Was versteht man unter Tokenisierung?
Als echte Finanzinnovation eröffnet die Tokenisierung neue Anlageperspektiven. Doch was genau ist das? Welche Anwendungsmöglichkeiten gibt es und worauf gilt es zu achten? myLIFE fasst die wichtigsten Informationen für Sie zusammen.
Tokenisierung: Was ist das?
Zunächst gehen wir auf einige Grundlagen ein, die helfen können, das Konzept der Tokenisierung zu verstehen. Ein Token ist eine digitale Einheit, die einen digitalen oder physischen Vermögenswert (Gegenstand, Recht, Eigentumsanteil usw.) darstellt und auf einer Blockchain registriert und übertragen werden kann.
Gut zu wissen: Eine Blockchain ist eine Datenbank in einem dezentralen Netzwerk, mit der Informationen transparent, sicher und ohne Umweg über eine zentrale Kontrollinstanz gespeichert und übertragen werden können. Siehe: Was ist die ?
Tokenisierung ermöglicht es, reale Vermögenswerte digital abzubilden.
Tokenisierung bezeichnet die Repräsentation eines Vermögenswerts (oder eines Teils des Vermögenswerts) und der damit verbundenen Rechte in einem Token. Sie ermöglicht es, reale Vermögenswerte digital abzubilden.
Es gibt verschiedene Arten von Token: Native Token, Utility Token, Security Token usw. Jeder dieser Kategorien hat besondere Eigenschaften und verkörpert bestimmte Rechte. Einige Token dienen als Zahlungs- oder Wertaufbewahrungsmittel in Verbindung mit Kryptowährungen. Andere, wie Utility Token, sind dagegen für einen bestimmten Zweck bestimmt und bieten Zugang zu besonderen Vorteilen, Dienstleistungen usw. Eine weitere Kategorie sind Finanzwerte bzw. Wertpapiere, oder sie können zur Spekulation genutzt werden (Security Token). Vorsicht: Je nach Art der Token gelten unterschiedliche Rechtsvorschriften!
Die Tokenisierung erfolgt unter Verwendung von „Smart Contracts“ – intelligenter Verträge, die in einer Blockchain (wie Ethereum) gespeichert werden. In diesen Computerprogrammen sind die Bedingungen für die Erstellung und Übertragung von Token festgelegt. Sie können auch automatisch vordefinierte Aktionen durchführen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Es handelt sich gewissermaßen um die digitale Version eines Vertrags, an dem später keine Änderungen mehr vorgenommen werden können und der ohne menschliches Zutun selbstständig ausgeführt wird.
Durch Tokenisierung (…) kann ein Vermögenswert in viele kleinere Einheiten unterteilt werden. Anleger haben so die Möglichkeit, Bruchteile eines Vermögenswerts zu erwerben.
Welche Anwendungsfälle gibt es für die Tokenisierung?
Folgende Beispiele veranschaulichen, wie Tokenisierung in der Praxis eingesetzt werden könnte.
Immobilien
In der Immobilienbranche bietet die Tokenisierung zahlreiche Möglichkeiten. So können beispielsweise Eigentumsrechte an Immobilien oder an Immobiliengesellschaften bürgerlichen Rechts (SCI) in einem Token repräsentiert werden. In diesem Fall wird nicht die Immobilie selbst tokenisiert, sondern die Anteile an dem Unternehmen, das die Immobilie hält.
Eine Besonderheit der Tokenisierung ist die Fähigkeit, einen Vermögenswert in viele kleinere Einheiten zu unterteilen. Anleger haben so die Möglichkeit, Bruchteile eines Vermögenswerts zu erwerben.
Gehen wir von einer Immobilie mit einem geschätzten Wert von einer Million Euro aus. Das Unternehmen emittiert 1.000 Token im Wert von jeweils 1.000 Euro, die das Recht auf einen prozentualen Anteil an den aus der Immobilie erzielten Mieteinnahmen gewähren.
Die Tokenisierung würde es somit ermöglichen, von jedem Ort der Welt aus mit einem geringen Startkapital in die Immobilie zu investieren und an deren möglichen Erträgen zu partizipieren. Außerdem wäre es durch die Tokenisierung möglich, den Kaufprozess effizienter und schneller zu gestalten, da die Token und nicht die Immobilie selbst gehandelt werden, die Kosten zu senken, da nur noch eine geringere Zahl von Vermittlern benötigt wird, und gleichzeitig von der Transparenz und Sicherheit der Blockchain-Technologie zu profitieren. Darüber hinaus könnte ein Smart Contract alle mit den Transaktionen verbundenen Überprüfungen durchführen und die Verteilung der Mieteinnahmen unter den Token-Besitzern automatisch ausführen.
