Sollten Sie Ihr selbst aufgebautes Unternehmen verkaufen?
Viele erfolgreiche Gründer investieren ihr gesamtes Vermögen in ihr Unternehmen. In der Aufbauphase ist das sicherlich sinnvoll und gibt ihnen die vollständige Kontrolle über die Unternehmensentwicklung. Doch gilt das auch dann noch, wenn sie sich mehr oder weniger aus dem aktiven Geschäft zurückgezogen haben?
Laut Anlagetheorie ist es keine gute Idee, das gesamte Finanzvermögen in ein einziges Unternehmen zu investieren. Unternehmen können unerwartet unter Druck geraten, sei es durch neue Wettbewerber, bahnbrechende neue Technologien oder außergewöhnliche Ereignisse wie die COVID-19-Pandemie.
Wenn das gesamte Vermögen in einem einzigen Unternehmen steckt, stellt dies ein enormes Risiko dar – ganz gleich, wie stark sich diesem Unternehmen verbunden fühlt. Anlageexperten raten stattdessen zu einer breiten Verteilung des Anlagevermögens auf eine Reihe von Unternehmen, Sektoren und geografische Regionen. Dann hat es keine so drastischen Auswirkungen, wenn sich eine einzelne Anlage ungünstig entwickelt.
Doch das entspricht nicht der Vorgehensweise der meisten Unternehmer. Ihr Vermögen dürfte zum Großteil oder komplett in ihrem Unternehmen gebunden sein, das weitgehend ihrer Kontrolle unterliegt und dessen Erfolg oder Misserfolg sie zu einen gewissen Grad selbst steuern können. Vielen Unternehmern gehen ein derartiges Risiko deutlich lieber ein, als beispielsweise am Aktienmarkt anzulegen. Investitionen in Aktien sind ebenfalls mit einem Risiko verbunden, auf das sie jedoch keinen Einfluss haben.
Eine Frage der Kontrolle
An Bedeutung gewinnt das Problem in der Regel dann, wenn ein Unternehmer beschließt, sich aus dem selbst aufgebauten Unternehmen zurückzuziehen – denn dann kann er diese Kontrolle nicht mehr oder nur noch in deutlich geringerem Maße ausüben. Sollte auch dann noch ein beträchtlicher Teil seines Vermögens in einem Unternehmen gebunden bleiben, wenn er auf dessen Entwicklung ebenso wenig Einfluss nehmen kann wie auf den Aktienmarkt? Zudem stellt sich die Frage, ob sich die neue Unternehmensleitung nach einem einzigen oder beherrschenden großen Gesellschafter richten möchte.
Die wichtigste Fragen ist vielleicht, wie stark sich die Gründer in das Unternehmen einbringen wollen, nachdem sie die tägliche Führung abgegeben haben.
Unter den vielen Fragen, die sich Unternehmer in dieser Position stellen sollten, ist die vielleicht wichtigste, wie stark sich die Gründer in das Unternehmen einbringen wollen, nachdem sie die tägliche Führung abgegeben haben. Wollen sie Angestellter, Berater, Vorsitzender oder Direktor sein oder andere spezifische Aufgaben übernehmen? Dies kann sich auf die Entscheidung über den vollständigen oder teilweisen Verkauf ihrer Anteile auswirken. Werden die neuen Eigentümer das Fachwissen des Gründers nutzen wollen, oder könnten sie beschließen, das Unternehmen in eine neue Richtung zu lenken?
Damit ist auch die Frage verbunden, ob der Gründer weiterhin finanziell vom Unternehmen profitieren möchte oder sich entscheidet, stattdessen den Verkaufserlös in ein Portfolio zu investieren die ein regelmäßiges Einkommen erwirtschaften können. Soll das Vermögen lieber gestreut werden, wenn das Unternehmen in einem risikoreichen Sektor angesiedelt ist? Oder haben sie den Ehrgeiz und das Engagement, in den Aufbau eines neuen Unternehmens zu investieren?
Einfluss oder Diversifizierung?
Der Verkauf einer großen Unternehmensbeteiligung hat Vor- und Nachteile. Die Argumente für ein Festhalten an der Unternehmensbeteiligung sind, dass Sie das Unternehmen aufgebaut haben und es verstehen. Sie kennen die Risiken und werden mehr Einfluss haben als bei der Investition in ein Portfolio öffentlich gehandelter Wertpapiere. Sie haben wahrscheinlich ein Mitspracherecht bei wichtigen Personalentscheidungen und strategischen Beschlüssen, selbst wenn es nur ein informelles ist, und Sie verstehen die Produkte, den Markt, die Risiken und die möglichen Erträge.
Der entscheidende Nachteil ist jedoch die mangelnde Diversifizierung Ihrer Anlagen. Unternehmer gehen in der Phase, in der sie ihr Vermögen aufbauen, in der Regel ein hohes Risiko ein. In den meisten Fällen ziehen sie es vor, ihr Geld nach dem Rückzug aus dem aktiven Geschäft zu genießen, anstatt sich Gedanken darüber machen zu müssen.
Ein vollständiger Rückzug ist immer schwierig und gestaltet sich noch schwieriger, wenn Sie eine große finanzielle Beteiligung behalten.
