Sie haben Ihren ersten Job. Was gilt es nun zu beachten?
Nach dem Erhalt seines Statistik-Diploms trat Michaël Blino im Jahr 2000 in die Personalabteilung der Banque Internationale à Luxembourg ein. Nachdem er dort zehn Jahre als Personaldatenanalyst tätig war, wechselte er 2011 in die Personalbeschaffungsabteilung. Er ist heute Senior HR business partner. Mit seiner dynamischen Art und seiner Fähigkeit, sich innerhalb eines Unternehmens neu zu erfinden, verkörpert Michaël das, was man sich unter einer erfolgreichen Karriere vorstellt. Aus diesem Grund haben wir ihn gebeten, uns über seine Tätigkeit zu berichten und zu erläutern, wie man den Einstieg ins Berufsleben erfolgreich gestaltet.
Wie sieht Ihrer Meinung nach die optimale Strategie eines Hochschulabsolventen auf der Suche nach der ersten Anstellung aus?
Man muss bei der Bewerbung intelligent und gezielt vorgehen. Es geht nicht darum, möglichst viele Lebensläufe zu verschicken und alles einzusetzen, was man hat. Im Zeitalter der neuen Technologien setzt man am besten auf digitale Medien und die sozialen Netzwerke, um seine Bewerbung zu optimieren und bessere Erfolgschancen zu haben. Dies ist für Bewerber genauso unumgänglich wie für Personalverantwortliche. Ich persönlich schätze es, wenn ein Bewerber mich über LinkedIn direkt kontaktiert, um mich auf seine Bewerbung hinzuweisen.
Der Bewerber sollte sich jedoch auf keinen Fall „aufspielen“ oder Kompetenzen hinzuerfinden. Manche Bewerber beschönigen ihren Lebenslauf auch. Aber leider kommt irgendwann die Wahrheit ans Licht. Es ist besser, ehrlich zu sein. Das heißt aber nicht, dass man sich selbst herabsetzen muss!
Auf was achten Sie besonders, wenn Sie sich das erste Mal mit einem Bewerber unterhalten?
Zunächst einmal geht es darum, ob und wie gut sich der Bewerber vorbereitet hat. Ich muss spüren, dass der Bewerber sich Zeit genommen hat, um sich auf sein Bewerbungsgespräch einzustellen und sich über die Stelle und die Bank zu informieren. Dies sind die Voraussetzungen für ein ernsthaftes Gespräch. Ich nutze im Gegenzug das Gespräch dann auch, um dem Bewerber genauere Informationen über die zu besetzende Stelle zu geben. Außerdem achte ich auf das Erscheinungsbild des Bewerbers. Damit meine ich, dass sowohl sein Erscheinungsbild als auch seine Persönlichkeit zu der freien Stelle passen müssen. Dabei habe ich je nachdem, welches Profil gesucht wird, unterschiedliche Erwartungen.
Sehr wichtig sind für mich auch seine Lern- und Anpassungsfähigkeit, wobei ich versuche herauszufinden, ob er neue Ideen einbringen kann. Denn wir stellen einen Bewerber nicht nur wegen seiner aktuellen Fähigkeiten ein, sondern auch oder vor allem aufgrund seines Weiterentwicklungspotenzials in unserem Unternehmen.
Was ist der häufigste Fehler, den Bewerber oder neu eingestellte Mitarbeiter machen?
Junge Mitarbeiter neigen häufig dazu, zu schnell zeigen zu wollen, was sie können. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Wir haben sie natürlich eingestellt, damit sie einen Beitrag leisten können. Aber oft ist es so, dass sie langjährigen Mitarbeitern nicht genug zuhören, was diese bisweilen verärgert. Als Neuling sollte man Respekt vor einem Unternehmen haben, das schon seit über 160 Jahren besteht. Das heißt aber nicht, dass man keine Verbesserungsvorschläge machen sollte, die man für durchführbar hält.
Am Arbeitsplatz sind die ersten Wochen oft entscheidend, und man ist mit einer enormen Menge an Informationen konfrontiert. Welche guten Gewohnheiten sollte man sich aneignen, damit die erste Zeit in einem Unternehmen ein Erfolg wird?