Achtung: In der Praxis gibt es bei der Tokenisierung von Immobilien noch zahlreiche Hindernisse. Immobilien-Token repräsentieren je nach Land unterschiedliche Rechte. Gleiches gilt für ihren rechtlichen Status. So müssen in einigen Ländern die Eigentumsrechte an einer Immobilie in einem offiziellen Grundbuch verzeichnet sein, um anerkannt zu werden. Eine Eigentumsübertragung außerhalb des Grundbuchs ist nicht möglich. Ein Token, das das Eigentum an einer Immobilie in einer Blockchain repräsentiert, wird daher nicht überall rechtlich anerkannt. Das könnte die Euphorie etwas dämpfen.
Tokenisierung kann eine Alternative zu klassischen Finanzierungsformen darstellen.
Unternehmen
Für Unternehmen kann Tokenisierung eine Alternative zu klassischen Finanzierungsformen darstellen. Sie eignet sich für verschiedene Einsatzbereiche: Kapitalbeschaffung, Vorverkauf von Produkten oder Gewährung von besonderen Kundenvorteilen.
So können Unternehmen in der Startphase Token verkaufen, die einen exklusiven Zugang zu Produkten oder Dienstleistungen bieten, sobald diese auf den Markt kommen. Ähnlich wie beim Crowdfunding haben Unternehmen die Möglichkeit, Kapital für die Projektentwicklung aufzunehmen und Aufmerksamkeit für ihr Vorhaben zu gewinnen. Außerdem profitieren sie dank der Blockchain von einer schnellen und effizienten Abwicklung der Transaktionen.
Zur Projektfinanzierung könnten Unternehmen auch Token ausgeben, die Zugang zu bestimmten Vorteilen (Treuepunkte, Gutscheine, VIP-Zugang usw.) gewähren. Die Erwerber hätten auch die Möglichkeit, mit den Token zu spekulieren, da sie sie gegen Kryptowährungen eintauschen können.
ICO: Die Emission von Token, die das Recht auf bestimmte Vorteile oder Dienstleistungen verbriefen (Utility Token), erfolgt im Rahmen eines ICO (Initial Coin Offering). Dabei handelt es sich um eine Methode der Kapitalaufnahme durch Erstellung und Ausgabe von Token, die im Austausch gegen Kryptowährungen gehandelt werden können. |
Achtung: Es gibt keine Garantie für den Erfolg des jeweiligen Projekts. Ein Scheitern des Vorhabens führt zum Verlust des investierten Kapitals; der Wert der Token sinkt dann auf null. Zudem erhält der Käufer keine Garantie, dass es einen Markt für den Handel mit den Token geben wird. Wenn die Nachfrage zu gering ist, ist ein Verkauf möglicherweise nicht oder nur zu sehr unvorteilhaften Bedingungen möglich.
Tokenisierung von Finanzinstrumenten
Es ist auch möglich, Finanzinstrumente (Aktien eines Unternehmens, Anleihen, Anteile an Investmentfonds usw.) auf einer Blockchain zu tokenisieren.
Ein Unternehmer könnte sich für die Tokenisierung eines Teils oder aller Aktien seines Unternehmens entscheiden, um Mittel aufzunehmen. Durch die Aufteilung der Aktien in kleine Bruchteile würde er sie für Anleger zugänglicher machen; zugleich würde er von einem internationalen Markt profitieren, der rund um die Uhr geöffnet ist. Die durch die Token gewährten Rechte könnten über Smart Contracts festgelegt werden, die sowohl die Bedingungen für die Übertragung der Token als auch die Modalitäten für die Zahlung der Dividenden, das Vorhandensein von Stimmrechten der Erwerber usw. regeln.
Des Weiteren könnten die vorgeschriebenen rechtlichen und regulatorischen Überprüfungen mittels Smart Contracts automatisiert werden, um die Konformität der Transaktionen zu gewährleisten.
Im Fall tokenisierter Finanzinstrumente wird der Anleger Eigentümer der Token, die Aktien des Unternehmens und die damit verbundenen Rechte repräsentieren.
STO: Die Emission von Token, die eine Aktie eines Unternehmens repräsentieren, erfolgt im Rahmen eines STO (Security Token Offering). Anders als bei einem ICO handelt es sich hierbei nicht um Utility Token, die emittiert und gegen Kryptowährungen getauscht werden, sondern um Token, die einen finanziellen Vermögenswert, ein Wertpapier oder ein Spekulationsobjekt repräsentieren. STOs unterliegen einer strengen Regulierung und stehen nur zugelassenen Unternehmen offen, die die entsprechenden Anforderungen erfüllen. |
Achtung: Durch den regulatorischen Rahmen ist der Handel mit diesen Token komplexer und weniger flexibel. Darüber hinaus ist der Anleger nicht vor den Risiken im Zusammenhang mit der Aufbewahrung der Token (Hackerangriffe, Verlust oder Diebstahl von Daten usw.) geschützt.
