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November 24, 2024

Investitionen: Hüten Sie sich vor Stereotypen!

  Gesammelt von myLIFE team myINVEST Februar 9, 2021 1305

Dank des zunehmenden Angebots an verfügbaren Finanzprodukten ist es mittlerweile möglich, die Lösung zu finden, die am besten zum jeweiligen Anlegerprofil passt. Angesichts dieser Vielfalt kann man aber auch den Überblick verlieren und dazu neigen, anhand von Stereotypen zu entscheiden, die uns ein gutes Gefühl vermitteln, beispielsweise im Hinblick auf das Geschlecht. Doch gibt es eigentlich wirklich eine weibliche Art, anzulegen? Kann man das Geschlecht eines Anlegers bzw. einer Anlegerin allein an der Zusammensetzung, an den Bewegungen und der Performance seines bzw. ihres Portfolios erraten? Es ist Zeit, mit bestimmten Vorurteilen aufzuräumen, die sich hartnäckig halten.

Auch wenn es stimmt, dass Frauen und Männer oft nicht denselben privaten und beruflichen Werdegang haben, sollten Sie nicht den Marketingstrategien auf den Leim gehen, die auf Stereotypen beruhen, die vielleicht gar nichts mit Ihnen zu tun haben. Eines gleich vorweg: Ganz gleich, ob Sie eine Frau oder ein Mann sind, geht es im Grunde nur darum, dass Sie eine Strategie anhand Ihres Anlegerprofils und seiner Besonderheiten entwickeln.

Welche Ähnlichkeit besteht zwischen Ihnen und dieser Frau auf dem Hochglanzpapier eines Prospekts, der die Vorzüge eines sogenannten typisch weiblichen Finanzprodukts preist? Wahrscheinlich keine. Und auch wenn Sie ein wohlhabender Mann um die 40 sind, bedeutet das nicht automatisch, dass Anlegen ein ganz natürlicher Instinkt ist und dass sich unbedingt eine aggressive Strategie empfiehlt.

Mehr Klischees als Realität

Die meisten Finanzprodukte, die auf Frauen ausgerichtet sind, stützen sich auf Studien, die tendenziell zeigen, dass Frauen eine stärkere Aversion gegen Verluste haben als Männer. Demnach soll auch ihre Risikobereitschaft geringer sein. Solche Studien gibt es tatsächlich, was aber nicht bedeutet, dass man ihre Schlussfolgerungen für bare Münze nehmen muss. Denn viele von ihnen beruhen gewissermaßen auf Laborversuchen, bei denen die Versuchspersonen gebeten werden, sich sehr theoretischen und nur selten in einen Kontext eingebetteten Versuchen zu unterziehen. Auf der anderen Seite zeigen andere, unter realen Bedingungen beim Treffen finanzieller Entscheidungen durchgeführte Studien keinen nennenswerten Unterschied zwischen Frauen und Männern beim Eingehen von Risiken.

Wie lässt sich diese Diskrepanz erklären und woher rührt die unterschiedlich hohe Risikobereitschaft, die zuweilen bei Männern und Frauen festgestellt wird? Die Verhaltensökonomie zeigt, dass das Treffen unserer Entscheidungen selten objektiv und rational erfolgt. Hier kommen oft Faktoren ins Spiel, wie der Kontext, die soziale Norm oder unser Umfeld.

Wir neigen dazu, eine Norm einzuhalten, die scheinbar auf uns zutrifft, auch wenn sie unseren persönlichen Vorlieben und unseren eigenen Interessen zuwiderläuft.

Und bei sozialen Normen fungieren Stereotypen oft als mächtige Katalysatoren beim Treffen von Entscheidungen. Sie beeinflussen vor allem tendenziell unsere Risikobereitschaft und unsere Abneigung gegenüber Verlusten. Wir neigen dazu, so zu handeln, dass wir eine Norm erfüllen, die scheinbar auf uns zutrifft, auch wenn sie unseren persönlichen Vorlieben und unseren eigenen Interessen zuwiderläuft. Das ist einer der Hauptgründe, aus denen viele Anleger sich bei ihren Entscheidungen von Klischees im Zusammenhang mit dem Geschlecht beeinflussen lassen. Doch welche Klischees sind das?

Es heißt, dass Frauen, wenn sie sich trauen anzulegen, dies viel zurückhaltender und zögerlicher tun als Männer. Und es gibt viele Pseudo-Erklärungen für diese Behauptung: niedrigere Risikobereitschaft, weniger Finanzwissen, geringere mathematische Begabung. Manch einer führt sogar biologische oder hormonelle Besonderheiten an, um die Unterschiede zu erklären.

Diese Klischees oder sogar Stereotypen könnten einen schmunzeln lassen, wenn sie nicht tatsächlich Einfluss auf Verhaltensweisen hätten. Dadurch, dass man sie immer wieder hört, werden diese Behauptungen oft unbewusst von Frauen berücksichtigt, bei denen dann das Selbstvertrauen schwindet und deren Verhalten entsprechend beeinflusst wird.

Ernst genommene Stereotypen und anhaltende Diskriminierungen

In Ermangelung weiblicher Vorbilder im Investmentbereich haben viele Frauen daher den Reflex, sich Produkten zuzuwenden, die als speziell für Frauen entwickelt präsentiert werden. Der Grund? Ganz einfach das Bedürfnis, ein gutes Gefühl zu haben. Bei dieser Darstellung funktioniert das Klischee einer Anlegerin so gut, dass man es als eine soziale Norm betrachten könnte, der man gern entsprechen will. Und das hat Konsequenzen, die weit über das Anlegen hinausgehen, beispielsweise beim Zugang zu Führungspositionen, die mit dem Eingehen von Risiken verbunden sind.