Doch ein vollständiger Rückzug ist immer schwierig und gestaltet sich noch schwieriger, wenn Sie eine große finanzielle Beteiligung behalten. Es besteht die Gefahr, dass Sie weiterhin stark auf das Unternehmen und dessen Entscheidungen fixiert sind, sodass sich Konflikte mit dem neuen Führungsteam ergeben.
Möglicherweise kann Ihnen das Unternehmen auch nicht die gewünschte Art von Erträgen liefern. Die von kleinen Unternehmen in Form von Dividenden ausgeschütteten Renditen können unregelmäßig anfallen und sind unter Umständen nicht vorhersagbar. Erfolgreiche Unternehmer ziehen es möglicherweise vor, über ein regelmäßiges Einkommen zu verfügen, mit dem sie ihr Leben und das ihrer Familie finanzieren können.
Schrittweise vorgehen
Es ist jedoch schwierig, sich von einem Unternehmen zu trennen, das viele Jahre lang zu Ihrem Leben gehört hat. Natürlich muss man nicht alles auf einmal tun. Die Eigentümer können einen Teil des Eigenkapitals verkaufen, aber einen Anteil behalten, den sie im Laufe der Zeit schrittweise abbauen, wenn sie sich mit anderen Möglichkeiten der Vermögensverwendung wohler fühlen. Auch die Käufer bevorzugen dieses Vorgehen, da es ihnen die Gewissheit gibt, dass der scheidende Eigentümer am weiteren Erfolg des Unternehmens beteiligt bleibt.
Dies gibt den Gründern Zeit, ihr Anlageportfolio allmählich auf die Schwerpunktbereiche auszurichten, an denen sie am meisten Interesse haben, oder ihr Fachwissen in anderen Sektoren auszubauen. Ein guter Anlageverwalter – mit Vermögensverwaltungsmandat oder auf anderer Basis – der ein auf die Interessenbereiche und das Wissen des Kunden abgestimmtes Portfolio zusammenstellen kann, spielt bei diesem Prozess eine ganz entscheidende Rolle.
Vieles ist davon abhängig, wie das Unternehmen übertragen wird und welche diesbezüglichen Erwartungen alle Beteiligten haben. Bekleidet ein Unternehmensgründer weiterhin eine einflussreiche Position, wie etwa die eines nicht geschäftsführenden Verwaltungsratsvorsitzenden, dann wird unter Umständen von ihm erwartet, dass er auch eine finanzielle Beteiligung am Unternehmen behält (denn es könnte für Unruhe sorgen, wenn die anderen Investoren sehen, dass ein wichtiger Insider sein Engagement wesentlich reduziert).
Sollten Sie sich entscheiden, lediglich eine beratende Funktion zu übernehmen, besteht kein so großer Anreiz, eine Mehrheitsbeteiligung oder eine andere bedeutende Beteiligung am Unternehmen zu behalten.
Sollten Sie sich jedoch entscheiden, lediglich eine beratende Funktion zu übernehmen, besteht kein so großer Anreiz, eine Mehrheitsbeteiligung oder eine andere bedeutende Beteiligung am Unternehmen zu behalten.
Die Wahl des richtigen Käufers
Wenn Sie eine Beteiligung am Unternehmen und einen gewissen Einfluss behalten möchten, ist es besser, Anteile an ihren Geschäftsnachfolger oder eine Mitarbeiterbeteiligungsstiftung zu übertragen als beispielsweise an eine Private-Equity-Gesellschaft oder ein Wagniskapitalunternehmen. Letztere mögen vielleicht bereit sein, einen höheren Preis zu zahlen, könnten allerdings eigene Vorstellungen in Bezug auf die Unternehmensführung durchsetzen wollen. Wird das Unternehmen an Familienmitglieder weitergegeben, sollte der Gründer klare Regelungen bezüglich ihrer Mitwirkung treffen.
Es gibt auch noch andere Kompromisslösungen. So könnte sich der Unternehmensgründer entschließen, Eigentümer der Grundstücke und Geschäftsgebäude des Unternehmens zu bleiben, und einen Mietvertrag aushandeln. Dies könnte einen stetigen Einkommensstrom bieten, der nicht vollständig von der Leistung des Unternehmens in einer neuen Ära abhängig ist.
Der Rückzug aus einem Unternehmen, auf dessen Aufbau man einen Großteil seiner Lebenszeit verwendet hat, ist immer schwierig. Doch ohne echte Kontrolle über die Unternehmensentwicklung an einer bedeutenden finanziellen Beteiligung festzuhalten, ist riskant und auf lange Sicht meist nicht ratsam. Es gibt jedoch zahlreiche Möglichkeiten, die Unternehmer in Betracht ziehen können, bevor sie sich entscheiden, ob und wie sie dem von ihnen gegründeten Unternehmen den Rücken kehren möchten.
Die Argumente, die dafür sprechen, ein Unternehmen zu behalten, das Sie selbst aufgebaut haben und verstehen, sind unter anderem, dass Sie die Risiken kennen und mehr Einfluss auf das Unternehmensergebnis haben werden als auf die Performance eines Portfolios öffentlich gehandelter Wertpapiere. Das Hauptrisiko hingegen ist die langfristig mangelnde Diversifizierung.