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April 20, 2024

Expertenmeinung: „Handelsspannungen verschärfen die weltweite Konjunkturschwäche“

Volkswirtschaften machen Phasen der Kontraktion und der Expansion durch. Wir scheinen uns dem Ende einer lang hingezogenen Phase der Expansion zu nähern, und die Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe (Frühindikatoren, die Hinweise auf künftiges Wachstum liefern) tendieren durch die Bank nach unten. Unter normalen Umständen kann dieses spätzyklische Umfeld eine fruchtbare Zeit für Risikoanlagen sein. Doch angesichts der von den USA betriebenen bipolaren Handelspolitik und der unvergleichlich niedrigen Renditeniveaus von Anleihen gibt es keinen Relativismus mehr. Fredrik Skoglund, CIO bei der BIL, und sein Team nehmen die wichtigsten Ereignisse vom August 2019 unter die Lupe und prüfen deren Auswirkungen für Anleger.

Fest steht, dass die anhaltenden Handelsspannungen, in erster Linie zwischen den USA und China, den Abschwung beschleunigen. Im August gab es eine neue Runde von Scharmützeln. Zunächst waren die Hoffnungen auf eine Lösung groß, da beide Seiten an den Verhandlungstisch in Shanghai zurückgekehrt waren. Dann kündigte Präsident Trump unvermittelt neue Zölle in Höhe von 10 % auf die verbleibenden chinesischen Exporte in die USA (mit einem Volumen von etwa 300 Mrd. US-Dollar) ab dem 1. September an. China ließ ein Abrutschen seiner Währung unter die psychologisch wichtige Marke von 7 US-Dollar zu. Die US-Renditekurve invertierte (zum ersten Mal seit der Finanzkrise), und Anleger ließen Risikoanlagen wie heiße Kartoffeln fallen, wodurch der breiteste MSCI-Index weltweiter Aktien einen seiner schlechtesten Tage seit Jahren hatte. Es war eine Flucht in sichere Häfen wie Gold (das über die Marke von 1.500 US-Dollar pro Feinunze stieg), Treasuries, den japanischen Yen und den Schweizer Franken zu beobachten. China wurde als Währungsmanipulator gescholten, und dann nahmen die USA einen Kurswechsel vor, indem beschlossen wurde, etwa die Hälfte der neuen Zölle bis zum 15. Dezember aufzuschieben. Daraufhin stiegen die Märkte zunächst schlagartig an, bis sie die Tatsache verdaut hatten, dass dies lediglich die Zeit der Ungewissheit verlängern würde. Peking schlug mit Zöllen im Bereich von 5 bis 10 % auf US-Importe im Wert von 75 Mrd. US-Dollar zurück. Auf diesen Schritt reagierten die USA mit einer Erhöhung der geplanten Zölle und mit der als Joker eingesetzten Drohung Trumps, den nationalen Notstand auszurufen, um US-Firmen zu zwingen, ihre Verbindungen nach China abzubrechen. Dann telefonierte China möglicherweise mit den USA oder auch nicht, um weitere Gespräche zu fordern. Und so, wie es aussieht, ist Trump wieder einmal optimistisch, dass ein Deal abgeschlossen werden kann.

Wir sind in dieser Hinsicht kurzfristig weniger optimistisch und glauben, dass es immer noch Jahre dauern könnte, bevor ein Deal unterzeichnet, besiegelt und umgesetzt ist. Und die anhaltende Ungewissheit wird weiterhin das Weltwirtschaftswachstum belasten …

Aufgrund der starken Binnennachfrage ist die US-Wirtschaft in gewissem Maße von den Turbulenzen abgeschottet – aber nicht immun gegen diese.

Die US-Wirtschaft – abgeschottet, aber nicht immun gegen die Handelsspannungen

Aufgrund der starken Binnennachfrage ist die US-Wirtschaft in gewissem Maße von den Turbulenzen abgeschottet – aber nicht immun gegen diese. Das Wachstum im zweiten Quartal von 2,1 % entsprach den Erwartungen und stützte sich auf solide Verbraucherausgaben und einen robusten Dienstleistungssektor. Die Konsenserwartungen laut Bloomberg laufen auf ein Wachstum von 2,5 % im Gesamtjahr hinaus, das unseres Erachtens gerade vor dem Hintergrund der zuletzt zunehmenden Investitionen erreichbar ist. Doch der Markit Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe fiel im August mit 49,9 – sein tiefster Stand seit 2009 – in den Bereich der Rezession, was durch die Verschlechterung im Exportsektor bedingt war. Wenn sich dies in den Beschäftigungs- und Lohndaten niederschlägt, wird die Fähigkeit der US-Verbraucher, die Wirtschaft zu stützen, schwinden.