Tokenisierung alternativer Produkte
Auch andere Produkte können tokenisiert werden: Luxusgüter, Sammelobjekte, Edelmetalle usw. Die Digitalisierung und Aufteilung dieser Vermögenswerte in kleine Bruchteile macht sie zugänglicher und leichter handelbar. Es ist in der Regel einfacher, einen Token auf einer Plattform zu verkaufen als ein Gemälde auf dem Kunstmarkt.
Auf diesem Weg können neue Anlegergruppen kleine Anteile an diesen Vermögenswerten erwerben und diese als Token auf der Blockchain handeln. Der Kunstmarkt wäre so einem breiteren Publikum zugänglich. Allerdings spricht man in diesem Bereich eher von NFTs (Non-Fungible Token), insbesondere wenn es sich um einen einzigartigen und nicht austauschbaren Vermögenswert handelt. Hier finden Sie weitere Informationen zu NFTs.
Achtung: Bei dieser Art von Transaktion kommt es regelmäßig zu Betrugsfällen: Phishing, betrügerische Plattformen, Datendiebstahl, Fälschungen oder illegale Kopien von NFTs usw. Auch wenn Transaktionen über die Blockchain sicher sind, muss man dennoch prüfen, was man kauft, und sich von der Seriosität der Plattform überzeugen, auf der der Austausch stattfindet.
Es können also sehr unterschiedliche Arten von Vermögenswerten tokenisiert werden: Immobilien, Aktien, Rohstoffe, Weine, Patente, Urheberrechte und sogar Sammlerstücke aus dem Sportbereich. Es handelt sich um eine echte Innovation, die jedoch bisher noch durch zahlreiche Hemmnisse und Unsicherheiten gebremst wird.
Bis zur Etablierung eines präzisen rechtlichen Rahmens für alle genannten Anlagen ist es noch ein weiter Weg.
Noch lauern zahlreiche Risiken
Tokenisierung ist ein recht neues Phänomen. Abgesehen von den Fragen im Zusammenhang mit den Transaktionsvolumina, die bei bestimmten Arten von Vermögenswerten noch begrenzt sind (was ihre Liquidität beeinträchtigt), gibt es noch viele Grauzonen, insbesondere mit Blick auf die Regulierung.
Nicht alle Token haben die gleichen Funktionen oder Merkmale, und je nach Art werden sie von den Gesetzgebern unterschiedlich behandelt. Die Ansätze für digitale Vermögenswerte unterscheiden sich überdies von Land zu Land, ebenso wie die Vorgaben der Regulierungsbehörden. Im Großherzogtum legt die Commission de Surveillance du Secteur Financier (CSSF) die geltenden Finanzvorschriften fest.
Die Regulierung muss je nach Art der Token angepasst werden, ohne mit bestehenden Gesetzen in Konflikt zu geraten, um Anleger zu schützen und die Finanzstabilität zu gewährleisten. In diesem Bereich entwickelt sich der Rechtsrahmen ständig weiter. Übrigens arbeitet die Europäische Union aktuell an einer Verordnung zur Harmonisierung der Märkte für digitale Vermögenswerte, der sogenannten MiCA-Verordnung (Markets in Crypto Assets Doch bis für alle genannten Anlagen ein präziser rechtlicher Rahmen geschaffen wurde und eine internationale Koordinierung die Durchsetzung rechtlicher Ansprüche im Streitfall ermöglicht, ist es noch ein weiter Weg.
Ferner ist zu bedenken, dass Aktivitäten, die virtuelle Vermögenswerte beinhalten, Anleger neben den jeder Investition innewohnenden Risiken besonderen Gefahren aussetzen: Volatilität, Hackerangriffe, Programmierfehler bei Smart Contracts u. ä. sowie die Verbindung mit kriminellen Aktivitäten (Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung usw.).
Mehr noch als bei klassischen Geldanlagen ist es entscheidend, sich mit dieser digitalen Anlageform vertraut zu machen und sich über die geltenden Rechtsvorschriften zu informieren. Ein solches Investment eignet sich nur für erfahrene Anleger. Angesichts der nach wie vor großen Risiken entscheiden sich viele Banken bisher bewusst gegen eine Beteiligung an dieser Innovation.
In diesem Artikel werden lediglich Grundlagen zum Thema Tokenisierung vermittelt, um einen ersten Überblick zu geben. Weitere Informationen finden Sie auf spezialisierten Websites: blockchainfrance.net, cryptoast.fr usw.
Vielen Dank an Wesley DEGLISE, Experte für Tokenisierung und Chief Executive Officer von AOI für die Unterstützung bei diesem Artikel.