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November 23, 2024

Zufriedenheit als Wegweiser

  Gesammelt von myLIFE team myINVEST Dezember 1, 2022 712

Wer immer nur Perfektion sucht, droht zu scheitern

Sie sehen sich nicht als Perfektionisten, möchten aber trotzdem die beste Schule für Ihre Kinder, das beste Haus für Ihre Familie, die beste Finanzanlage oder den besten Kredit. Auch für Ihren Urlaub wollen Sie das perfekte Hotel in idealer Lage, mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis und Top-Service finden – und das alles, ohne das Budget zu sprengen. Das ist völlig normal, aber kann auch im Fiasko enden.

Es gibt eine Methode, zu der viele Experten raten: Statt sich durch den Wunsch nach Perfektion selbst zu blockieren, sollte man eine Option wählen, mit der man zufrieden ist. Ein altbekanntes Sprichwort besagt: „Das Bessere ist der Feind des Guten.“ Kommt man schneller ans Ziel, wenn man sich für das Gute entscheidet, statt vergeblich dem Besten nachzulaufen? Auch in Finanzangelegenheiten ist dies eine interessante Frage.

100 Prozent rational geht nicht

Gemäß der klassischen Wirtschaftstheorie trifft man Entscheidungen am besten so rational wie möglich und unter Einbeziehung sämtlicher relevanter. Das bedeutet, dass man Wahlmöglichkeiten umfassend vergleichen und alle Vor- und Nachteile des Produkts oder der Dienstleistung abwägen kann. In der Theorie klingt das einfach. In der Praxis kann die Entscheidungsfindung so aber schnell zum Albtraum werden. In unserem heutigen Angebotsdschungel stets die beste Wahl und Entscheidung zu treffen, ist ein anstrengender, ja sogar endlos anmutender Wettlauf. Auf der Suche nach der nicht existierenden Perfektion vergleichen wir krampfhaft alles und fühlen uns dadurch frustriert und gestresst. Oft fällen wir letztlich gar keine Entscheidung oder wählen die schlechte oder einzig verbleibende Option, weil wir zu lange unschlüssig geblieben sind.

Die Theorie der absoluten Rationalität und Maximierung kann in der Praxis in eine Sackgasse führen. Im Streben nach guten Entscheidungen ist die Vorgabe der Zufriedenheit ein interessanter Ansatz. Der 2001 verstorbene US-amerikanische Soziologe und Wirtschaftsnobelpreisträger Herbert Simon beschrieb Menschen, die den Weg der Zufriedenheit wählen, als Personen, die Effektivität statt Optimierung anstreben. Diese Menschen treffen oft leichter und schneller bessere Entscheidungen als jene, die um jeden Preis das Beste haben wollen.

Das Bessere ist der Feind des Guten.

Die Forschungen um das Entscheidungsverhalten und die -grundlagen von Simon haben es hoffähig gemacht, die Meinung zu vertreten, dass Menschen nicht auf Basis vollständiger Informationen entscheiden. Man entscheidet, wenn man sich hinreichend sicher fühlt. Die Welt ist zu schnell, zu unübersichtlich, zu verworren, zu vielen Einflüssen ausgesetzt um umfassend kalkulieren zu können, welche Entscheidung sich am Ende lohnt. Man entscheidet, wenn man zufrieden ist, so Simons Maxime.

Gute Entscheidungen, beste Option

Experten wählen übrigens oft diesen Weg der Zufriedenheit, wenn sie in einer nie erlebten Situation, in der viel auf dem Spiel steht, schnell eine wichtige Entscheidung treffen müssen. Ein ausgezeichnetes Beispiel dafür ist die spektakuläre Notwasserung, die der Pilot Chesley Sullenberger 2009 in New York nach einer Motorenpanne erfolgreich auf dem Huson River durchführte.

Zum Glück geht es bei den meisten Entscheidungen, die wir im Alltag treffen müssen, nicht um Leben und Tod. Wir können jedoch von Menschen wie Sullenberger viel lernen. Dazu gehört, sich mit einer guten Option zufriedenzugeben. Für diese Art der Entscheidungsfindung, auch als „schnell und sparsam“ bezeichnet, plädiert Gerd Gigerenzer, ein weltweit renommierter Psychologe, Direktor emeritus am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und Direktor des Harding Zentrums für Risikokompetenz. Das Gottlieb Duttweiler Institut hat Gigerenzer als einen der 100 einflussreichsten Denker der Welt bezeichnet.

Gigerenzers Ansatz folgt zwar nicht den Regeln der Rationalität in ihrer absoluten Reinform, ist aber äußerst effektiv. Er stützt sich auf das sogenannte „Take-the-Best“-Prinzip. Dabei ist es der erste relevante Unterschied, der den Ausschlag gibt. Gigerenzer hat diese Vorgehensweise im Rahmen eines Experiments getestet, bei dem die Probanden von 83 möglichen deutschen Städten mit mehr als 100 000 Einwohnern die bevölkerungsreichsten ermitteln sollten. Die Personen hatten keine konkreten Kenntnisse über diese Städte und sollten ihre Entscheidung anhand von höchstens neun möglichen Merkmalen fällen, aber immer sofort beim ersten Merkmal, das einen Unterschied zwischen zwei Städten aufweist, ihre Wahl treffen. Zu diesen Merkmalen zählten beispielsweise, ob die Stadt die Hauptstadt eines Bundeslandes ist oder ob es dort eine bedeutende Fußballmannschaft gibt. So bewerteten die Probanden die Städte paarweise anhand der einzelnen Merkmale und erarbeiteten schließlich in mehr als 72 % der Fälle eine korrekte Rangordnung der Städte.

Bestimmte Auswahlkriterien festzulegen, macht im Alltag die Entscheidungsfindung einfacher.

Fazit: Nur ganz wenige aber entscheidende Auswahlkriterien festzulegen, macht im Alltag die Entscheidungsfindung einfacher. Bei einem Hauskauf könnten zum Beispiel Kriterien wie ein großer Garten oder drei Schlafzimmer den Ausschlag geben. Bei einem Kredit ist es nicht unbedingt der Zinssatz, sondern es könnte die geforderte persönliche Einlage oder die angebotene maximale Darlehenslaufzeit sein.