In Europa scheint die Saat einer Rezession zu keimen

In Europa zeigt sich ein düstereres Bild. In seiner größten Volkswirtschaft scheint die Saat der Rezession bereits zu keimen. Die deutsche Wirtschaft schrumpfte im zweiten Quartal infolge eines Exportrückgangs um 0,1 %. Die Eurozone hat einen großen Kollateralschaden aus dem Handelsstreit zwischen den USA und China zu schultern, da ihre Wirtschaft stark exportorientiert ist. Da sich die Zuversicht aufgrund der Ungewissheit im Handel und der Konjunkturschwäche eingetrübt hat, ist die Nachfrage nach den wichtigsten Exportgütern des Kontinents wie etwa Maschinen und Anlagen für die Industrie rückläufig. Auch die einer Seifenoper ähnelnde politische Entwicklung in Europa beeinträchtigte weiterhin die Aussichten. Boris Johnson erhielt von der Queen die Genehmigung, die Tätigkeit des Parlaments für fünf Wochen auszusetzen, um die Bemühungen von Parlamentsmitgliedern einzudämmen, eine Gesetzgebung einzubringen, mit der ein No-Deal-Brexit am 31. Oktober verhindert werden kann. Die deutsche Regierungskoalition wurde vor dem Hintergrund lokaler Wahlen erneut in Frage gestellt, und Italiens Präsident Mattarella schritt ein, um Neuwahlen zu veranlassen, nachdem die Regierungskoalition zerbrochen war. Es sieht so aus, als habe sich Matteo Salvini, der das Misstrauensvotum gegen die Regierung (die aus einer Koalition seiner eigenen Partei Lega und der Anti-Establishment-Bewegung Fünf Sterne bestand) eingeleitet hatte, um eine absolute Mehrheit zu erlangen, letztendlich ein Eigentor geschossen. Nun hat der frühere Ministerpräsident Giuseppe Conte, der nach Salvinis Vorgehen zurückgetreten war, von Präsident Mattarella ein neues Mandat zur Bildung einer neuen Regierung erhalten, und es scheint so, als bündelten die Demokratische Partei PD und die Fünf-Sterne-Bewegung ihre Kräfte, um die Lega zu verdrängen.

Kommen die Zentralbanken zu Hilfe?

Angesichts des düsteren Ausblicks gibt es große Hoffnungen, dass die Zentralbanken einschreiten werden, um die Lage zu retten. Da Mario Draghi die wirtschaftliche Lage der Eurozone als „immer schlechter“ beschrieben hat, die Verbraucherpreisdaten hartnäckig schwach bleiben, die Inflationserwartungen zurückgehen und sich die weltweiten Ölpreise den Futures-Märkten zufolge auf einem Abwärtstrend befinden, ist davon auszugehen, dass die EZB auf ihrer Sitzung am 12. September ein riesiges Lockerungspaket vorstellen wird. Hierzu könnten eine Zinssenkung, ein System gestaffelter Einlagenzinsen, ein neues Anleihenkaufprogramm und/oder eine erweiterte Prognose gehören. Allerdings geht man davon aus, dass dies von haushaltspolitischen Maßnahmen begleitet werden muss, um eine starke und anhaltende Wirkung zu erzielen. Kurz darauf, am 18. September, erwarten die Märkte, dass die US-Notenbank ihre Zinsen noch einmal senken wird, wobei Händler eine 91-prozentige Wahrscheinlichkeit einer Senkung um einen viertel Prozentpunkt einpreisen. Es scheint sich eine Rückkopplung zwischen Geldpolitik und Handelspolitik einzustellen, was die Fed dazu veranlassen könnte, in diesem Jahr weitere „Insurance Cuts“, also vorsorgliche Zinssenkungen vorzunehmen.

Mit einem Trump-förmigen Schatten über dem Tisch war es definitiv umsichtig, einige Chips einzulösen.

Die richtige Positionierung: Vorsicht lautet das Motto

Wir haben beschlossen, unser Aktienengagement auf unserer Sitzung zur Allokation im August insgesamt zurückzufahren, nachdem die amerikanisch-chinesischen Spannungen wieder zugenommen haben. Wir schichten die Erlöse in sicherere Gefilde des festverzinslichen Universums um, etwa in kurzfristige US-Treasuries und Geldmarktinstrumente. Wie einleitend bereits erwähnt, haben Risikoanlagen im Spätzyklus normalerweise einen guten Lauf, aber die Bedingungen, mit denen wir es derzeit zu tun haben, sind eben nicht so „normal“, und nach unserer Einschätzung tendiert das Risikoumfeld in Richtung einer Verschlechterung. Mit einem Trump-förmigen Schatten über dem Tisch war es definitiv umsichtig, einige Chips einzulösen.