Wussten Sie, dass die Wahl Ihres Zahlungsmittels Ihr Kaufverhalten beeinflusst?
Die Zahl der elektronischen Zahlungsmittel nimmt immer weiter zu. Man kann heute mit einem Klick einkaufen, kontaktlos oder mit dem Fingerabdruck bezahlen, und in Zukunft genügt vielleicht sogar ein Wimpernschlag. Dank dieser Technologien war es noch nie so einfach, einen Gegenstand oder eine Dienstleistung zu erwerben. Doch Vorsicht: Denn wenngleich die Innovationen zur leichteren Bezahlung und zur Verbesserung des Kauferlebnisses scheinbar grenzenlos sind, Ihr Budget ist dies sicher nicht. myLIFE erklärt Ihnen, warum man bei Käufen mit elektronischen Zahlungsmitteln einen kühlen Kopf behalten sollte.
Laut Merchant Machine dürfte der Gesamtwert der bis 2022 über mobile Zahlungsmittel abgeschlossenen Geschäfte 14.000 Milliarden US-Dollar erreichen. Aufgrund ihrer verblüffenden Benutzerfreundlichkeit finden elektronische Zahlungsmittel bei Verbrauchern aller Altersklassen auf der ganzen Welt großen Anklang. Luxemburg folgt diesem Trend und liegt laut dem World Payments Report 2018 unter den Ländern, die das größte jährliche Wachstum von elektronischen Transaktionen pro Einwohner verzeichnen, auf dem weltweit neunten Platz.
Es lässt sich nicht leugnen, dass diese neuen elektronischen Zahlungsmittel für die Verbraucher einen großen Fortschritt bedeuten. Dennoch darf man nicht vergessen, dass sie Auswirkungen auf unser Kaufverhalten haben. Denn eines steht fest: Elektronische Zahlungsmittel erschweren uns einen besonnenen und vernunftgeleiteten Umgang mit unserem Geld.
Dies hat der Online-Handel früh erkannt. Er hat verinnerlicht, dass wir Verbraucher durch unkompliziertere Zahlungsmöglichkeiten den virtuellen Gang zur Kasse als weniger schmerzhaft empfinden und zum Kauf animiert werden, ohne vorher genau nachzurechnen. Damit Sie mehr Geld ausgeben, möchten die Hersteller Ihrer Lieblingsmarken daher Ihr schlechtes Gefühl beim Bezahlen so weit wie möglich unterdrücken.
Kaufprozesse und der „Schmerz des Bezahlens“
Wussten Sie, dass die meisten Ihrer Kaufentscheidungen nicht auf rein rationalen Motiven beruhen, sondern durch unterbewusste psychologische Prozesse (kognitive Verzerrungen) beeinflusst werden? Den folgenreichsten dieser Prozesse könnte man als „Schmerz des Bezahlens“ bezeichnen.
Der Wissenschaftler Ofer Zellermayer beschrieb diesen Schmerz 1996 als direktes und unmittelbares Unbehagen oder psychologischen Schmerz, der im Moment des Kaufs entsteht. Bei diesem psychologischen Prozess handelt es sich um den moderne Ausdruck einer kognitiven Verzerrung, die wir von unseren Vorfahren geerbt haben: die Verlustangst. Denn die Menschen der Steinzeit fürchteten sich vor dem Verlust von Gegenständen, auf die sie womöglich zum Überleben angewiesen waren. Dieser Überlebensinstinkt ist heute zwar in den meisten Fällen unnötig geworden, er ist aber dennoch präsent, und unser modernes Gehirn hat ihn vor allem in eine Angst vor Schulden verwandelt.
Die Wissenschaftler George Loewenstein und Drazen Prelec legen dar, dass der „Schmerz des Bezahlens“, der die unangenehme Seite von Schulden ins Gedächtnis ruft, eine wichtige Rolle bei der Selbstregulierung von Verbrauchern spielt. Wenn man zuerst an die Kosten einer Anschaffung denkt, kann darunter das beim Kauf empfundene Vergnügen leiden. Denkt man hingegen vor allem an die Vorteile und die Freude, die wir mit einer Kaufentscheidung verbinden, verringert sich der „Schmerz des Bezahlens“ bzw. der psychologische Schmerz, den wir beim Bezahlen empfinden, erheblich.
Wie groß der empfundene Schmerz ist, hängt dabei von den Eigenschaften des verwendeten Zahlungsmittels ab. Transparenz und Distanz sind hierbei von entscheidender Bedeutung.
Die Transparenz eines Zahlungsmittels lässt sich anhand von drei Kriterien definieren: die Art des Zahlungsmittels, die Sichtbarkeit des gezahlten Betrags und die unmittelbare zeitliche Nähe zwischen dem Kauf und den entstehenden Kosten.
