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Januar 14, 2025

Das Problem mit Barmitteln als Anlageform

  Gesammelt von myLIFE team myINVEST Januar 13, 2025 49

Vor dem Hintergrund der sinkenden Zinssätze rücken die altbekannten Nachteile, die mit dem Halten von Barmitteln verbunden sind, wieder in das Bewusstsein der Anleger. Banken nehmen den sinkenden Einlagenzins der Zentralbanken zum Anlass, den Zinssatz für die Sparkonten ihrer Kunden zu senken. Dementsprechend nehmen die Erträge aus Spareinlagen ab. Dank der hohen Zinssätze, die von 2022 bis Juni 2024 vorherrschten, mussten sich Anleger mit diesem Problem zeitweise nicht auseinandersetzen. Doch es ist unwahrscheinlich, dass dieser Zustand dauerhaft anhalten wird.

Die Europäische Zentralbank hat die Zinssätze zwischen Juni und November 2024 gesenkt und höchstwahrscheinlich werden weitere Zinssenkungen folgen. Die Bank of England ist diesem Beispiel gefolgt und auch die Federal Reserve hat die Zinssätze zum ersten Mal seit vier Jahren gesenkt, und zwar um 0,5% im September 2024 und kurz darauf um weitere 0,25% im November.

Nur wenige Experten gehen davon aus, dass die Zinssätze wieder auf den Tiefstand von null aus den Zeiten nach der Finanzkrise fallen werden. Gleichwohl dürften Sparzinsen von rund 3% bis 4% immer seltener werden, da höhere Vergütungen für geschützte Einlagen im derzeitigen Wirtschaftsklima oft als kaum sinnvoll angesehen werden. Die rückläufige Entwicklung der Zinsen, die die Zentralbanken den Geschäftsbanken gewähren, veranlasst die europäischen Finanzinstitute wiederum dazu, die Erträge ihrer Kunden aus Sparprodukten zu reduzieren.

Die Anleger wenden sich dennoch nicht von Barmitteln und von barmittelähnlichen Produkten ab. So verzeichneten Geldmarktfonds, die Barmittel und kurzfristige Anlagen wie Staatsanleihen halten, im Sommer 2024 immer noch Rekordzuflüsse. Inmitten anhaltender Ungewissheit über die Aussichten für das Wirtschaftswachstum und die Entwicklung der Zinssätze zogen Geldmarktfonds laut Morningstar im Juli nicht weniger als 32,6 Milliarden Euro an. Die beruhigende Gewissheit, genau das zurückzuerhalten, was man investiert hat, macht Barmittel als Anlageoption – insbesondere in einem weniger günstigen oder komplexeren wirtschaftlichen Umfeld – noch attraktiver.

Inflation und Opportunitätskosten

Es ist jedoch nicht ganz richtig, dass Anleger garantiert zurückbekommen, was sie investiert haben, denn das Halten großer Mengen an Barmitteln birgt zwei wesentliche Risiken. Das erste dieser Risiken beruht auf der Inflation. Ist die Inflationsrate hoch, mag Ihr Kapitalbetrag zwar konstant bleiben, doch Sie können sich davon später nicht mehr so viel leisten. Je mehr Zeit vergeht, desto stärker wirkt sich dieser Effekt aus. Sparen kann als bloße Verschiebung des Konsums in die Zukunft betrachtet werden. Genau deshalb ist es so wichtig, die Kaufkraft zu berücksichtigen, wenn es darum geht, den wahren Wert der Ersparnisse im Laufe der Zeit zu bestimmen.

Das Halten großer Mengen an Barmitteln birgt zwei wesentliche Risiken. Das erste ist die Inflation, das zweite sind die Opportunitätskosten, die mit dem Halten vor Barmitteln verbunden sind.

Bei einer durchschnittlichen Inflationsrate von 2% – der derzeitigen Zielvorgabe der Europäischen Zentralbank – wäre ein Barguthaben von 100.000 Euro nach 25 Jahren effektiv nur noch 61.000 Euro wert. Bei einem Anstieg der Inflation auf 3% würde dieser Wert auf 47.800 Euro sinken. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die Inflation in der Eurozone zwischen August 2021 und Oktober 2023 bei über 3% lag. Etwaige Zinsen auf den Sparbetrag würden diesen Wertverfall zwar zu einem gewissen Grad abmildern, aber oftmals würden Anleger so bestenfalls die Verluste ausgleichen.

Hier kommt das zweite Risiko ins Spiel – die Opportunitätskosten in Verbindung mit dem Halten von Barmitteln. Ersparnisse, die in bar gehalten werden, sind definitionsgemäß nicht am Aktienmarkt, in Anleihen oder in anderen Vermögenswerten angelegt. Dies bedeutet, dass auf ein erhebliches Wachstumspotenzial verzichtet wird.

Die im amerikanischen Aktienindex S&P 500 enthaltenen Aktien haben in Euro in den letzten 10 Jahren eine annualisierte Rendite von 10,9% erzielt (Stand: Ende 2024); eine Anlage von 100.000 Euro wäre somit auf einen Betrag von 295.967 Euro angewachsen. Wer sein Geld langfristig anlegen und so ein möglichst hohes Einkommen für den Ruhestand aufbauen will, sollte nach den besten Renditechancen suchen. Solange er jedoch Barmittel hält, entgeht ihm dadurch ein erhebliches Renditepotenzial.

Darüber hinaus bieten Aktienanlagen in der Regel einen besseren Schutz vor der Inflation, denn die Unternehmen können auf einen Anstieg ihrer eigenen Kosten reagieren, indem sie die Preise anheben. Darin liegt ein inhärenter Vorteil von Aktienanlagen.

