratischen Aufwand und zeitliche Beschränkungen tun. Für die Briten gelten nun die Regeln der einzelnen Länder, von denen viele noch kein Abkommen mit der britischen Regierung geschlossen haben.

Britische Staatsangehörige, die bereits in Luxemburg wohnen, können bis Ende Juni 2021 eine neue Aufenthaltskarte beantragen. Ähnlich ist es auch in den meisten anderen EU-Ländern. Briten, die dort bereits leben und arbeiten, dürften weiterhin ähnliche Rechte genießen wie zuvor. Das Gleiche gilt für EU-Bürger, die in Großbritannien leben und arbeiten und über eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung verfügen.

Seit dem Beginn des neuen Jahres ist der Grenzverkehr zwischen Großbritannien und den EU-Ländern komplizierter geworden, wobei unter bestimmten Bedingungen nun wahrscheinlich ein Visum benötigt wird. Britische Bürger, die bereits in einem EU-Land leben, können nicht einfach in einen anderen Mitgliedstaat ziehen. Reisen ohne Visum werden wahrscheinlich auf maximal 90 von je 180 Tagen begrenzt, sofern keine anderen Vereinbarungen getroffen werden.

Die einzelnen EU-Regierungen entscheiden nun über die Einreise britischer Bürger in ihre Länder. Eine Folge war, dass für britische Staatsbürger als Nicht-EU-Bürger nicht unbedingt notwendige Reisen in einige europäische Länder, einschließlich Frankreichs, aufgrund der COVID-19-Beschränkungen verboten waren.

Europäische Krankenversicherungskarten behalten bis zum Ablaufdatum Gültigkeit. Allerdings können britische Bürger keine neuen Karten beantragen. Es gibt jedoch Ausnahmen.

Gesundheitswesen

Bisher konnten britische Staatsbürger die Europäische Krankenversicherungskarte überall in der EU nutzen, was eine gleichwertige Versorgung wie im Heimatland garantierte. Bestehende Karten behalten bis zum Ablaufdatum Gültigkeit. Britische Bürger können jedoch keine neuen Karten beantragen und EU-Bürger können ihre Karten nicht in Großbritannien nutzen.

Es gibt jedoch Ausnahmen. Beispielsweise können im Ausland lebende Briten, die Anspruch auf die britische staatliche Rente haben, und Personen, die über eine S1-, E121-, E106- oder E109-Bescheinigung verfügen, eine neue EHIC-Karte beantragen, die ab Januar 2021 in der EU gültig sein wird. Für Besucher oder nicht ansässige Besitzer von Zweitwohnungen gibt es noch keine Vereinbarung. Um die Kosten für medizinische Leistungen in der EU erstattet zu bekommen, werden sie eine private Krankenversicherung benötigen. Gleiches gilt für EU-Bürger in Großbritannien.

Renten und Anlagen

Britische Staatsbürger, die in der EU leben, können sich ihre staatliche Rente oder private Betriebsrenten weiterhin in ihrem Wohnsitzland auszahlen lassen. In EU-Ländern gezahlte Sozialversicherungsbeiträge können ebenfalls für die staatliche Rente in Großbritannien angerechnet werden. EU-Bürger, die im Rahmen des neuen punktebasierten Einwanderungssystems nach Großbritannien ziehen, dürften weiterhin einen Anspruch auf eine britische staatliche Rente erwerben können, sofern sie die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen.

Derzeit können sich britische Staatsbürger mit Wohnsitz in bestimmten EU-Ländern ihre britische Rente als Pauschalbetrag auszahlen lassen, auf den minimale Steuern anfallen, wenn sie das Geld in inländische Anlageprodukte reinvestieren. Das könnte sich in Zukunft ändern. Briten, die ihren Ruhestand im Ausland verbringen wollen, sollten sich über mögliche Änderungen dieser Regeln informieren und sich bei ihrer Finanzplanung beraten lassen.