Menschen, die gerne und häufig elektronische Zahlungsmittel nutzen, zeichnen sich tendenziell dadurch aus, dass sie mehr Geld ausgeben, sich schneller für einen Kauf entscheiden und Ausgaben unbedachter tätigen.
Wenn die Digitalisierung zum Ausgeben verleitet
Je transparenter und greifbarer das verwendete Zahlungsmittel ist – zum Beispiel wenn man Geldscheine aus einem Portemonnaie nimmt –, desto größer ist der Schmerz und desto geringer ist die Freude am Kauf. Wenn Sie bar zahlen, sehen Sie, wie die Scheine und Münzen den Besitzer wechseln.
Barzahlungen sind zwar nicht besonders sicher, aber da bei ihnen der „Schmerz des Bezahlens“ dominiert, sind sie der beste Weg, um seine Ausgaben im Griff zu behalten.
Verbraucher, die vor allem mit Bargeld bezahlen, heben in der Regel vergleichsweise wenig Geld am Automaten hab. Sie verwenden Ihre Bankkarte mit viel Bedacht und haben auf ihrem Bankkonto im Durchschnitt eine größere verfügbare Geldmenge. Barzahlungen sind daher eine hervorragende Möglichkeit, um bewusster einzukaufen.
Elektronische Zahlungsmittel sorgen demgegenüber tendenziell für eine örtliche und zeitliche Distanz zwischen dem Kaufakt und dem schmerzhaften Gefühl, Geld zu verlieren. Diese verminderte Transparenz führt dazu, dass die Freude am Konsum größer ist als der psychologische Schmerz durch die Ausgabe.
Mit anderen Worten: Käufe per Kreditkarte, mit einem Klick, per Token oder mit anderen Ersatzzahlungsmitteln wie mobilen Brieftaschen erfolgen derart schnell, dass die schmerzhafte Seite der Ausgabe zunächst außen vor bleibt. Menschen, die diese Zahlungsmittel besonders häufig nutzen, neigen eher zu Kaufsucht und verlieren tendenziell schneller den Überblick über ihre Ausgaben und damit über ihr Budget.
Menschen, die gerne und häufig elektronische Zahlungsmittel nutzen, zeichnen sich im Übrigen tendenziell dadurch aus, dass sie mehr Geld ausgeben, sich schneller für einen Kauf entscheiden und Ausgaben unbedachter tätigen.
Mit dem Argument, diese seien besonders sicher, haben die nationalen und internationalen Behörden in den vergangenen Jahrzehnten alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Entwicklung und die Verbreitung von elektronischen Zahlungsmitteln voranzutreiben. Die Verbraucher waren von der einfachen Nutzung angetan, und sie übernehmen und schätzen Innovationen, die physische und psychologische Barrieren in Verbindung mit dem Kaufakt mindern.
Diese Entwicklung ist mittlerweile so weit fortgeschritten, dass mit dem Aufkommen von Kryptowährungen heute sogar das Bargeld an sich in Frage gestellt wird. Aktuell gibt es zwar keine Studien darüber, wie sich Kryptowährungen auf das Verbraucherverhalten auswirken, aufgrund ihres überaus virtuellen Charakters ist es jedoch wahrscheinlich, dass sich die psychologische Distanz vergrößert und es sich damit um ein überaus intransparentes neues Zahlungsmittel handelt. So ist zum Beispiel denkbar, dass bestimmte Verbraucher mit Kryptowährungen „spielen“, ohne sich bewusst zu sein, dass dies ganz reale Folgen für ihr Bankkonto hat.
Die Herausforderung besteht darin, keinen Automatismus zwischen einfachen Zahlungsmöglichkeiten und Überschuldung entstehen zu lassen.
Ein sinnvoller Schmerz
Aus rein hedonistischer Sicht streben die Verbraucher bei einem Kauf stets danach, den Gedanken an das Bezahlen zu unterdrücken. Im Hinblick auf die Kaufentscheidung und aus rationaler Sicht müssen sie jedoch wissen, wie teuer der geplante Kauf ist. Selbstdisziplin fällt im Spannungsverhältnis dieser beiden Extreme unter Umständen schwer. Vor diesem Hintergrund stellen Behörden, Banken und Fintech-Unternehmen zunehmend fest, dass sie Verbrauchern Werkzeuge zur Verfügung stellen müssen, mit denen diese ihre Ausgaben besser verwalten können. Auf diese Weise können sie Verbrauchern dabei helfen, sich vor potenziellen finanziellen Risiken zu schützen.