Vielen Frauen werden systematisch sehr konservative Anlagelösungen empfohlen, die potenziell weniger einbringen als andere, risikoreichere Produkte.

Doch nicht nur die Frau, die die Anlagen tätigt, will die Norm erfüllen. Das kann auch bei der Person der Fall sein, die ihr die Anlagelösungen anbietet. Daher werden vielen Frauen systematisch sehr konservative Anlagelösungen empfohlen, die ihnen potenziell weniger einbringen als andere, risikoreichere Produkte.

Stereotypen im Zusammenhang mit dem Geschlecht sind aber kein Privileg von Frauen. Man sollte auch skeptisch gegenüber Studien sein, die Persönlichkeitsmerkmale verallgemeinern, die typisch männlich sein sollen, nämlich höhere Risikobereitschaft, ausgeprägte Impulsivität und ein Hang, Positionen ihres Portfolios zu schnell wieder zu verkaufen.

Dieses Anlegerprofil gibt es natürlich, aber es ist nicht typisch männlich! Ein Mann kann ein analytischer Anleger sein und sich gleichzeitig bei aggressiven Anlagestrategien unwohl fühlen.

Den Kontext verstehen, um gelassen anzulegen

Wenn man anlegen möchte, sollte man sich also nicht an das klammern, was man für eine Norm hält, sondern vor allem nach einer Lösung suchen, die wirklich seinem eigenen Profil entspricht. Hierzu kann es äußerst hilfreich sein, sich an einen Spezialisten zu wenden, dem Sie vertrauen und der Ihnen in einem neutralen und objektiven Umfeld alle denkbaren Optionen vorstellen kann. Im Grunde kann das Ihr Kundenbetreuer am besten.

Vergessen Sie nie, dass der Kontext einen bedeutenden Einfluss auf das Treffen von Entscheidungen hat und gelegentlich sogar auf die Leistung von Menschen. Kommen wir noch einmal auf das Vorurteil zurück, nach dem Frauen weniger talentiert in Mathematik sind als Männer. Ein internationales Forscherteam unter der Leitung der Wissenschaftlerin Paola Sapienza hat sich für den Ursprung dieses Stereotyps interessiert. Die Schlussfolgerungen der Studie: eine mangelnde Vertretung von Frauen in wissenschaftlichen Berufen und insbesondere in der Mathematik. Da es keine Vorbilder gibt, orientieren sich junge Mädchen natürlich in Richtung anderer Disziplinen. Diese Vorurteile werden gelegentlich sogar unbewusst zu Hause noch verstärkt, wo berufliche Laufbahnen im mathematischen Bereich für junge Mädchen nur selten ins Gespräch gebracht werden.

Doch diese kulturellen Vorurteile entbehren jeglicher kognitiven Grundlage. In einem neutraleren, förderlicheren Bildungsumfeld in Gesellschaften, die der Gleichheit von Mann und Frau mehr Bedeutung beimessen, bringen diese kleinen Mädchen dieselben Leistungen wie die kleinen Jungs im selben Alter.

Man könnte eine Parallele ziehen zwischen diesem Beispiel und den Investments von Frauen. Von den Frauen fassen weniger den Entschluss, Anlagen zu tätigen, als ihre männlichen Artgenossen, wahrscheinlich weil ihnen weibliche Vorbilder fehlen oder weil ihnen fiktive oder Marketing-Vorbilder präsentiert werden, die ihnen nicht gerecht werden. Wenn der Entschluss jedoch einmal gefasst ist, gehen Frauen, die zu kundigen Anlegerinnen geworden sind, nicht weniger Risiken ein als Männer.

Wenn es darum geht, eine Anlagestrategie zu wählen, kommt es viel weniger auf das Geschlecht an als auf das Risikoprofil einer Person.

Die Macht wieder übernehmen!

Letztendlich kommt es weniger darauf an, was Frauen oder Männer wirklich wollen. Beim Anlegen ist entscheidend, wer Sie sind, wie Ihre Situation aussieht und was Sie selbst als Person wollen. Denn wenn es darum geht, eine Anlagestrategie zu wählen, kommt es viel weniger auf das Geschlecht an als auf das Risikoprofil einer Person, ihre familiäre, berufliche, finanzielle, vermögensbezogene Situation und auf ihre Lebensprojekte, die man berücksichtigen muss.

Was auf Sie als Person zutrifft, gilt auch bei der Auswahl eines Produkts. Es gibt nicht das eine ideale Produkt. Es gibt allerdings Produkte, die Ihrem Profil und Ihren persönlichen Vorlieben entsprechen. Und andere, die ganz und gar nicht zu Ihnen passen. Es liegt an Ihnen, ein möglichst neutrales finanzielles Umfeld zu finden, in dem Sie sich vertrauensvoll mit einem Spezialisten unterhalten können, der nicht versuchen wird, Sie in vorgefertigte Schubladen zu stecken. Die menschliche Beziehung und das Vertrauen sind in diesem Zusammenhang die entscheidenden Elemente!

Wenn Sie Ihr Risikoprofil erstellen, sollten Sie das nicht als eine bloße gesetzliche Verpflichtung betrachten. Bleiben Sie vielmehr objektiv und beantworten Sie klar und unabhängig die Fragen. Das ist der beste Weg, um Ihren Kundenbetreuer dabei zu unterstützen, Sie effizient zu begleiten.

Ob Sie ein Mann oder eine Frau sind, es ist an der Zeit, dass Sie wieder die Macht übernehmen und klar Ihre persönlichen Vorlieben beim Anlegen zum Ausdruck bringen, statt sich ein stereotypes Konzept aufdrängen zu lassen, das auf schönem Hochglanzpapier präsentiert wird.