Notizen machen! Das ist ganz klar am wichtigsten. In den ersten Tagen sind die geistigen Anforderungen so hoch, dass man nicht alles behalten kann. Gesprochenes vergisst man schnell, Notizen hingegen kann man immer wieder nachlesen. Exakte Notizen sind also ein gutes Mittel, um den Informationsfluss zu verarbeiten. Diesen Tipp gebe ich jedem neu eingestellten Mitarbeiter, egal wie erfahren er ist.
Außerdem ist es sehr wichtig, dass ein Neuling immer nachfragt, wenn ihm etwas nicht klar ist. Er sollte sich keinesfalls zurückhalten, denn in seiner Situation gibt es keine dummen Fragen.
Die BIL bietet seit nunmehr zwei Jahren einen „Integrationsparcours“ für alle neuen Mitarbeiter an, nicht nur für die jungen. Einem Neuling wird ein „Pate“ zur Seite gestellt, der in keinem direkten hierarchischen Verhältnis zu ihm steht, nicht zur gleichen Abteilung gehört und im ersten Jahr seinen Ansprechpartner darstellt. Die Reaktionen auf diese Vorgehensweise waren hervorragend.
Die ersten 100 Tage des neuen Mitarbeiters sind eine Art Flitterwochen, in denen sich sein Enthusiasmus mit den optimistischen Erwartungen des Unternehmens verbindet.
In einem Interview mit einem Kollegen von Ihnen fiel folgender Satz: „Die ersten drei Monate in einem neuen Job sind die Verlängerung des Bewerbungsgesprächs.“ Teilen Sie diese Auffassung?
Grundsätzlich schon. Wie in der Politik sind die ersten 100 Tage des neuen Mitarbeiters eine Art Flitterwochen, in denen sich sein Enthusiasmus mit den optimistischen Erwartungen des Unternehmens verbindet. Diese gegenseitige positive Haltung gilt es im Übrigen zu nutzen, um die Integration des Bewerbers zu erleichtern und die bei den Gesprächen erkannten Kompetenzen zu fördern. In dieser Zeit muss aber auch deutlich werden, dass der neue Mitarbeiter überzeugende Ergebnisse erzielt und die Erwartungen erfüllt.
In Luxemburg arbeiten enorm viele Grenzgänger (Franzosen, Belgier und Deutsche). Was kann man ihnen empfehlen, damit ihre berufliche Integration gelingt?
Besondere Empfehlungen gibt es meines Erachtens nicht. Allerdings sollten sie sich auf die Internationalität des Großherzogtums einstellen. Sehr viele Menschen kommen jeden Morgen über die Grenze, um hier zu arbeiten, und bringen ihre Kultur, ihre Arbeitsgewohnheiten und ihre Sprache mit.
Aus diesem Grund zeichnet sich Luxemburg dadurch aus, dass man zuweilen aufgeschlossener und offener für Innovation und Diversität ist als anderswo. Ich selbst arbeite seit fast 18 Jahren hier und bin immer noch begeistert von diesem vielfältigen Umfeld. Ein echtes Plus! Außerdem ist der Kreis unserer Bewerber in den letzten Jahren viel internationaler geworden, denn wir erhalten Profile aus ganz unterschiedlichen Ländern.
Welche Mitarbeiter (oder Dienstleistungen) werden in einer Bank wie der BIL am meisten gesucht?
Das hängt sehr von den Strategien ab, die die BIL-Gruppe verfolgt. Wir sind eine systemrelevante Bank. Das bedeutet, dass es Auflagen für Neueinstellungen gibt, die insbesondere die Profile und die Kompetenzen der Mitarbeiter eines Geschäftsbereichs betreffen. Hier sind insbesondere die Bereiche zu nennen, die sich mit der Regulierung oder der Risikoanalyse befassen; dort werden regelmäßig Leute gesucht. Und als Bank suchen wir ständig Mitarbeiter in mehreren Geschäftsbereichen wie z.B. Retail Banking, Corporate Institutional Banking oder Wealth Management auf den einzelnen Märkten. Das sind zurzeit unsere Prioritäten bei Neueinstellungen.
Dieser Artikel gehört zur Aufzeichnung Artikelserie „Die erste Stelle“
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