Ein weiterer Vorteil für Aktienanleger liegt in den Dividenden. Sie sind zwar nicht im gleichen Maße garantiert wie die Zahlung von Zinsen auf ein Sparguthaben, aber es gibt viele börsennotierte Unternehmen in Europa, die einen Teil ihres Gewinns an die Aktionäre ausschütten. Die durchschnittliche Dividendenrendite der Unternehmen im Euro Stoxx 50 Index liegt bei 2,7% des Aktienkurses. In vielen Fällen wird der Ertrag im Laufe der Zeit vor dem Hintergrund wachsender Unternehmensgewinne steigen. Dies kann der inflationsbedingten Wertminderung eines Portfolios erheblich entgegenwirken.

Die Illusion des perfekten Markt-Timings

Ein anderes Argument für Barmittel besteht darin, dass sie als vorübergehender Wertspeicher dienen können. Bei Turbulenzen oder bei einer Flaute an den Anlagemärkten können die Anleger schließlich in Barmittel umschichten und später wieder am Markt investieren, sobald sich die Aussichten gebessert haben. Dieser Ansatz mag in der Theorie verlockend erscheinen, doch in der Praxis ist er sehr schwer zu verwirklichen.

Das in Boston ansässige und auf Finanzdienstleistungen spezialisierte Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Dalbar führt jedes Jahr eine Studie durch, in der die Performance des Aktienmarktes mit den Renditen der Aktienanleger verglichen wird. Theoretisch sollten beide identisch sein, doch leider sabotieren sich die Anleger in den allermeisten Fällen selbst.

Im Laufe der Jahre hat die Dalbar-Studie immer wieder aufgezeigt, dass Anleger ihr Geld in aller Regel zur falschen Zeit vom Aktienmarkt abziehen – nämlich dann, wenn die Aktienkurse nicht weit vom tiefsten Punkt einer Abwärtsphase entfernt sind. Außerdem neigen sie dazu, ihr Geld auch zur falschen Zeit anzulegen – nämlich dann, wenn die Aktien fast am teuersten sind. Dies wirkt sich nachteilig auf die langfristigen Renditen der Anleger aus. So hat Dalbar beispielsweise festgestellt, dass die Rendite des durchschnittlichen Aktienanlegers im Jahr 2023 um 5,5% niedriger war als die Performance des S&P 500.

Wenn Anleger versuchen, zum optimalen Zeitpunkt zu investieren, besteht das Problem unter anderem darin, dass die Aussichten besonders düster erscheinen, wenn die Aktienkurse an ihrem Tiefpunkt angekommen sind. 2020 hätte das etwa bedeutet, in den ersten Monaten der Coronapandemie zu investieren, als viele Länder gerade Lockdown-Maßnahmen eingeführt hatten, die den persönlichen Kontakt auf privater und geschäftlicher Ebene stark einschränkten, und als noch keine Aussicht auf einen Impfstoff bestand.

Die erfolgreichste Strategie besteht darin, in guten wie in schlechten Zeiten investiert zu bleiben und die Marktvolatilität zu ignorieren, egal ob die Kurse steigen oder fallen.

Für eine Gewinnmitnahme zum richtigen Zeitpunkt hätten Anleger wiederum verkaufen müssen, sobald die Volkswirtschaften weltweit ihre Lockdowns beendet hatten und sich wieder eine gewisse Normalität einstellte. In der Praxis ist ein solches Timing sehr schwierig zu bewerkstelligen und ein so nüchternes und emotionsloses Kalkül entspricht nicht der menschlichen Psyche. Die erfolgreichste Strategie besteht darin, in guten wie in schlechten Zeiten investiert zu bleiben und die Marktvolatilität zu ignorieren, egal ob die Kurse steigen oder fallen.

Einsatz zur Absicherung gegen Unvorhersehbares

Natürlich können Barmittel immer noch einen Zweck erfüllen. So ist es etwa ratsam, ausreichende Barmittelreserven zur Deckung der Ausgaben für mehrere Monate zu halten, um auf unvorhersehbare Ereignisse wie eine Entlassung, eine Erkrankung oder kostspielige Schadensfälle vorbereitet zu sein. Barmittel sind auch dann nützlich, wenn Sie Kapital für kurzfristige Bedürfnisse benötigen.

Darüber hinaus können sie eine gewisse Flexibilität bieten. Wenn Sie zum Beispiel verschiedene Anlagestrategien gegeneinander abwägen, kann es sich lohnen, Barmittel zu halten, bis Sie eine Entscheidung getroffen haben. Wenn Sie gerade eine größere Geldsumme erhalten haben, kann es zudem sinnvoll sein, diese nach und nach an den Finanzmärkten anzulegen, anstatt alles auf einmal zu investieren. Auf diese Weise verringern Sie das Risiko, ihre Investition zu einem Zeitpunkt zu tätigen, an dem sich die Märkte ihrem Höhepunkt nähern.

Dennoch können Baranlagen nicht der Kern einer sinnvollen Anlagestrategie sein. Hält man einen zu großen Teil des eigenen Vermögens in bar, wird es dadurch schwieriger, längerfristige Anlageziele zu erreichen und dieses Vermögen zu mehren. Der Zweck von Investitionen besteht darin, das eigene Geld für sich arbeiten zu lassen, um letztendlich finanzielle Unabhängigkeit zu erreichen. Auch wenn es sehr wichtig ist, frei verfügbare Ersparnisse zu haben, müssen Anleger zugleich das Risiko sinkender Sparzinsen und die Auswirkungen der Inflation auf die Kaufkraft im Blick behalten.

Ersparnisse, die in bar gehalten werden, sind definitionsgemäß nicht am Aktienmarkt, in Anleihen oder in anderen Vermögenswerten angelegt. Dies bedeutet, dass auf ein erhebliches Wachstumspotenzial verzichtet wird.