Die Herausforderung besteht darin, keinen Automatismus zwischen einfachen Zahlungsmöglichkeiten und Überschuldung entstehen zu lassen. Dazu darf der „Schmerz des Bezahlens“ nicht nur als Einschränkung wahrgenommen werden. Physische Schmerzen dienen als Warnung vor einer Gefahr. Gleichermaßen kann der im Moment des Bezahlens empfundene psychologische Schmerz als Schutz vor Kaufsucht dienen.
Es ist nicht unbedingt leicht, auf die „Schmerztablette“ elektronische Zahlungsmittel zu verzichten, um seine Ausgaben unter Kontrolle zu halten. Doch zum Glück gibt es Tricks und Apps, die Ihnen dabei helfen können, diese Zahlungsmittel bewusster einzusetzen.
Viele Banken bieten ihren Kunden eigens entwickelte Apps an, die bei Budgetüberschreitungen Warnungen senden, damit die Ausgaben nicht aus dem Ruder laufen.
Intelligente Brieftaschen und Bargeld
Sie wissen nun, wie Zahlungsmittel Ihr Kaufverhalten beeinflussen. Einer der wichtigsten Tipps an Sie lautet ohne Zweifel, sich in Ruhe einen Überblick über alle Ihre verwendeten Zahlungsmittel zu verschaffen und Ihren Umgang mit diesen zu überdenken, oder mindestens eine Liste zu erstellen, die Aufschluss über deren Anteil an Ihrem Budget gibt.
Denn Sie verfügen sicher über mehrere Kreditkarten, verwenden zudem einen Dienst für Online-Zahlungen und haben Ihre Bankverbindung bei mehreren Online-Shops oder mobilen Zahlungsdiensten hinterlegt.
Das ist nicht per se schlecht. Das Problem liegt allerdings darin, dass der Kauf und die Abbuchung nicht zwangsläufig zeitgleich erfolgen und dieser Zeitunterschied dazu führen kann, dass Sie Ihr Budget unbewusst überschreiten.
Es kann hilfreich sein, über seine Ausgaben Buch zu führen, um sich seine Käufe mit elektronischen Zahlungsmitteln greifbarer zu machen und einen besseren Überblick zu erlangen. So können Sie sich den „Schmerz des Bezahlens“ ein wenig in Erinnerung rufen und profitieren nicht nur von der unmittelbaren Freude am Kauf, die sich als künftige Belastung für Ihr Budget erweisen kann.
Darüber hinaus ist es unter Umständen sinnvoll, Ausgaben mit der Familie oder seinem Bankberater zu besprechen, um ein Verbraucherprofil zu erstellen und eigene Schwächen zu ermitteln. Verbraucher, die lieber im Hier und Jetzt leben, anstatt an die Zukunft zu denken, verdrängen Gefahren häufig und geben sich leicht der Illusion hin, alles im Griff zu haben. Um sich das Leben zu erleichtern, kann es nützlich sein, sich eine der zahlreichen Apps zur Budgetverwaltung zu installieren, die heute im Internet angeboten werden.
Viele Banken bieten ihren Kunden außerdem eigens entwickelte Apps an, die bei Budgetüberschreitungen Warnungen senden, damit die Ausgaben nicht aus dem Ruder laufen. Das wichtigste dabei ist jedoch, ehrlich zu sich selbst zu sein und sich Grenzen zu setzen, die eher etwas strenger sind als auf den ersteren Blick erforderlich.
Eine gute Lösung sollte auch die Möglichkeit bieten, ungewöhnlich hohe Ausgaben zu erkennen, Abbuchungen nach Kategorien zu ordnen und Ihnen regelmäßig (im Idealfall mindestens einmal pro Woche) einen Überblick über die Kontobewegungen zu geben. Online-Dienste für intelligente Brieftaschen sind hervorragende Werkzeuge, um Ihnen dabei zu helfen, Ihre Ausgaben im Griff zu behalten.
Doch keine intelligente Brieftasche der Welt kann Sie vollständig vor Exzessen bewahren, daher müssen Sie selbst einen Weg finden, um Ihre Käufe verantwortungsbewusst zu tätigen. Eine wirksame Strategie zur Selbstkontrolle kann zum Beispiel darin bestehen, die Kreditkarte zu Hause zu lassen, das Smartphone auszuschalten und lediglich mit einem vorher festgelegten Budget einkaufen zu gehen. Eine andere Möglichkeit wäre, pro Woche nur einen bestimmten Geldbetrag abzuheben.
Körperliche und psychologische Schmerzen haben stets eine Warnfunktion. Um nicht die Kontrolle über sein Budget zu verlieren, ist ein gewisser „Schmerz des Bezahlens“ zweifelsohne unumgänglich.