Die Steuervorschriften werden sich aller Voraussicht nach nicht ändern, da jedes Land sein eigenes Steuersystem hat, das für seine Bürger gilt. Es gibt allerdings einige Ausnahmen: Bei britischen Anleihen entfällt beispielsweise die vorteilhafte Besteuerung, da sie nun als Nicht-EU/EWR-Vermögenswerte behandelt werden

Auch bei den Kapitalertragsteuerregeln kann es Änderungen geben. Die französischen Steuerbehörden haben kürzlich entschieden, dass britische Bürger nicht mehr von dem ermäßigten Sozialversicherungsbeitragssatz für EU- oder EWR-Bürger profitieren, die im Gesundheitssystem ihres Landes versichert sind, wenn sie Immobilien in Frankreich mit Gewinn verkaufen (zusätzlich zur Kapitalertragsteuer von aktuell 36,2 %). Britische Staatsbürger können in ganz Europa mit weiteren Regelungen dieser Art rechnen, wenn sie nicht in der EU ansässig sind.

Als Nicht-EU-Bürger werden britische Staatsbürger mit einem höheren Risiko eingestuft, sodass für sie strengere Bedingungen bei Wohnimmobilienkrediten und anderen Darlehen gelten könnten.

Bankwesen

Einige britische Banken haben ihre Dienstleistungen für Expatriates in Europa Berichten zufolge eingestellt, weil sie nicht mehr berechtigt sind, Finanzdienstleistungen in der EU zu erbringen. Britische Staatsbürger müssen möglicherweise zu in der EU ansässigen Banken wechseln. Einige führende britische Institute werden allerdings weiterhin Dienstleistungen über Tochtergesellschaften in Ländern wie Irland anbieten. Als Nicht-EU-Bürger werden britische Staatsbürger von den Banken möglicherweise auch mit einem höheren Risiko eingestuft, sodass für sie strengere Bedingungen bei Wohnimmobilienkrediten und anderen Darlehen gelten könnten.

Beschäftigung

Es wird nicht mehr so einfach möglich sein, berufsbedingt in ein anderes Land zu ziehen. So gelten Einwanderungsbeschränkungen für britische Bürger in der EU und umgekehrt. EU-Bürger, die bereits in Großbritannien arbeiten, dürften bereits eine Aufenthaltsgenehmigung beantragt haben. Doch diejenigen, die dort dieses Jahr eine Beschäftigung aufnehmen, könnten mit neuen, restriktiveren Verfahren konfrontiert sein.

Ein wesentlicher Nachteil ist, dass akademische und berufliche Qualifikationen nicht mehr automatisch in dem anderen Staat anerkannt werden. Hierfür werden möglicherweise in zukünftigen Verhandlungen Lösungen gefunden werden. Doch vorerst werden Fachleute wie Anwälte, Ärzte und Ingenieure ihre Qualifikationen und Zertifikate anerkennen lassen müssen, um innerhalb der EU praktizieren zu dürfen.

Testament und Erbschaft

Gültige Testamente, die vor dem Brexit nach britischem Recht errichtet wurden, darunter auch solche, die Vermögenswerte betreffen, die sich in der EU befinden, bleiben nach britischem Recht gültig. Die Möglichkeit, zu wählen, welches nationale Recht für einen Nachlass gilt, wo auch immer sich dieser befindet, – das Recht des EU-Landes, in dem die Person zuletzt gelebt hat, oder das Recht ihres Heimatlandes – besteht nun jedoch nicht mehr. Die Regeln zur Erbschaftsteuer werden sich nicht ändern, da hier schon immer das Recht der einzelnen Länder maßgeblich war.

Dies sind einige Beispiele für Änderungen infolge des Brexit. Aber es gibt noch viele weitere: das kostenlose Roaming in Großbritannien könnte enden, britische Bürger benötigen einen noch mindestens sechs Monate gültigen Reisepass für Reisen in die EU und für einige EU-Länder wird möglicherweise ein internationaler Führerschein benötigt. Der Brexit ist nun endlich vollzogen, es wird aber noch einige Zeit dauern, bis Klarheit über alle Auswirkungen herrscht.

Es wird nicht mehr so einfach möglich sein, berufsbedingt in ein anderes Land zu ziehen. So gelten Einwanderungsbeschränkungen für britische Bürger in der EU und umgekehrt.